Hamburg. Der geplante Brückenbau erhält ein anderes Design – und die vom Abriss bedrohten Clubs eine neue Heimat. Bringt das die Wende?
Ist das die Lösung des Konflikts um die Sternbrücke? Seit Monaten streiten Politiker, Architekten, Denkmalschützer, Anwohner und Verantwortliche der Deutschen Bahn um den geplanten Ersatzbau für den denkmalgeschützten Bahnknotenpunkt. Viele Kritiker finden die stützenfreie Konstruktion völlig überdimensioniert. Befürworter verweisen auf den entstehenden neuen Verkehrsraum für Rad- und Fußgänger sowie HVV-Busse.
Am Donnerstag präsentierte die Verkehrsbehörde im Verkehrsausschuss einen Plan, der viele Gegner versöhnen könnte. In direkter Nachbarschaft der Brücke soll ein Clubhaus entstehen. Ein großes Problem wäre gelöst: Die Sternbrücken-Clubs Waagenbau, Astra-Stube und Fundbureau würden eine neue Heimat finden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Projekt.
Sternbrücken-Clubhaus: Was soll genau gebaut werden?
Entstehen soll ein dreigeschossiger Bau plus Staffel. Hier wäre nicht nur Platz für die Clubs. Auch eine musikalisch orientierte Kita sowie Probenräume für Bands sollen integriert werden.
Was ist das Besondere an dem Objekt?
„Bei den vorliegenden Gestaltungsvorschlägen haben wir uns an der Materialkomposition des Bestandes orientiert“, sagt Architekt Axel Farnschläder. Durch die Wiederverwendung der Ziegelsteine aus den bestehenden Bauwerken und Stahlträgern aus der bestehenden Sternbrücke soll „eine versöhnliche Symbiose aus Alt und Neu geschaffen werden“. Durch die gewählten Materialien werde dem „rauen, ehrlichen, diversen Charme der Schanze Rechnung getragen“. In diesem Sinne soll das Design der Brücke angepasst werden. Auch für den Laien wird der Unterschied zu den bisherigen Visualisierungen sofort erkennbar: Durch den mehrgeschossigen Neubau wirkt die Brücke längst nicht mehr so wuchtig. Zudem ist ein spezielles Lichtkonzept angedacht (siehe kleines Foto).
Was soll das Clubhaus an der Sternbrücke kosten?
Kalkuliert sind 15 Millionen Euro. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) geht jedoch von weit geringeren Kosten für den Steuerzahler aus. Die Idee: Ein Stiftung soll als Bauherr und Vermieter fungieren. Die Stadt will das eigene Grundstück über einen Erbbaupachtvertrag vergeben.
Warum wird nicht saniert? Könnten dann die Clubs nicht bleiben?
Das bestreiten Bahn und Stadt unter Berufung auf Gutachten. Demnach wäre eine Sanierung extrem teuer. Denkmalschützer dagegen berufen sich auf ein Gutachten, das die Kulturbehörde in Auftrag gegeben hatte. In diesem Gutachten wird die Sanierung empfohlen. Doch auch diese Variante hätte laut Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) das Aus für die Clubs bedeutet: „Selbst bei einer Sanierung hätten die entsprechenden Räume verfüllt werden müssen.“
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Wie sieht die Kulturbehörde den Clubhaus-Plan?
Wenig überraschend sehr positiv. „Es ist ein großartiges Zeichen für die Kulturstadt Hamburg, dass die langfristige Sicherung der Clubs zentraler Bestandteil der aktuellen Überlegungen für das unmittelbare Umfeld der Sternbrücke ist“, sagt Senator Carsten Brosda.
Wie ist die aktuelle Lage der Clubs an der Sternbrücke?
Schwierig. Sie haben seit Monaten keine Einnahmen. Sie überleben nur dank des Rettungsschirms der Kulturbehörde. „Dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Claudia Mohr vom Waagenbau.
Wie passt die Haltung der Clubs zu der Initiative Sternbrücke?
Die Clubs haben sich aus dieser Initiative verabschiedet, da sie das Ziel des Erhalts der Brücke nicht teilen. „Von Beginn an war klar, dass die Flächen unter der Brücke nur als Zwischennutzung zur Verfügung stehen, da die Sternbrücke bereits damals als dringend sanierungsbedürftig galt“, sagt Claudia Mohr. Und das war vor 25 Jahren. Für die Clubs gleicht das Projekt einem Sechser im Lotto. Sie bekommen neue bezahlbare Räume, genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Zudem werden Apartments geschaffen, die an Künstler vermietet werden können. Das spart künftig Hotelkosten.
