Hamburg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther beim 33. Abendblatt-Neujahrsempfang im Gespräch mit Chefredakteur Lars Haider.
Anlässlich des Neujahrsempfangs des Hamburger Abendblatts sprach Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider per Video-Schalte mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther.
Hamburger Abendblatt: Seit Beginn der Pandemie waren Sie mit Schleswig Holstein immer an der Spitze der Länder, die die geringsten Probleme mit dem Virus haben. Was haben Sie anders gemacht als Sachsen, Bayern oder Thüringen?
Daniel Günther: Es hat sich ausgezahlt, dass wir in Schleswig-Holstein frühzeitig und konsequent reagiert haben, dass wir manchmal auch etwas schärfere Maßnahmen ergriffen haben als andere Bundesländer. Wir haben eine norddeutsche Gelassenheit, mit einer solchen Krisensituation umzugehen. Viele Menschen bei uns sind bereit gewesen, in den gesamten Monaten manche Einschränkungen duldsam zu ertragen. Das hat in der Summe dazu geführt, dass wir über die gesamte Zeit sehr niedrige Inzidenz-Werte hatten.
Wie schwierig ist es, Menschen in Landkreisen wie Nordfriesland mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von deutlich unter 50 nun zu erklären, dass der Lockdown verlängert werden muss?
Daniel Günther: Bei niedrigen Inzidenzwerten muss man länger erklären. Aber mein Eindruck ist, dass trotz alledem die Bereitschaft, das zu akzeptieren, in Schleswig-Holstein ausgesprochen hoch ist. Im Moment merken Menschen auch, dass die Lage nicht ganz kalkulierbar ist. Nehmen wir einen Kreis wie Schleswig-Flensburg, wo die Inzidenz über viele Monate hinweg unter 10 lag: Dort gibt es plötzlich eine andere ganz Lage durch ein Ausbruchsgeschehen, die Inzidenz liegt bei fast 100. Die Lage kann sich schnell verändern. Deshalb ist es akzeptabel, dass wir innerhalb eines Bundeslandes keine Unterschiede bei den Maßnahmen machen.
Wäre es nicht sinnvoll, zu sagen: Der Lockdown geht solange, bis die Inzidenz bundesweit unter 50 liegt? Dann wüssten alle, woran sie sind.
Daniel Günther: Ich bin dafür, dass wir künftig einen Stufenplan haben. Das heißt, bei bestimmten Inzidenzwerten kann man sich Lockerungen vorstellen, aber umgekehrt auch Verschärfungen, wenn Inzidenzwerte hoch sind. Das könnte für eine bessere Planbarkeit sorgen. Für den Januar sehe ich allerdings in keinem Bundesland eine Möglichkeit für Lockerungen. Deshalb ist es richtig, zumindest für die nächsten drei Wochen auch diesen harten Schritt zu ergreifen.
In Schleswig-Holsteins Hauptreisegebieten für Touristen – Nordfriesland und Ostholstein – waren die Inzidenzen immer mit am niedrigsten, selbst in den Sommermonaten. Könnte das nicht ein Indiz dafür sein, dass der Tourismus innerhalb Deutschlands kein starker Treiber der Pandemie ist und dass man darüber nachdenken könnte, die touristischen Ziele schneller wieder zu öffnen?
Daniel Günther: Das Infektionsgeschehen hat sich in den Sommermonaten insgesamt nicht sehr verbreitert. Viele Menschen, die Schleswig-Holstein besuchten, aber auch viele, die in Gastronomie und Hotels Verantwortung tragen, haben sich ausgesprochen gut verhalten, es gab tolle Hygienekonzepte – das hat mit dazu beitragen, dass die Infektionszahlen so niedrig geblieben sind. In den Wintermonaten allerdings, wo das Infektionsgeschehen insgesamt hochgeht, ist die Lage auch in der Gastronomie und in den Hotels eine andere. Hygienekonzepte können noch so gut sein – wenn zehn Personen aus zehn Haushalten an einem Tisch sitzen und unter ihnen ist ein Infizierter, dann wird das Infektionsgeschehen verbreitert. Deshalb wollen wir im Moment Kontakte reduzieren. Das wird uns mit Sicherheit noch ein paar Wochen begleiten. Gerade Reiseverkehre sind etwas, worauf man sehr genau achten muss. Aber ich setze darauf, dass wir mit der Branche Szenarien entwickeln, wie wir Tourismus im Lauf der nächsten Monate wieder ermöglichen können.
