Hamburg. Exklusiv: So wenige Brandtote und Verletzte wie noch nie. Aber Retter treffen oft spät ein. Wo neue Standorte nun helfen sollen.

Historischer Erfolg für die Feuerwehr: Im vergangenen Jahr hat es in Hamburg nur fünf Brandtote gegeben – so wenige wie noch nie. Auch die Zahl der Verletzen sank sehr stark von 344 auf 123 Betroffene. Das geht aus internen Daten der Feuerwehr hervor, die dem Abendblatt exklusiv vorliegen. Gleichzeitig kämpfen die Retter jedoch damit, die eigenen Zeitvorgaben zu erfüllen und schnell am Einsatzort zu sein. Eine Offensive beim Bau neuer Feuer- und Rettungswachen soll nun Abhilfe schaffen, gleich zehn Standorte werden parallel geplant.

Die guten Jahreszahlen seien ein Grund zur Freude, sagte der Feuerwehrchef Christian Schwarz. „Jedoch stehen wir auch weiterhin vor großen Herausforderungen.“ Über Jahre war insbesondere die Zahl der Einsätze im Rettungsdienst geradezu explodiert. Im vergangenen Jahr sank sie nun von 253.000 auf 230.000 – jedoch vor allem dadurch, dass die Wohlfahrtsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) der Berufsfeuerwehr verstärkt Fahrten abnahmen. Die Einsätze im Bereich Brandschutz nahmen nur leicht auf rund 12.000 ab. Wie im Vorjahr kam es auch 2019 zu 13 Großbränden. 2018 hatte es noch acht Brandtote gegeben.

Über mögliche Gründe für den Rückgang der Toten und Verletzten wollte ein Feuerwehrsprecher zunächst nicht spekulieren. In der Bilanz sind nur jene Menschen enthalten, die direkt bei einem Feuer ihr Leben verloren. Weitere fünf Menschen, die erst im Krankenhaus gestorben sind, werden in der Statistik nicht mitgezählt. Im laufenden Jahr gab es zudem bereits fünf Brandtote – also so viele wie im gesamten Vorjahr. Auf Anfrage sagte Innensenator Andy Grote (SPD), Hamburg verfüge über eine erfolgreiche, leistungsstarke Feuerwehr. „Damit die Feuerwehr immer schnellstmöglich vor Ort ist, stocken wir sie auch in den nächsten Jahren personell weiter auf und bauen das Netz an Feuer- und Rettungswachen schrittweise aus.“

„Weiße Flecken“ auf der Karte sollen getilgt werden

Jüngst hatte eine CDU-Anfrage an den Senat ergeben, dass die Feuerwehr trotz der guten Gesamtbilanz oft viel später am Einsatzort ist als vorgesehen. Zudem wurden die Retter zuletzt nicht schneller, sondern langsamer. Nur in 59 Prozent der Fälle waren bei einem „kritischen Brand“ in weniger als acht Minuten auch zehn Feuerwehrleute vor Ort. Im Rettungsdienst sank die Quote sogar auf 52 Prozent. Allein im ersten Quartal 2020 wurden die Zeitvorgaben mehr als 24.000-mal gerissen – in mehr als 5000 Fällen mussten Notfallpatienten dabei sogar mehr als zwölf Minuten warten.

Die Feuerwehr macht seit Jahren kein Geheimnis daraus, dass es vor allem an den Stadträndern noch „weiße Flecken“ auf der Karte gebe, in denen die Beamten deutlich schlechter schnell vor Ort sein können. Nach Abendblatt-Informationen hat der Senat den Bau von zwei weiteren großen Feuer- und Rettungswachen in Allermöhe und Schnelsen, sowie acht weitere reine Rettungswachen zugesagt (siehe große Karte oben). Letztere sollen unter anderem in Volksdorf, Wilstorf und Neugraben-Fischbek errichtet werden und jeweils mit mindestens zwei Rettungswagen bestückt werden.

Der Feuerwehrsprecher Martin Schneider sagte, dass bereits vor sechs Jahren damit begonnen worden sei, die Feuerwehr besser auszustatten. „Wir spüren den politischen Willen und die Unterstützung des Senats deutlich“, so Schneider. „Eine neue Wache zu errichten bedarf aber nicht nur eines erheblichen Planungsaufwandes, sondern auch einfach Zeit zur Realisierung.“ Bis 2025, so nun die Vorgabe, soll ein Großteil der neuen Wachen in Betrieb sein. Teilweise sind bereits konkrete Grundstücke für den Neubau identifiziert worden. In den vergangenen Jahren war bereits unter anderem eine neue Feuer- und Rettungswache in Othmarschen eröffnet worden.

Baustellen und Tempo 30 bremsen die Feuerwehr aus

Dass sich die Anstrengungen für mehr Geschwindigkeit im Einsatz bislang noch nicht in der Statistik niederschlagen, begründet die Feuerwehr auch mit äußeren Einflüssen. „Wie bei allen Hamburgern führen die vielen Baustellen auf den Straßen auch bei uns dazu, dass Fahrten länger dauern“, so Schneider. Darauf habe man nun intern reagiert: Ein Koordinator soll den einzelnen Wachen helfen, trotz der Hindernisse möglichst schnell vor Ort zu sein.

Trotz ihrer Sonderrechte müssen sich auch Einsatzfahrzeuge jedoch zumindest grob an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Straßen halten. Deshalb bedeuteten auch neue Tempo-30-Zonen eine Herausforderung. „Mehr als 45 Kilometer pro Stunde sind dort auch für unsere Kollegen nicht erlaubt, um die Anwohner zu schonen“, sagt Schneider. Gerade in Wohngebieten behindern zudem regelmäßig Falschparker die Einsatzkräfte bei der Anfahrt oder vor Ort.

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Neben den neuen Wachen soll auch eine Personaloffensive die Feuerwehr noch leistungsfähiger machen. So gebe es heute bereits rund 540 Kameraden mehr als noch vor sechs Jahren – da jedoch auch die Zahl der Rettungseinsätze zeitweise so drastisch anstieg, habe dies gerade ausgereicht, um den Bedarf zu decken. Zuletzt wurden verstärkt speziell ausgebildete Kameraden der freiwilligen Feuerwehr als Ersthelfer zu medizinischen Notfällen geschickt. Verrechnet mit den Abgängen stieg die Zahl der Mitarbeiter bei der Berufsfeuerwehr im Jahr 2019 um 48 auf insgesamt 2915 Menschen. Nur 98 davon waren Frauen – eine weniger als im Vorjahr.