Hamburg. Nach Attacken und Verleumdungen von Tierschützern melden sich nun die Schüler des Projektes zu Wort.

Nach Sklavenhalterei, wie von manchen Tierschützern behauptet, sieht es auf dem Harderhof des Museumsdorfes Volksdorf nicht aus. Gerade werden die Schleswiger Kaltblutpferde Umberto, Lennart und Erik aufgeschirrt. Heute soll es für die Rückepferde rausgehen aufs Feld zum Pflügen. Und diese Arbeit soll auch irgendwann das Rind Goofy als Zugochse machen.

Ortstermin. Ein paar Schritte vom Stall entfernt steht er. Er, um den sich derzeit alles dreht. Gemeinsam mit seinen Artgenossen Ulli und Lancelot grast Goofy auf einer Wiese hinter dem Museumsdorf. Der imposante Ochse Ulli überragt sie alle mit seiner Größe. Noch können sie grasen, bald geht es dann nur noch in den Pferch an die frische Luft. Im Stall, den sie sich mit den Kaltblütern teilen, hat jedes Tier seine eigene Box. Neben den Rindern und Pferden leben auf dem Hof, der das landwirtschaftliche Leben der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zeigt, noch Hühner, Puten und Ziegen.

Heftige Debatten um Goofy

Das Geflügel läuft derzeit nicht wie sonst frei herum – wegen der Geflügelpest besteht Stallpflicht. „Wir orientieren uns in der Haltung an den Bioland-Richtlinien“, sagt Egbert Läufer vom Museumsdorf. Dazu gehört unter anderem täglicher Freigang, die Tiere werden in ihren Boxen nicht angebunden, stehen auf Stroh und nicht auf Spalten. „Wir sind öffentlich zugänglich, transparenter geht es nicht“, so Läufer. Jeder könne sich – wenn der Hof nicht wegen der Pandemie geschlossen ist – ein Bild von der Tierhaltung machen.

Dennoch hatte es um Goofy heftige Debatten gegeben, es gab Anfeindungen von Tierschützern Lehrern, Schülern und den Machern des Museumshofes gegenüber. Erst sorgten Tierschutzorganisationen dafür, dass der Ochse nicht wie vorgesehen geschlachtet wird. Jetzt wollen sie ihn aus dem Museumsdorf befreien. Denn dort, so heißt es auf der Homepage der Stiftung für Tierschutz, würde er als Zugochse „in die Sklaverei getrieben werden.“

Mahnwachen von Tierschützern

Mit Mahnwachen wollen Tierschützer erreichen, dass Goofy nicht länger dort lebt. Für den 11. Dezember hat die Tierschutzorganisation Animal Rights Watch eine Versammlung in Volksdorf ankündigt, „um uns für die Befreiung von Rind Goofy und gegen Tierausbeutung einzusetzen“, heißt es. Ab 14 Uhr wollen sie eine Menschenkette bilden vom Eulenkrugpfad bis zum Heiderosenweg. 500 Teilnehmer sind angemeldet.

Ganz schön viel Wirbel um ein Rind. Ein Wirbel, der die Lehrer und Schüler überrascht und stark mitgenommen hat. Jetzt wollen auch die Jugendlichen zu Wort kommen. Wie berichtet, hatte die damalige 8c des Walddörfer Gymnasiums (WdG) das Kalb während einer Klassenreise im Zillertal vorerst vor der drohenden Schlachtung gerettet und mit dem Tier ein Schulprojekt auf dem Harderhof gestartet. Weil der Hof aber kein Lebenshof ist, auf dem Nutztiere bis zum Lebensende bleiben können, sollte das Rind geschlachtet werden. Das war nicht das Ziel, aber ein wesentlicher Bestandteil des Projektes – „also weg von der Rettung eines einzelnen Tieres hin zur Verantwortung für die Tierhaltung auf einem Hof“, so Schulleiter Jürgen Solf. Die Schüler lernten Grundsätzliches über die Landwirtschaft, setzten sich mit dem Nahrungsmittel Fleisch auseinander. Es ging um artgerechte Nutztierhaltung, um die Bedeutung und die Folgen des Fleischkonsums.

