Hamburg. Christian Schwarz spricht über das Corona-Risiko der Beamten und die zusätzliche Dauerbelastung durch die Pandemie.

In der Corona-Krise kämpft die Feuerwehr an vorderster Front. Jeden Tag sind die Mitarbeiter des Rettungsdienstes auch einem Infektionsrisiko ausgesetzt. Für sie wird der Job jetzt sicherer: Seit gestern werden auch Feuerwehrleute regelhaft geimpft. Hamburgs Oberbranddirektor Christian Schwarz über Tragödien, menschliche Schicksale – und gar nicht mal so düstere Aussichten.

Hamburger Abendblatt: Bevor wir über den Beruf sprechen – wie hat sich die Pandemie bisher auf Sie persönlich ausgewirkt?

Christian Schwarz: Als besonders belastend empfinde ich das Homeschooling. Das verlangt uns als Familie viel ab, insbesondere meiner Frau, die nachts deswegen jetzt ihrer Berufstätigkeit nachgehen muss und tagsüber für die acht und zehn Jahre alten Kinder da ist. Das sind schon extreme Zustände, das geht an die Substanz. Der zermürbende Corona-Alltag hat auch meine beiden leiblichen Töchter fest im Griff. Die Älteste belegt im Studium nur Onlinevorlesungen und ist fast immer zu Hause. Die Jüngere steht vor dem Abitur – eine wahre Ochsentour in diesen Zeiten. Als Vater muss ich da immer wieder Motivationshilfe leisten.

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Kommen wir zur Feuerwehr. Wie hat sich die Krise seit Februar 2020 aus Ihrer Sicht entwickelt?

Schwarz: Das „Corona-Jahr“ begann für uns tragisch, weil ein Hamburger Feuerwehrmann Anfang März während einer Urlaubsreise in Ägypten an Covid-19 verstarb. Seither und bis zum heutigen Tag liegt unser Hauptaugenmerk darauf, für unsere Leute die maximale Sicherheit zu gewährleisten – mit Abstand halten in den Wachen, ausreichender Hygiene, mit Masken und Schutzanzügen. Zudem testen wir praktisch pausenlos: Fühlt sich ein Kollege krank, kann er sich sofort checken lassen, etwa auf unserer Teststrecke an der Feuerwehrakademie. Täglich kommen wir so auf rund 200 PCR- und Schnelltests. In den zwölf Corona-Monaten haben wir 136 Infektionen nachgewiesen – nur 136. Und bisher konnten wir keinen Fall auf das Einsatzgeschehen zurückführen.

Allein im Rettungsdienst gibt es jedes Jahr weit mehr als 200.000 Einsätze. Die Krise kommt obendrauf. Kann das die Feuerwehr auf Dauer überhaupt leisten?

Schwarz: Zurzeit sind wir gut aufgestellt, zumal wir eine Art Routine im Umgang mit Corona entwickelt haben. Von den täglich rund 700 bis 800 Rettungseinsätzen in Hamburg stehen etwa 15 bis 20 Prozent, also 100 bis 120 Fahrten, im Zusammenhang mit Corona. Zu Beginn der Krise waren es täglich noch rund 150 Einsätze.

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Kommen Sie personalmäßig gut hin? Die Gewerkschaft hegt da große Zweifel …

Schwarz: Anfangs gab es Überlegungen, wie wir durch Einzelmaßnahmen und Personalsteuerung so viele Kollegen und Kolleginnen wie möglich für den Einsatzdienst bereitstellen können. Wir wollten auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, auch für mögliche weitaus schlimmere Verläufe und Zahlen. So haben wir beispielsweise die Aus- und Fortbildung an unserer Akademie gestoppt und Personal aus den Werkstätten aus den Abteilungen abgezogen. Wir sind dann aber relativ schnell wieder in den normalen Dienstbetrieb zurückgekehrt.

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Wie gehen Ihre Kollegen auf der Straße mit der allgegenwärtigen Bedrohung durch das Virus um?

Schwarz: Unser Rettungsdienst ist auch ohne Corona mit schwierigen Einsätzen konfrontiert. Aber natürlich hat das Thema Sorgen und Ängste geschürt. Umso wichtiger war und ist es mir, dass wir als Feuerwehr für die Nöte der Kollegen stets erreichbar sind, etwa über die Hotline, die wir schon im vergangenen Frühjahr freigeschaltet haben. Kameraden, die in Quarantäne gehen mussten, bieten wir zudem Betreuungsmöglichkeiten. Gerade am Anfang fiel es vielen Kollegen schwer, die neuen Regeln auch im zwischenmenschlichen Bereich zu akzeptieren - und etwa auf den Handschlag am Morgen zu verzichten.

