Hamburg. Mehr Zeit für Klausuren, feste Schwerpunkte und eine gezieltere Vorbereitung sollen Nachteile durch den Schul-Lockdown ausgleichen.

Mehr Zeit, mehr Auswahlmöglichkeiten und eine gezieltere Vorbereitung – mit einem Bündel von Maßnahmen will die Schulbehörde die Abiturprüfungen in diesem Jahr den besonderen Bedingungen durch die Corona-Pandemie anpassen. Der Start der schriftlichen Prüfungen wird um eine Woche auf den 23. April verschoben, die letzte Klausur soll am 18. Mai geschrieben werden, bevor die mündlichen Prüfungen beginnen.

„Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Schülerinnen und Schüler aufgrund der jetzt beschlossenen Anpassungen die gleichen Chancen auf einen guten Schulabschluss haben wie in den Jahrgängen zuvor, obwohl fast ein halbes Schuljahr kein regulärer Unterricht stattgefunden hat”, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). „Wir werden sicherstellen, dass es ein vollwertiges Abitur wird, das in allen Ländern anerkannt wird”, sagte Rabe, der von fairen Bedingungen sprach. Alle Prüfungen fänden jedoch auf Abiturniveau statt. „Das ist kein Abitur zweiter Klasse”, sagte der Senator.

Die Veränderungen im Einzelnen:

Die Zeit für die Abitur-Klausuren wird um 30 Minuten verlängert. Die Schüler haben zwischen viereinhalb und sechs Stunden Zeit, die Aufgaben zu lösen, je nachdem, in welchem Fach und ob die Prüfung auf grundlegendem oder erweitertem Niveau erfolgt.

Die Schülerinnen und Schüler erfahren vorher, welche Schwerpunktthemen die Prüfungen haben werden, was eine gezieltere Vorbereitung ermöglicht. Die eigentlichen Prüfungsaufgaben bleiben natürlich geheim.

Mathe: Lehrer wählen zwei statt drei Prüfungsfelder

In der Mathe-Prüfung wählen die Lehrer zwei der drei standardmäßigen Prüfungsfelder (Lineare Algebra und Analytische Geometrie/Stochastik/Analysis) aus, weil nicht alle Themen wegen der Einschränkungen gleich intensiv unterrichtet werden konnten.

Durch die Verschiebung des Starts der Prüfungen haben die Abiturienten nach den Märzferien fünf statt vier Wochen Vorbereitungszeit. Rabe bedauerte, dass der frühe Beginn der Sommerferien Mitte Juni dazu führe, dass die Prüfungen nicht weiter nach hinten verschoben werden könnten.

Abiturienten stehen Operatorenlisten während Prüfung zur Verfügung

Eine Zweitkorrektur der Klausuren soll es nur dann geben, wenn die Note des Erstkorrektors um eine Note oder mehr von der Vorzensur in dem Fach abweicht. Dies ist vor allem eine Entlastung für die Lehrerinnen und Lehrer.

Die Abiturienten erhalten in der Prüfung sogenannte Operatorenlisten mit Erklärungen für die einzelnen Fächer. So wird für die Deutsch-Klausur genau definiert, welche Anforderungen hinter den Aufforderungen „Analysieren Sie ...” oder „Erörtern Sie ...” stehen.

Eine Klausur weniger im vierten Semester

Eine indirekte Erleichterung bedeutet es, dass im vierten Semester eine Klausur weniger geschrieben wird: in Fächern mit regulär zwei Klausuren nur eine, in den anderen Fächern keine. Die Schülerinnen und Schüler können auf Wunsch eine benotete Hausarbeit vorlegen oder eine Präsentation halten. Lehrer können auch Klausuren auf freiwilliger Basis anbieten.

Die Schulen sollen den Abiturienten ermöglichen, an mehreren Prüfungskolloquien an der Schule teilzunehmen, um sich gezielt in kleinen Gruppen vorzubereiten. „Das kann bedeuten, dass sechs oder acht Schüler für fünf Stunden unter Wahrung aller Abstands- und Hygieneregeln einmal in der Woche zusammenkommen”, sagte Rabe.

