Hamburg. Ältere Menschen sind besonders Corona-gefährdet. Zum Fest bleiben sie allein, besuchen die Kinder oder singen mit Nachbarn.
Wie werden wir Weihnachten feiern? Dürfen die Großeltern kommen? Und wenn ja: Ist das vertretbar? Müssen die Kinder dann vorher aus der Kita genommen werden? Tragen wir bei der Bescherung dann eine Maske? Es sind Fragen wie diese, die derzeit an vielen Küchentischen in dieser Stadt und in diesem Land besprochen werden. Zentral bei der Entscheidung wird in vielen Fällen die Frage sein, wie die älteren Familienmitglieder einbezogen werden können, ohne sie in Gefahr zu bringen. Das Hamburger Abendblatt hat mit vier Senioren darüber gesprochen, wie sie selbst darüber denken, wie groß die Angst vor einer Ansteckung ist und was sie für dieses Weihnachtsfest planen.
Monika Strocka, 72 Jahre, Halstenbek:
Zunächst möchte ich sagen, dass ich mich in einer privilegierten Situation befinde. Denn meine Tochter, ihr Mann und die zwei Enkelkinder wohnen nur rund 400 Meter von mir entfernt. Und wir haben mit der Pandemie eine sehr wichtige Entscheidung getroffen: Wir sehen uns als eine Corona-Kohorte, als eine Einheit also. Konkret heißt das, dass ich seit März alle anderen Kontakte weitgehend eingestellt habe, um meine Familie zu sehen. Mir war von Anfang an klar, dass ich auf alles verzichten kann, nicht aber auf meine Kinder und Enkelkinder. Ich würde die Entscheidung immer wieder treffen, denn sie ist nicht nur entlastend für alle, sondern auch gut für die Seele. Das Weihnachten nun etwas anders läuft als sonst, ist für mich kein großes Thema. Denn zentral ist für mich bei diesem Fest ohnehin der christliche Hintergrund und nicht die große Runde, die sich mit Geschenkten überhäuft.
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Davon habe ich schon seit Jahren Abstand genommen und werde auch in diesem Jahr den Heiligabend unabhängig von Kindern und Enkelkindern gestalten. Statt Kirche wird es einen Open-Air- Gottesdienst geben und danach werde ich für mich etwas Schönes kochen. Und das ist auch okay so. Und am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es dann wie immer die Weihnachtsgans für die Familie bei mir. Ich glaube, dass alle gut beraten sind, das nüchtern zu betrachten. Es war vorhersehbar, dass die zweite Welle – ähnlich wie damals bei der Spanischen Grippe – heftig wird. Jetzt dennoch mit der Großfamilie zu feiern, nur weil es erlaubt sein sollte, würde ich nicht in jedem Fall für richtig erachten. Und wenn man schon alle sehen möchte, dann wäre es sicher besser, nicht alle gleichzeitig zu treffen, sondern in verschiedenen Zeitfenstern an den Feiertagen.
Joe McIntyre, 74 Jahre, Eimsbüttel:
Ich weiß, dass ich mit 74 Jahren zur Risikogruppe zähle. Dennoch fühle ich mich so fit, dass ich keine Angst habe. An Weihnachten werden wir dennoch in einem kleineren Kreis feiern als üblich. Ich habe zwei Kinder, eine Tochter, die ebenfalls mit ihrer Familie in Hamburg lebt, und einen Sohn samt eigener Familie in München. Ihn werde ich dieses Jahr leider nicht sehen können. Das ist schade, aber wir möchten vermeiden, dass wir zu viele Menschen sind.
Wir hoffen, dass im neuen Jahr alles besser wird und dass ich meinen Sohn und seine Kinder dann im Frühjahr sehen kann. Stand jetzt haben wir so geplant, dass meine Frau und ich meine Tochter und die Enkelkinder am 1. Feiertag sehen und ansonsten zu Hause bleiben. Aber: Wir sind kreativ geworden und haben uns für Heiligabend noch etwas anderes überlegt. Wir werden mit den Nachbarn im Haus im Treppenhaus singen – jeder bleibt vor seiner Wohnungstür auf seiner Etage. So können wir alle sicher bleiben und doch ein gemeinschaftliches Erlebnis haben. Ganz allgemein möchte ich zudem sagen, dass wir es vergleichsweise noch sehr gut haben in Deutschland. Ich telefoniere häufig mit meiner Schwester in England und bekomme sehr nah mit, dass die Restriktionen dort noch einmal deutlich härter sind.
Bärbel K., 83 Jahre, Poppenbüttel:
Ich denke in diesem Tagen oft an die Weihnachtsfeste und daran, dass schlimme Zeiten sich wiederholen. Ich habe also schon viel erlebt und viel erfahren, und die Vorstellung, den Heiligabend in diesem Jahr allein zu verbringen, schreckt mich nicht. Ich zähle nicht nur wegen meines Alters, sondern auch wegen einer Reihe anderer Erkrankungen zur Hochrisikogruppe. Für mich bedeutet das, dass ich vorsichtig sein muss. Aber ich lasse mir von der Angst auch nicht alles diktieren.
Für Weihnachten heißt das, dass ich am Heiligabend eine kleine Bescherung für mich allein mache – wobei ich in dem Seniorenheim, in dem ich lebe, eigentlich nie wirklich allein bin. Schon einmal habe ich mir selbst Geschenke bestellt und dann Heiligabend ausgepackt: neues Strickzeug, ein schönes Buch und etwas zum Malen. Und ich kann sagen, dass das ein sehr schöner Abend war. Am zweiten Weihnachtsfeiertag werde ich dann meine Tochter und die Enkel besuchen, die zum Glück in Hamburg leben, und dabei vorsichtig sein.
Grundsätzlich halte ich es für falsch, Weihnachten die Regelungen zu lockern. Es ist eben, wie es ist. Es sind schlimme Zeiten. Und früher sind auch die Bomber an Weihnachten geflogen. Dieses Virus wird auch keine Pause an den Festtagen einlegen. Eine klare Regelung – ein Machtwort – würde sicher vieles einfacher machen.
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Annegret Jenkel, 76 Jahre, Poppenbüttel:
Weihnachten hat für mich eine sehr große Bedeutung, und ich kann mir nicht vorstellen, Heiligabend allein zu verbringen. Und so habe ich meine Kontakte schon jetzt so weit wie möglich eingeschränkt, um die Gefahr zu minimieren und um es möglich zu machen, dass ich meine Tochter und das Enkelkind sehen kann. Und dennoch bin ich hin- und hergerissen und weiß nicht, ob das alles so richtig ist.
In der Theorie weiß ich, dass es am besten wäre, alle blieben einfach zu Hause. Und in der Praxis kann ich es mir nicht vorstellen. Ich sehne mich nach Begegnung, nach Gemeinsamkeit, nach Lachen und einem festlichen Essen. Und ein festliches Essen allein funktioniert einfach nicht.