Weil sich Hamburg im Bund für ein priorisiertes Impfen der „kritischen Infrastruktur“ eingesetzt hat, sind beim Impfen jetzt auch Feuerwehrleute ganz vorn mit dabei …

Schwarz: …und das völlig zu Recht. Warum sollten auch die Mitarbeiter im Rettungsdienst anders behandelt werden als Ärzte oder Pfleger? Unsere Leute haben ständig Kontakt zu Risikogruppen. Natürlich bin ich sehr erleichtert, dass die Hamburger Feuerwehr endlich in einen geordneten Impfprozess kommt. Das war bisher nicht der Fall.

Besorgt es Sie, dass Ihre Leute den AstraZeneca-Impfstoff erhalten? Wegen Zweifeln an der Wirksamkeit gegen die dortige Mutation hat Südafrika den Stoff aus dem Verkehr gezogen.

Schwarz: Nein, in keiner Weise. Bis zu einem gewissen Grad sind Mutationen bei Viren unumgänglich, und die Impfstoffe müssen unter Umständen angepasst werden – oder auch nicht. Bei der Knappheit an Impfstoffen können wir froh sein, dass wir überhaupt in einen geregelten Ablauf kommen.

Wie läuft das konkret ab?

Schwarz: Der Impf-Fokus liegt zunächst auf den Mitarbeitern im Rettungsdienst der Berufsfeuerwehr, auf den Angehörigen der fast 20 Erstversorger innerhalb der freiwilligen Feuerwehr und den Beschäftigten der privaten Hilfsorganisationen. Wir ermitteln gerade, wer sich impfen lassen möchte – schließlich ist die Impfung freiwillig. Seit Mittwoch stehen für diese Gruppen in den Messehallen bis zu 300 Impfdosen pro Tag zur Verfügung, ab dem 15. Februar sind es bis zu 500. In gut einer Woche sollten wir mit dem Thema durch sein.

460 Feuerwehrleute haben ihre erste Dosis ja auch schon erhalten ...

Schwarz: Ja, dabei handelt es sich um Restmengen, die von Januar an nach Impfungen in Hamburger Pflegeheimen übrig geblieben waren und die sehr schnell verbraucht werden mussten, weil sie sonst unbrauchbar geworden wären. Uns wurden die Impfdosen über den Krisenstab der BIS von den Einrichtungen angeboten, da haben wir natürlich nicht Nein gesagt und selbstverständlich mit oberster Priorität auch versucht, Personal aus dem Rettungsdienst diese adhoc-Impfdosen zukommen zu lassen.

Öffentlich wurde der Feuerwehr dann jedoch vorgeworfen, das Führungspersonal habe sich beim Impfen nach vorn gedrängelt. Das empfinde ich als unfair und es ist auch falsch – um zu verhindern, dass die Restmengen weggeworfen werden, mussten wir schnell handeln. Weil nur Kollegen geimpft werden dürfen, die frei haben oder jedenfalls an diesem Tag nicht im Einsatzdienst sind, war der Kreis der potenziellen Empfänger schon deshalb beschränkt. Hinzu kam auch, dass nicht jeder infrage kommende Feuerwehrmann innerhalb von 60 Minuten am Impfort sein konnte. Da mussten wir dann in der letzten Not schon mal einen Kollegen fragen, der, salopp gesprochen, „am Gang“ saß.

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Gibt es Entscheidungen, die Sie bereuen?

Schwarz: Ich würde nicht sagen, dass alles immer und jederzeit glatt lief. Wir lernen in dieser Krise noch immer hinzu, sie ist ein Prozess, in dem wir Maßnahmen auch mal nachjustieren müssen. Insgesamt würde ich uns, der Hamburger Feuerwehr, schon ein gutes Zeugnis ausstellen – auch im Vergleich mit anderen deutschen Feuerwehren. Aber auch der Innenbehörde und der ganzen Stadt kann man ein positives Zeugnis ausstellen. Wenn etwas bei uns nicht optimal lief, haben wir das Problem isoliert und sind es angegangen. Das zeigen auch die niedrigen Infiziertenzahlen.