Könnten nicht Menschen in Schleswig-Holstein Urlaub machen, die gegen Corona geimpft sind?
Daniel Günther: Über solche Modelle muss man mit der Branche sprechen, wenn man touristische Öffnungen früher wieder möglich machen will.
Wann können die Deutschen wieder in Schleswig-Holstein Urlaub machen?
Daniel Günther: Heute dazu eine zielgenaue Prognose abzugeben, ist schwierig. Wir müssen beim Thema Impfen vorankommen, insgesamt die Inzidenzwerte in den Griff bekommen. Die Zielrichtung, dass zu Ostern wieder deutliche Schritte in Richtung Normalität und auch Reiseverkehre möglich sind, halte ich für eine sehr realistische Perspektive. Über alles, was früher starten kann, freue ich mich dann umso mehr.
Sie haben das Impfen angesprochen: Da gibt es gerade viel Unmut in Deutschland. Der Impfstoff ist hier entwickelt worden, andere Länder sind viel weiter – wie geht es Ihnen mit der Impfstrategie, die vom Bund kommt?
Daniel Günther: Bund und Länder tragen eine gemeinsame Verantwortung. Ich bin in beide Richtungen kein Fan von Schuldzuweisungen. Mein Eindruck ist, dass gerade die SPD das Thema mit Blick auf einen Wahltermin nutzt, um schlechte Stimmung zu verbreiten. Ich halte das nicht für sonderlich seriös. Denn die Impfstrategie ist auch mit den Bundesländern immer besprochen worden. Ich glaube auch, dass es richtig gewesen ist, sich auf europäischer Ebene zu verständigen, dass man auf mehrere Anbieter setzt. Allen, die heute so schlau tun und sagen, bei Biontech sei es absehbar gewesen, dass diese Firma als erste einen Impfstoff auf den Markt bringt, muss man entgegnen: Das war zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht abzuschätzen. Aber es war absehbar, dass es gerade in den ersten Wochen noch Kapazitätsengpässe geben wird. Darauf sind wir vorbereitet, wir haben Impfzentren, wir können bis zu 300.000 Impfungen im Monat durchführen. Sobald Impfdosen auch von anderen Anbietern zur Verfügung stehen, werden die Impfungen deutlich beschleunigt werden. Jetzt müssen wir noch ein paar schwierige Wochen überstehen. Ich verstehe den Unmut und die Ungeduld in der Bevölkerung, aber die Schuldzuweisungen gegenüber der Bundesregierung entbehren jeder Grundlage. Ich weise entschieden zurück, was da zum Teil von Kolleginnen und Kollegen gesagt wird.
Wann wird eine signifikante Zahl von Schleswig-Holsteinern geimpft sein?
Daniel Günther: Eine Impfquote von 60 Prozent sehe ich nicht vor der Jahresmitte. Da müssen wir mit Sicherheit noch ein bisschen weiter ins Jahr gucken. Ich glaube aber schon, dass wir im Laufe des zweiten Quartals, also ab April, so weit gekommen sein werden, dass wir dadurch das Infektionsgeschehen nennenswert eingrenzen und weitere Öffnungsschritte möglich machen können.
Wie geht es weiter mit den Kitas und Schulen und Schleswig-Holstein?
Daniel Günther: Wenn sich die Infektionszahlen in den nächsten zwei Wochen positiv entwickeln, werden wir in den Schulen einen Präsenzunterricht gerade für die unteren Jahrgangsstufen und in den Kitas einen Präsenzbetrieb über die Notbetreuung möglichst bald wieder ermöglichen.