Lehrer sollen Bewertungsspielräume zugunsten von Schülern ausnutzen

Wegen der Pandemie- Beschränkungen gelten für die sportpraktische Abi-Prüfung wie 2020 besondere Bedingungen. Die Wettkampfaufgabe in den Mannschaftssportarten muss entfallen. An ihre Stelle treten Demonstrationsaufgaben, die die Schüler allein oder zu zweit absolvieren. „Beim Fußball müssen die Schüler dann um Stangen dribbeln und Elfmeter schießen”, sagte Rabe.

„Das ist kein Abitur zweiter Klasse.
„Das ist kein Abitur zweiter Klasse." Schulsenator Ties Rabe (SPD) © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

„Wir appellieren wie im vergangenen Jahr an die Lehrkräfte, Rücksicht bei der Benotung zu üben, wenn es Bewertungsspielräume gibt”, sagte der Schulsenator. Dabei solle berücksichtigt werden, dass die Schüler nicht nur den pandemiebedingten Ausfall des regulären Unterrichts hatten, sondern darüber hinaus Klassen zum Teil wochenlang in Quarantäne waren oder im Einzelfall aus Vorsicht zu Hause geblieben waren.

Schüler durch Bedingungen womöglich nervöser

Rabe kündigte außerdem an, dass sich Hamburg bei den schriftlichen Prüfungen in den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik zur Hälfte aus dem bundesweiten Aufgabenpool bedienen wird. In allen Fächern bleibt es beim hamburgweiten Zentralabitur. Das heißt, es werden die gleichen Klausuren in allen Schulen geschrieben – egal ob in Blankenese, Barmbek oder Billstedt.

„Ich bin persönlich sehr zuversichtlich, dass die Maßnahmen viele Erleichterungen bringen werden. Lernen muss man aber trotzdem”, sagte Rabe. „Vielleicht sind die Schülerinnen und Schüler sogar besser vorbereitet, als sie selbst glauben”, machte der Schulsenator den Abiturienten Mut. Wegen der besonderen Bedingungen und starken Einschränkungen seien die Schüler vielleicht besonders nervös.

Stöver kritisiert späte Verkündung der Regelungen

„Studien haben aber auch gezeigt, dass eine alleinige Vorbereitung häufig intensiver ist als der übliche Unterricht in der Schule, wo man vielleicht auch mal abgelenkt ist und aus dem Fenster sieht”, sagte Rabe. Auch im vergangenen Jahr hätten viele große Sorgen und Befürchtungen gehabt. „Am Ende war der Abitur-Durchschnitt der beste seit fünf Jahren”, sagte der Senator.

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Die CDU-Bildungspolitikerin Birgit Stöver kritisierte, dass Rabe die Regelungen zu spät verkünde. Viele der jetzt ergriffenen Maßnahmen lägen schon seit den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz am 21. Januar auf dem Tisch. „Ein wichtiger Punkt bleibt jedoch bei Rabes Plänen außen vor: das freiwillige Wiederholen ohne Anrechnung der Höchstverweildauer in der Oberstufe zu ermöglichen”, sagte Stöver.

Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus findet Regelungen nicht ausreichend

„Das sind sinnvolle Maßnahmen, die bei den Schülerinnen und Schülern den Druck etwas rausnehmen. Aber das alles reicht nicht als Antwort auf die unfassbar belastende Lage, in der sich unsere Abiturienten befinden”, sagte Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. „Ich hätte mir einen deutlich späteren Zeitpunkt für das Abitur gewünscht mit kreativeren und individuelleren Prüfungsformaten und Leistungsnachweisen”, sagte Boeddinghaus.

Von den 9700 Abiturienten des Jahres 2021 besuchen 3400 Jugendliche eine Stadtteilschule, 5800 ein Gymnasium und weitere 500 andere Schulformen wie etwa die beruflichen Gymnasien.