Kinder haben auf dem Hof viel gelernt

Vier Schülerinnen der Klasse 10 c sind an diesem Morgen auf dem Harderhof. Weil sie schlechte Erfahrung gemacht haben mit Verunglimpfungen in den sozialen Netzwerken und mit Fernsehreportern, die unangemeldet vor den Haustüren einiger Schüler standen, möchten sie anonym bleiben – ihre Vornamen sind deshalb geändert. Und doch wollen sie betonen, wie ihr Projekt, das die Tierschützer sich nie vor Ort angeschaut haben, zu verstehen ist. Denn trotz der Kampagne stehen sie nach wie vor hinter ihrer Idee, sich Einblicke in die Landwirtschaft und in die Aufzucht von Tieren zu verschaffen, und zwar am konkreten Fall.

Zu Beginn waren die Mädchen, die hier sitzen, in der achten Klasse. Die Erlebnisse und Erfahrungen haben sie reifen lassen. „Wir waren Kinder und dachten nur an seine Schlachtung. Jetzt denken wir nur noch an die Landwirtschaft“, sagt Marie (16) „Es ging uns immer um das Ganze.“ Niemals hätten sie in der Schule allein so viel über die Landwirtschaft gelernt, sagen sie. „Nicht jede Klasse kann einen Goofy haben, aber an jeder Schule sollte Landwirtschaft unterrichtet werden“, sagt Marie. „Wir haben hier auf dem Hof mehr gelernt als in eineinhalb Jahren in der Schule.“

Schüler fühlten sich von der Schulleitung überrumpelt

„Die Schlachtung ist nicht unbedingt nötig, aber das Bewusstsein, dass er geschlachtet werden soll, hat uns die ganze Zeit begleitet“, so Marie. Der Abschied von Goofy, seine Zerlegung waren für Anfang kommenden Jahres vorgesehen, ein schwerer, aber ein für sie notwendiger Schritt. Denn es ging ja darum, dem Fleisch ein Gesicht zu geben. „Dabei hätten wir Goofy vor Augen gehabt“, sagt Luise (15). Dass das Projekt von einem Tag auf den anderen von der Schulleitung für beendet erklärt wurde, dass die Schule vor den Tierschützern eingeknickt ist, ohne mit den betroffenen Schülern vorab gesprochen zu haben, das hat sie zu Beginn wütend gemacht. „Wir fühlten uns überrumpelt“, sagt Johanna (15). Aber ihr Schulleiter habe sich bei ihnen entschuldigt.

Auch wenn das Projekt auf Druck von außen vorerst unterbrochen wurde, nehmen die Jugendlichen viel mit. „Das Bewusstsein für den Fleischkonsum und das Bewusstsein, dass dafür ein Tier gelebt und gestorben ist, war eine wichtige Erfahrung“, so Hanna (15). Sie sind so selbstbewusst zu sagen: „Und darin sind wir Experten!“ Und nicht die Menschen, die ohne zu überlegen, ohne Wissen, eine entsprechende Petition unterschreiben mit dem Zweck, Goofy zu „befreien“. Maryam Blumenthal, Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bürgerschaft, sagt, was die Schüler denken – dass hier an falscher Stelle gegen Nutztierhaltung protestiert wird: „Für eine Verbesserung in der Tierhaltung und eine nachhaltige Reduzierung des Fleischkonsums muss der Protest an geeigneter Stelle zum Ausdruck gebracht werden, damit die Aufklärung und Forderungen nicht das Ziel verfehlen.“

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Wie das Projekt weitergeht, diskutieren die Verantwortlichen des Museumsdorfes und des Walddörfer Gymnasiums noch. „Die Verwertung des Tieres steht noch aus“, sagt Egbert Läufer. Fest steht: Die Kooperation mit dem Museumsdorf wird fortgeführt. Möglich ist es auch, ein Zugochsen-Projekt zu starten.