Hamburg. Ein Reinigungsunternehmer wird in sozialen Netzwerken an den Pranger gestellt. Die Handwerkskammer verurteilt die Aktion.

Noch am Dienstag hatte Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) vor einer Eskalation des Konflikts um das Verkehrsprojekt „Ottensen macht Platz“ gewarnt: „Der Ton ist entsetzlich.“

Der vorzeitige Abbruch des Versuchs einer autofreien Zone nach den Eilanträgen zweier Kläger aus dem Stadtteil gegen „Ottensen macht Platz“ hat die Stimmung weiter angeheizt. Über Facebook wird inzwischen zum Boykott von Gewerbetreibenden aufgerufen, weil sie die Kläger sein sollen.

Autofreies Ottensen: Jochen Faiz klagte über Umsatzeinbußen

Ein Leidtragender des Streits ist Jochen Faiz, Inhaber der Comet-Reinigung an der Ottenser Hauptstraße. Er hatte im Abendblatt über Umsatzeinbußen geklagt. Viele Stammkunden würden mit dem Auto zur Konkurrenz fahren.

Diese Einschätzung wird ihm nun zum Verhängnis. Denn in den Netzwerken wird das Gerücht gestreut, auch er habe geklagt. „Seitdem rufen mich Kunden an und sagen, wir waren immer zufrieden, aber jetzt gehen wir zu einer anderen Reinigung.“ Nun zeugt es ohnehin von einem eigenwilligen Rechtsstaat-Verständnis, Bürger, die sich juristisch wehren, mit Boykott-Aufrufen zu überziehen. Wobei in diesem Fall Faiz gar nicht geklagt hat. Dies macht er nun mit Plakaten deutlich.

Boykott-Aufrufe werden scharf verurteilt

In seiner Verzweiflung hat sich Faiz an die Handwerkskammer gewandt. Deren Präsident Hjalmar Stemmann sagt: „Ich bin sehr erschrocken darüber, wie die Diskussion in Ottensen eskaliert. Das Handwerk unterstützt Verkehrsexperimente in den Quartieren – wenn sie auf rechtssicheren Lösungen beruhen. Die vergiftete Atmosphäre in Ottensen ist ein Weckruf: Es geht nur gemeinsam, unter Berücksichtigung der Interessen aller Betroffenen. Dazu gehören Bewohner und Gewerbetreibende gleichermaßen. Das Hamburger Handwerk steht zum konstruktiven Dialog bereit.“

Wobei das Pendel auch in die andere Richtung ausschlägt. So werden ebenfalls auf Facebook Politiker der Grünen und der CDU sowie die Initiative „Ottensen gestalten“, die allesamt mit dem Projekt sympathisieren, bezichtigt, Urheber dieser Boykott-Aufrufe zu sein. Dabei haben die Initiative sowie alle Fraktionen der Bezirksversammlung Boykott-Aufrufe scharf verurteilt.