Hamburg. Während die Neuinfektionen an den Schulen steigen, kritisieren Eltern, Lehrer und Opposition das Krisenmanagement des Senators.

Mit den steigenden Infektionszahlen nehmen auch die Corona-Fälle im Schulumfeld zu. Am Dienstag betraf etwas weniger als ein Viertel aller 456 Neuinfektionen in Hamburg Schülerinnen und Schüler oder Schulpersonal. Die Schulbehörde registrierte 104 neue Infektionen an 66 Schulen. Betroffen waren 85 Schülerinnen und Schüler sowie 19 Schulbeschäftigte. Die meisten Fälle gab es an der Grund- und Stadtteilschule Eppendorf (19 Schüler), an der Stadtteilschule Flottbek (4), Ida Ehre Schule (3), Stadtteilschule Mümmelmannsberg (3) und Max-Schmeling-Stadtteilschule (3).

Insgesamt gebe es 517 akute Infektionen an 178 Schulen, davon 406 Schülerinnen und Schüler sowie 111 Schulbeschäftigte, so die Behörde. Derzeit befänden sich 71 Klassen und 252 Beschäftigte in Quarantäne. Am Montag waren auf Schüler und Lehrer noch mehr als ein Viertel aller Neuinfektionen entfallen. Seit Schulbeginn im August wurden laut Behörde 1185 Infektionen an 263 Schulen registriert.

Corona an Schulen: Kritik an Senator Rabe

Die steigenden Zahlen haben eine Diskussion über das Krisenmanagement von Schulsenator Ties Rabe (SPD) und den richtigen Umgang mit der Pandemie an Schulen ausgelöst. „Die Schulen werden gerade zu Hamburgs offener Flanke in der Corona-Pandemie“, sagte CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. „Ohne klare Vorgaben, gefährdet Rabe die Gesundheit unserer Kinder. Schule ist dadurch mitnichten ein sicherer Ort für unsere Kinder.“ Es sei „nicht sinnvoll, dass die meisten Schüler zur gleichen Zeit anfangen und auf dem Schulweg in vollgestopften Bussen unterwegs sind“, so Stöver. „Auch die erweiterte Maskenpflicht kommt viel zu spät.“ Rabe sei „überfordert und hat seine vollmundigen Ankündigungen nicht umgesetzt“.

Unter Druck: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, SPD.
Unter Druck: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe, SPD. © dpa | Georg Wendt

Damit bezieht sich Stöver auf Ankündigungen des Senators aus dem August. Damals hatte er in einem Interview einen „Plan C“ für den Fall angekündigt, dass die 7-Tage-Inzidenz 50 übersteige. Dann müssten Schüler „auch in allen Unterrichtsangeboten immer den Mindestabstand einhalten“, hatte Rabe im Gespräch mit dem „Elbe Wochenblatt“ gesagt. „Das bedeutet allerdings, dass die Klassen dann wieder in jeweils zwei kleine Lerngruppen geteilt und diese Lerngruppen dann abwechselnd in der Schule und zu Hause unterrichtet werden. Das heiße, „dass die Hälfte der Schulzeit zu Hause gelernt werden muss“.

Rabe wird "Realitätsverweigerung" vorgeworfen

Heute will Rabe davon nichts mehr wissen, obwohl die Inzidenz zuletzt bei 136,4 lag. Laut Schulbehörde hängt dies mit dem Beschluss der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zusammen, die Schulen trotz hoher Inzidenz offen zu halten. Kein Bundesland habe Hybridunterricht eingeführt, also eine Mischung aus Präsenz- und digitaler Beschulung.

„Rabes offenkundige Realitätsverweigerung ist ein Spiel mit dem Feuer“, sagte Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus. „Er gefährdet damit die Gesundheit der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler und provoziert geradezu flächendeckende Schulschließungen, und zwar unorganisiert.“ Rabe solle „sich jetzt dringend an seine eigenen Vorgaben erinnern“, so Boeddinghaus. „Ich erwarte, dass er mit klugen Konzepten agiert, dafür liegen ausreichend Vorschläge vor, sowohl aus den Schulen, als auch von GEW, Elternkammer, sichere Bildung und nicht zuletzt von uns.“

Bei Lehrern und Eltern wächst die Unruhe

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte zu Wochenbeginn Alarm geschlagen. „In einer Lerngruppe treffen in der Regel Schülerinnen und Schüler aus über 20 Haushalten zusammen und die Pädagoginnen und Pädagogen sind mittendrin“, sagte Hamburgs GEW-Chefin Anja Bensinger-Stolze. „Wir fordern, die Einhaltung der RKI-Empfehlung in allen Schulformen sofort umzusetzen!“ Danach müssten nicht nur Masken getragen, sondern auch die Lerngruppen verkleinert werden.

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Auch bei Eltern wächst die Unruhe. „Die stark steigende Anzahl an Positivtestungen beunruhigt Hamburgs Eltern zunehmend, insbesondere, da immer mehr Fälle im Zusammenhang mit Schulen vermeldet werden“, sagte Hamburgs Elternkammerchef Marc Keynejad dem Abendblatt. „Es wird Zeit, dass die Situation in den Schulen entzerrt wird.“ Ein Ausweg könne sein, in den Hybridunterricht einzutreten. „Es muss dabei allerdings sichergestellt sein, dass den SchülerInnen aus der neuen Unterrichtssituation kein Nachteil entsteht. