Hamburg. Grünen-Bürgerschaftsfraktion verurteilt Angriffe auf Schule und Schüler. Lehrer warnt vor Einflussnahme auf den Unterricht.

Im Streit um die Zukunft des Ochsen Goofy, der Teil eines Schülerprojektes ist und nach Protesten vor der Schlachtung bewahrt wurde, wehrt sich das Walddörfer Gymnasium (WdG) gegen eine Instrumentalisierung des Falls, in den sich jetzt sogar die Politik eingeschaltet hat. So wollen Tierschützer den Ochsen vom Museumsdorf Volksdorf übernehmen, um ihn auf einen sogenannten Lebenshof unterzubringen. In einer Erklärung betont Schulleiter Jürgen Solf die Solidarität mit dem Museumsdorf, in dem Goofy untergebracht ist und wo er auch bleiben soll.

„Das Walddörfer Gymnasium bleibt im Schulterschluss mit dem Museumsdorf“, so Solf. Seine Schule hatte zu Projektbeginn vor eineinhalb Jahren beschlossen, mit dem Museumsdorf den Jugendlichen Erfahrungen mit landwirtschaftlicher Tiernutzung und den Arbeiten auf einem Bauernhof zu ermöglichen. „Wir sind dem Museumsdorf dankbar für die Möglichkeiten echter und tiefer Lernerfahrungen: Übernahme von Verantwortung, Erwerb von vertieftem Wissen, Verbindung von Theorie und Praxis, Weiterentwickeln von Positionen, Möglichkeit der Überprüfung eigener Haltungen in der Grundsatzfrage: Wie wollen wir leben?“

Fall Goofy: Tierschützer kündigen Demos in Volksdorf an

Auch wenn das Projekt vorerst gestoppt ist, ist die Auseinandersetzung mit der Kampagne der Tierschützer, noch nicht beendet. So kündigten militante Tierschützer unter dem Motto „Fridays for Goofy“ wöchentliche Demos in Volksdorf ab dem 11. Dezember an. Zusätzlich würden Guerilla-Marketing-Kampagnen stattfinden mit dem Ziel, das Tier auf dem Erdlingshof in Bayern unterzubringen. „Die geplanten Kampagnen gegen die Schule und das Museumsdorf fördern das selbstbestimmte Lernen der Schüler nicht, und sie sind nicht Teil gesellschaftlichen Rückhalts“, so Solf.

Für die Grünen-Bürgerschaftssfraktion hat die Auseinandersetzung um den Goofy erschreckende Züge angenommen. Sie verurteilt die persönlichen Angriffe auf die Schule und die Schüler und betont, dass sich diese Auseinandersetzung auf die Falschen richtet. Vielmehr gehe es darum, die Massentierhaltung und die Billig-Fleischproduktion in den Fokus zu nehmen, heißt es ine iner aktuellen Mitteilung am Donnerstag.

Grünen-Politikerin zum Fall Goofy: Bundespolitik hat versagt

Grundsätzlich sei es ehrenwert, ein Tier vor dem Tod zu bewahren, sagt Lisa Maria Otte, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. "Ich habe großen Respekt vor allen Menschen, die sich liebevoll um kranke oder verlassene Tiere kümmern oder sich politisch für mehr Tierschutz einsetzen. Hier richtet sich der Zorn aber gegen die Falschen." Sie stellt klar: "Es ist die Bundespolitik, die jahrzehntelang versagt hat, Goofys Artgenossen ein erträgliches Leben zu gewährleisten." Die Tierhaltung in Deutschland sei bis über die Schmerzgrenze zur Billigfleisch-Industrie verkommen. "Dieses Leid sollte uns auf die Straße treiben", so Otte.

Große Protestaktionen in Volksdorf seien hingegen nicht verhältnismäßig und stellten Schüler und Lehrer an den Pranger. "Aber ich bin ebenso erschrocken über die Wortwahl der Gegenseite, die versucht, Tierschützer pauschal zu verunglimpfen", so die Grünen-Politikerin. "Dieses verbale Hochrüsten aller Seiten schadet unserem gesellschaftlichen Zusammenhalt und setzt die Schule und das Museumsdorf unter immensen Druck."

Goofy-Projekt – Lehrer sind Demokratie in Gefahr

Frank Mehnert, einer der Lehrer, die das Goofy-Projekt leiten, sieht durch den heftigen Druck der vergangenen Tage die Demokratie in Gefahr: „Die Schule wird zum Kampfplatz einer Kampagne. Das ist insofern bedeutsam, weil sich in unserer Demokratie etwas grundsätzlich verschiebt, wenn die Schule nicht mehr von allen gesellschaftlichen Akteuren als geschützter Raum der freien Urteilsfindung unabhängig von äußeren Interessen respektiert, sondern dem Zugriff von Interessen- und Lobbygruppen ausgesetzt wird.“

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Er warnt vor der Einflussnahme auf den Schulunterricht: „Man stelle sich vor, es wird normal, dass Vereine, Firmen, Glaubensgemeinschaften und Gruppierungen Unterrichtsprojekte an den Pranger stellen und Lehrer unter Druck setzen.“ Mehnert sieht gar Parallelen zu dem Pariser Lehrer Samuel Patty, weil sein Unterricht den Fanatikern nicht passte. „Auf diese Weise wird nicht nur die weltanschauliche Neutralität des Staates in Frage gestellt, sondern es werden Schüler in ihrer freien Urteilsbildung gestört und entmündigt“, sagt Mehnert. Gegenüber Eindringlingen gäbe es ein Schultor, einem öffentlichen Druck im virtuellen Raum seien die Schüler jedoch schutzlos ausgeliefert.

Den Pädagogen beunruhigt vor allem die Schärfe in den Diskussionen. Bezeichnend dafür sei ein Satz aus einem der Protestschreiben an die Schule: „Die Schule macht sich zwar nicht strafbar mit dem, was sie tut, aber ich hoffte, sie täte das“, steht da. Dass die Tötung von Nutztieren moralisch verwerflich ist, sei aber kein Konsens in der Gesellschaft, in der 70 Millionen Deutsche Fleisch essen. „Im Kern ist das ein fundamentalistisches Muster. Es geht schon lange nicht mehr um die Rettung des Kalbes, sondern um eine Geschichte, in die man sich als Held einschreiben möchte. Die Jugendlichen durchschauen dieses Spiel der Erwachsenen und sind darüber bitter erbost.“