Hamburg. Er gehörte 2003 zu den Gründern des Waagenbau. Jetzt kämpft er für seine umstrittene Sternbrücken-Vision.
Es gibt zahlreiche Menschen, die bringen sich unglaublich beherzt in die Kultur der Stadt ein. Allerdings ohne im Rampenlicht auf der Bühne zu stehen. Einer von ihnen ist John Schierhorn. Und 2020 war für den 44-Jährigen ein besonders umtriebiges Jahr. Mit dem Schroedingers etablierte der Gastronom und Clubbetreiber eine urban-idyllische Kulturfläche im Schanzenpark. Und dieser Tage sorgte er für Aufsehen, als er der Bürgerschaft seinen Entwurf von einem Clubhaus an der Sternbrücke präsentierte. Gegenwind inklusive. Schierhorn ist ein passionierter Typ.
Streitbar und diskussionsstark, aber auch reflektiert und ausdauernd. „Meine Mutter hat immer gesagt: Gebt dem Jungen etwas zu tun. Langeweile ist nicht gut für ihn“, erzählt Schierhorn über seine Autofreisprechanlage. Weihnachten und die Tage zwischen den Jahren sind für ihn keine Zeit heimeliger Zurückgezogenheit.
Schierhorn ist Schanzenkind durch und durch
Stattdessen organisiert er mit zahlreichen Helfern, Vereinen und Spendern eine große Essens- und Geschenkeausgabe draußen beim Schroedingers. Erwartet werden mehr als 500 Menschen, denen es derzeit nicht so gut geht wie anderen. John Schierhorn ist Schanzenkind durch und durch. „Ich kenne das Viertel, als es noch nicht so schick war, hierher zu ziehen.“ Sein Schulweg führte ihn damals unter anderem vorbei an der Firma Altonaer Waagenbau Artz & Richter.
Eine Gebäudeliebe, die ihn nicht mehr losließ. Als die Bahn den flachen Backsteinbau an der Max-Brauer-Allee zur Zwischennutzung freigab, gründete Schierhorn dort im Frühjahr 2003 mit Freunden einen Club für Hip-Hop, Soul, Electro und DJ-Kultur. Gemeinsam mit der benachbarten Astra Stube sowie dem Fundbureau bildete der Waagenbau bald ein subkulturelles Zentrum jenseits von St. Pauli. Und dieses alternative Machen und Mitmischen war für Schierhorn dann doch verlockender als das Studium von VWL und Ernährungswissenschaften, was er nach dem achten Semester abbrach.
Schierhorn war einer der Initiatoren des Clubkombinats
Mittlerweile leitet seine Verlobte Claudia Mohr den Waagenbau. Aber jenseits von Corona wirft sich Schierhorn noch gerne ins Nacht- und Konzertleben. Und dass, obwohl er nicht gerade prototypisch rock ‚n‘ rollig aussieht. Unauffälliger Kurzhaarschnitt, gerne in Hemd und Jeans. So könnte er auch für einen Bankjob durchgehen. Doch das Herz pocht für ´die Musikszene, für die sich Schierhorn auch als Lobbyarbeiter einsetzt. Vor 16 Jahren gehörte er zu den Initiatoren des Clubkombinats, das die Spielstätten von Pudel bis Knust vernetzte und ihnen eine Stimme gegenüber der Politik verlieh.
Eine Tätigkeit, die wenig mit schnelllebigen Partys und viel mit langsam mahlender Bürokratie zu tun hat. Geduldiges Bretterbohren ist da ebenso gefragt wie lautstarkes Trommeln für die popkulturelle Sache. Noch heute engagiert sich John Schierhorn im Vorstand der dazugehörigen Clubstiftung. „ Wir haben mit dem Senat in der Corona-Zeit die besten Clubrettungsschirme des Landes entwickelt“, sagt er. Und da schwingt durchaus Stolz mit. Was ihn antreibt im Ehrenamt? „Mir macht das Spaß, mich beseelt das. Natürlich wollen wir alle unsere Miete zahlen können. Aber meine Eltern haben mir mitgegeben, dass Geld nicht im Mittelpunkt stehen muss.“
Er entwickelt Projekte vom Hamburger Osten bis ins Ruhrgebiet
Viel gelernt über Gemeinnützigkeit hat Schierhorn bei der Initiative Viva Con Agua, wo er Anfang der Zehner-Jahre als Geschäftsführer am Aufbau der Mineralwassermarke beteiligt war. Da der marode Zustand der Sternbrücke die Zukunft der dort angesiedelten Clubs seit langem bedrohte, begann er zudem, sich verstärkt für Immobilien und Stadtplanung zu interessieren. So beteiligte er sich etwa an der Ausschreibung der sogenannten Brammer-Fläche, einem unbebauten Filetstück am Schulterblatt. Ein Prozess, der reichlich Zeit, Geld und Nerven kostete. Ohne Ergebnis, aber mit hoher Lernkurve.
Heute berät und entwickelt Schierhorn Projekte vom Hamburger Osten bis ins Ruhrgebiet. „Wichtig ist dabei der Mehrwert für die Menschen“, betont er. Auch in dem geplanten Clubhaus an der Sternbrücke möchte er möglichst viele Interessen bündeln. „Entkommerzialisiert“ soll es sein und von einer Stiftung geführt werden. Neben einer Heimat für Waagenbau, Astra Stube und Fundbureau gehört eine Kindertagestätte mit Musik-Schwerpunkt ebenso zum Konzept wie Proberäume, Musikstudios und Übernachtungsmöglichkeiten für Bands.
Zahlreiche Diskussionen
Kalkulierte Kosten: 15 Millionen Euro. Am 17. Dezember stellte Schierhorn das ambitionierte Vorhaben gemeinsam mit dem Architekten Axel Farnschläder im Verkehrsausschuss vor. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sowie Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) und auch Kultursenator Carsten Brosda (SPD) zeigten sich angetan von dem Modell, das zugleich einen Neubau der Brücke vorsieht. Und genau an diesem Punkt schlagen derzeit die Wellen hoch.
Denn die Initiative Sternbrücke setzt sich für die Sanierung der 1925 errichteten Stahlkonstruktion ein und fordert eine stärkere Bürgerbeteiligung. Als „opportunistisch“ bezeichneten die Abrissgegner den Vorstoß der Clubs. In den Folgetagen ließen sich in den sozialen Medien zahlreiche Diskussionen verfolgen, in denen Schierhorn seine Pläne ausführlich erläuterte. Reibt ihn das auf? „In der Vergangenheit ist so viel gegen den Stadtteil entschieden worden, dass ich tiefstes Verständnis habe für offene Fragen und Klärungsbedarf. Dafür ist die Schanze schließlich die Schanze“, sagt Schierhorn gelassen. Und er ergänzt: „Ich habe Bock, die Debatte mit Leidenschaft weiterzuführen.“
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Die Hoffnung ist da, dass das Clubleben 2021 wieder anläuft Was Schierhorn als Menschen prägt, ist die Lust an der Kommunikation – am Austausch mit Ecken und Kanten ebenso wie am eigendynamischen Hin und Her bei Konzerten und Clubnächten. „Da kannst Du im Zeitraffer Menschen kennenlernen“, schwärmt er. Für 2021 hofft John Schierhorn deshalb, dass das Leben auf den Bühnen und Tanzflächen der Stadt wieder anlaufen kann. Langweilig dürfte es ihm bis dahin allerdings nicht werden.