Hamburg. Hamburger Kliniken erarbeiten Pläne für Ärzte und Pfleger, die zuerst immunisiert werden. Viele Fragen sind jedoch offen.

Die größte Impfaktion in der Geschichte der Stadt nimmt Formen an: Nach der Empfehlungsliste der Ständigen Impfkommission des Bundes (Stiko) wird klar, in welcher Reihenfolge die Hamburger voraussichtlich geimpft werden. Neben dem Impfzentrum in den Messehallen sollen laut Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) bis zu 20 mobile Teams die Strategie in die Tat umsetzen. Auch Kliniken und Ärzte bereiten sich auf den Beginn der Impfungen vor – bei allen Institutionen gibt es aber noch Unklarheiten und teilweise Probleme.

„Wir warten weiter auf klare Informationen, wie die praktischen Abläufe sein werden“, sagte ein Sprecher der Asklepios-Kliniken auf Anfrage. Man halte es für „praktikabel“, die Belegschaft selbst vor Ort zu impfen. Asklepios beschäftigt insgesamt rund 15.000 Menschen, davon allein 2200 Ärzte. Möglich ist deshalb, dass die erste Charge des Impfstoffes kaum reichen wird, um gleich alle Mitarbeiter gegen eine Covid-19-Erkrankung immun zu machen.

UKE plant eigenes Impfzentrum für seine Mitarbeiter

Nach Abendblatt-Informationen hat der Klinikkonzern bereits Planungen aufgenommen, um auf den Start der Impfungen vorbereitet zu sein. Voraussichtlich sollen dieselben Räumlichkeiten genutzt werden, in denen bereits jetzt Mitarbeiter im Schnellverfahren auf eine Covid-19-Infektion getestet werden. Die Überlegungen sehen vor, dabei stationsweise vorzugehen: Zunächst wären die Mitarbeiter in besonders gefährdeten Bereichen wie der Geriatrie und der Onkologie an der Reihe. Dort könnte schnell auch etwa das Reinigungspersonal geimpft werden. „Entscheidend für das Risiko ist die Kontakthäufigkeit zu Infizierten und vulnerablen Gruppen“, so ein Sprecher. Auch hier warte man aber auf die Vorgaben der Behörde.

Das UKE hat bereits damit begonnen, ein eigenes „ausgewachsenes“ Impfzentrum für etwa 6800 Beschäftigte zu planen (das Abendblatt berichtete exklusiv). Vor wenigen Tagen wurden dafür bereits fünf mögliche Standorte auf dem Gelände des Klinikums identifiziert. Diese hält das UKE aber vorerst geheim – sobald der Impfstoff vorliege und verabreicht werde, gebe es auch ein Risiko von Diebstählen und Einbrüchen, wie es heißt. Nach der nun veröffentlichten Prioritätenliste der Stiko ist es wahrscheinlich, dass auch im UKE zuerst die Mitarbeiter aus besonders sensiblen Bereichen einen Termin in dem Impfzen­trum buchen können.

Impfungen auf freiwilliger Basis

Wie aus mehreren Hamburger Kliniken zu hören ist, bleibt aber nicht nur der Zeitpunkt der Impfungen, sondern auch ihre tatsächliche Zahl ungewiss. „Wir reden über Impfungen auf freiwilliger Basis. Und es ist denkbar, dass auch eine große Zahl von Ärzten noch Bedenken hat“, heißt es aus einem Krankenhaus. Nach bundesweiten Umfragen ließ sich in den vergangenen Jahren jeweils nur ein knappes Drittel der Ärzte und Pfleger gegen die herkömmliche Grippe impfen. „Es mag sicher mehr als vereinzelt die Meinung geben, dass man nicht in die Risikogruppe fällt – und eine Impfung keinen größeren Schutz vor der Übertragung bietet als eine FFP2-Maske“, so ein Insider.

Corona-Impfungen: Das ist der Plan für Hamburg

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Auf der anderen Seite stieg beim Personal angesichts der Corona-Pandemie in diesem Jahr die Bereitschaft, sich gegen Grippe zu impfen, in den Hamburger Krankenhäusern deutlich an. „Wie groß der Anteil derjenigen ist, die lieber noch abwarten, werden wir erst wissen, wenn die Impfdosen da sind“, heißt es. Die Sozialbehörde teilte auf Anfrage mit, Angst vor der Impfung auch in Kliniken mit Aufklärung entkräften zu wollen: „Hamburg wird die Impfung, sobald sie vorhanden ist, auf allen gängigen Kanälen bewerben.“