Was sagt die Initiative Sternbrücke zu dem Plan?
Die kritisiert das angedachte Projekt scharf. In einer Pressemitteilung schreiben sie: „Nach dem Motto ‚Hauptsache gute Nachrichten‘ schieben jetzt Finanzsenator, Verkehrssenator, Kultursenator und Bahn handstreichartig eine luftige Planung der drei bekanntesten Clubs Waagenbau, Fundbuereau und Astrastube nach vorne und verkaufen hübsche 3D-Filmchen als Rettung des Kulturstandortes Sternbrücke.“ Das ebenfalls an der Strecke existierende Künstlerhaus „Faktor“ werde ebenso beseitigt wie andere kleine Bars. Die Initiative kritisiert auch die aus ihrer Sicht erneut nicht ausreichende Bürgerbeteiligung: „Wir haben erst über die Pressemitteilung von den Neubauplänen des Senats erfahren und sind über die fortgesetzte Kaltschnäuzigkeit im Vorgehen entsetzt.“
Wie wichtig ist diese Lösung für den Koalitionsfrieden?
Nicht zu unterschätzen. Tjarks verwies auch am Mittwoch in einer Videokonferenz darauf, dass er das vom damaligen Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) ausgehandelte Vertragswerk mit der Bahn bei Amtsantritt geerbt habe. Nach Abendblatt-Informationen waren Spitzen-Grüne zunehmend genervt, vor allem von Vorwürfen der SPD Altona. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Bartke hatte den Entwurf als „architektonisch furchtbar“ bezeichnet.
Der kulturpolitische Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft René Gögge sprach am Freitagmorgen von einer "Win-Win-Lösung für alle" und kündigte die Unterstützung der Fraktion an: "Die Idee eines Kulturhauses direkt angrenzend an die Sternbrücke gibt nicht nur den Clubs ein neues Zuhause, sondern soll auch dringend benötigte Proberäume für Musiker bieten. Neben den großartigen Möglichkeiten, die sich beim vorgeschlagenen Modell für Kulturschaffende ergeben, würde auch das Stadtbild durch eine gelungene optische Gestaltung profitieren."
Wie reagiert die Opposition?
Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken, sagt, sie sei "heilfroh", dass durch die neuen Pläne die gefährdeten Clubs eine Chance bekommen, moniert aber die "überfallartige" Vorstellung des Clubhaus-Konzepts im Verkehrsausschuss. Zudem dürfe das Clubhaus "nicht als faule Ausrede dienen, um an den total überdimensionierten Neubauplänen" für die Sternbrücke festzuhalten. Sudmann plädiert für eine Verknüpfung des Clubhauses mit einem angepassten Entwurf der Eisenbahnbrücke.
Anke Frieling schlägt sich auf die Seite der Initiative Sternbrücke und kritisiert, es würden "schon wieder Nägel mit Köpfen gemacht", ohne die Anwohner zu beteiligen. Das Vorgehen des Senats sei laut der stadtentwicklungspolitischen Sprecherin der CDU-Fraktion "ein Affront gegen die Menschen vor Ort und gegen die Bezirkspolitik, die für die Stadtentwicklung im Quartier zuständig ist".
Wie geht es nun weiter?
Ab 2023 will die Bahn mit dem Bau der neuen Brücke auf der Brammer-Fläche beginnen, 2027 soll sie eingeschwenkt werden. Das Clubhaus muss in zwei Bauabschnitten entstehen, da ein Teil erst errichtet werden kann, wenn die Brücke fertig montiert ist. Doch die Macher sind zuversichtlich, dass in ihren Clubs bereits vor der Einweihung der neuen Brücke gefeiert werden kann.
Das genaue Brückendesign sollen Bürger in einer „Gestaltungswerkstatt“ mitentwickeln dürfen. Dies ist auch als Reaktion auf den wiederholt geäußerten Vorwurf fehlender Bürgerbeteiligung bei der Konzeption der Brücke zu sehen. Finanzsenator Dressel versprach Hilfe: „Wir unterstützen diese Planung gerne mit unserem Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen und werden jetzt zügig in die notwendigen Prüfungen einsteigen. Es wäre schön, wenn das zur Konsensbildung rund um die neue Brücke einen Beitrag leisten könnte.“