Ich stelle mir vor, wenn ich nicht nur Vater und Ehemann wäre, sondern auch Ministerpräsident, hätte ich zu Hause ein ganz schönes Thema mit meiner Frau. Sagt Ihre Frau: Daniel, ganz ehrlich, da muss jetzt etwas passieren?
Daniel Günther: Klar. Das ist so. Allerdings versteht meine Frau als Ärztin noch mehr von dem Thema als ich, von daher haben wir sowieso viel darüber zu diskutieren. Aber als Ärztin ist sie auch sehr vorsichtig und hat eher Verständnis dafür, wenn wir sehr starke Einschränkungen festlegen, weil die Gesundheit im Mittelpunkt stehen muss. Auch über die Schulen findet eine Verbreitung statt, wenn die Infektionszahlen hoch sind.
Die CDU wählt bald ihren neuen Vorsitzenden. Wer wird gewinnen – und warum?
Daniel Günther: Armin Laschet – nicht nur, weil ich ihn unterstütze, sondern weil er eine große Unterstützung insgesamt genießt und aus meiner Sicht prädestiniert ist, den Kurs der Mitte der Union fortzusetzen. Laschet kann auch langfristig für uns erfolgreich sein, damit wir nicht nur die nächste Bundestagswahl gewinnen, sondern darüberhinaus eine starke Volkspartei bleiben. Deswegen wünsche ich mir ausdrücklich, dass er in der nächsten Woche gewählt wird.
Wie schnell muss man danach festlegen, wer Kanzlerkandidat wird?
Daniel Günther: Für die Spitzenkandidatur ist nicht der Zeitpunkt entscheidend. Wer hat in Deutschland gemerkt, dass die SPD schon einen Kandidaten aufgestellt hat? Keiner. Die Grünen haben keinen Spitzenkandidaten aufgestellt und auch das hat in Deutschland keinen gestört. Deswegen würde auch drei Monate lang in Deutschland die Welt nicht untergehen, wenn CDU und CSU noch keinen Spitzenkandidaten hätten.
Die Beiträge des 33. Abendblatt-Neujahrsempfangs
- Der Blog zum Neujahrsempfang des Abendblatts
- Tschentscher: "Wir bekommen einfach zu wenig Impfstoff"
- Günther: Urlaub in Schleswig-Holstein an Ostern realistisch
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- Scholz, Tschentscher, Habeck, Schwesig - die Videos der Gäste
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Egal, wer es wird – er könnte auf Robert Habeck und Olaf Scholz treffen. Wie gefährlich sind diese beiden für wen auch immer von der CDU/CSU? Glauben Sie, dass Robert Habeck der Kanzlerkandidat der Grünen wird?
Daniel Günther: Auf jeden Fall hat er das Potenzial, deren Spitzenkandidat zu werden. Ich halte beide nicht für gefährlich, sondern für Menschen, mit denen man auch gut zusammenarbeiten kann. Für Robert Habeck als ehemaliges Kabinettsmitglied in Schleswig-Holstein kann ich das ohnehin sagen und habe ich habe auch keinen Hehl daraus gemacht, dass ich mit Olaf Scholz als Hamburger Bürgermeister gut zusammengearbeitet habe. Aber ich bin mir schon sehr sehr sicher, dass unsere Umfragewerte im Moment Anlass bieten, anzunehmen, dass der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin wieder von der Union gestellt wird.
Es könnte eine Kanzlerkandidatin der CDU geben?
Daniel Günther: Man darf es manchmal nicht annehmen, wenn man so manche Diskussion in meiner Partei verfolgt. Aber es ist durchaus legitim, dass auch eine Frau kandidiert. Angela Merkel ist ja das beste Beispiel dafür, dass die Union sich auch vor Frauen in Verantwortung glücklicherweise heute nicht mehr scheut.