Individuelle Entscheidung

Auch die Chefin der Hamburger Krankenhausgesellschaft, Claudia Brase, kündigt an, für eine breit angelegte Impfung einzutreten: „Dass sie für medizinisches Personal sinnvoll ist, ist bereits klar absehbar.“ Die Ärztekammer will dagegen keine Empfehlung an ihre Mitglieder abgeben, sich impfen zu lassen. „Das ist eine höchst individuelle Entscheidung“, sagt eine Sprecherin. „Aber ich bin mir sicher, dass das Kollegium sich gegenüber den Patienten verantwortungsvoll verhalten wird.“

Auf welcher der sechs Stufen die niedergelassenen Ärzte und ihre Mitarbeiter bei der Impfpriorität stehen, ist auch nach der bekannt gewordenen Stiko-Beschlussvorlage noch unklar. So könnten sie teilweise wegen „besonders hohem Expositionsrisiko“ zu den dringlichsten Impfkandidaten gehören – wird die Gefahr einer Ansteckung moderat bewertet, aber auch in einer der hinteren Prioritätsstufen einsortiert werden. Wer zu der ersten Untergruppe gehört, könnte bereits sehr zeitnah in den Messehallen geimpft werden. Der Hausärzteverband schlägt vor, dass die Termine für die Hausärzte an den Wochenenden stattfinden, damit die Praxen zu den regulären Zeiten geöffnet bleiben.

Ärzteschaft fordert klare Ansagen der Politik

In der „Nationalen Impfstrategie“, ist verankert, dass sich mittelfristig auch Bürger im Regelversorgungssystem bei ihren Hausärzten immunisieren lassen können. Sobald die Hausärzte impfen dürfen, was Experten für Mitte des kommenden Jahres erwarten, ist mit einem Patientenansturm zu rechnen. Jana Husemann: „Wir stellen uns auf eine hohe Nachfrage ein.“

Hamburger aus Risikogruppen, die sich bereits zum Start der Impfungen immunisieren lassen können, werden bereits von einer gewissen Auswahl profitieren: Neben dem Impfzen­trum in den Messehallen sollen Menschen aus Poppenbüttel, Langenhorn, Duvenstedt und weiteren Stadtteilen am nördlichen Rand Hamburgs auch das geplante länderübergreifende Impfzen­trum in Norderstedt aufsuchen dürfen. Dabei gilt jedoch: Ohne Termin läuft nichts. Deren Vergabe wird voraussichtlich über den Arztruf 116 117 erfolgen, der bereits den Großteil der Corona-Tests koordiniert.

Die Ärzteschaft fordert weitere klare Ansagen der Politik über die Festlegung der Impfreihenfolge. Sie müsse jedem transparent und nachvollziehbar sein, sagte der Ärztekammer-Präsident Pedram Emami dem Abendblatt: „Aus unserer Sicht ist Transparenz in Fragen der Priorisierung von Personengruppen ebenso wie die Kommunikation der Nutzen und Risiken des jeweiligen Impfstoffs sehr wichtig.“ Die Impfstrategie müsse in ein Gesamtkonzept zur Anpassung der Kontaktbeschränkungen eingebettet sein.

Polizei erstellt Impfkonzept

Eher unwichtig im Vergleich zu anderen Gruppen sind nach der Stiko-Liste die Beamten von Polizei und Feuerwehr. Sie genießen wie Beschäftigte aus dem Einzelhandel eine „gering erhöhte“ Priorität – und damit weniger als Lehrer, Erzieher und medizinisches Personal, dem ein „niedriges Expositionsrisiko“ bescheinigt wird.

Bei der Polizei ist man noch unschlüssig, ob eine eigene Impfstrecke aufgebaut wird. Dabei lag das zunächst auf der Hand. Die Polizei besitzt bereits eine eigene Strecke für das Fast-Track- Verfahren, bei dem Beamte schnell auf eine Corona-Infektion getestet werden können. Ursprünglich war angenommen worden, die Erfahrungen für eine Impfstrecke zu nutzen. „Eine eigene Impfstrecke war zwar bereits Thema, ist aber bislang nicht weiter verfolgt worden“, so ein Beamter. „Wir erstellen aktuell ein Konzept, bei dem es darum geht, in welcher Reihenfolge unsere Mitarbeiter geimpft werden“, so Polizeisprecherin Sandra Levgrün.

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Das geschehe auf freiwilliger Basis. „Wir erwarten das Eintreffen des Impfstoffs. Wenn es möglich ist, eine eigene Impfstrecke zu betreiben, wären wir dazu bereit, das zu organisieren. Das hängt aber von den logistischen Möglichkeiten, insbesondere der nötigen Kühlung des Impfstoffes ab.“ Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) plädiert für eine solche Einrichtung.

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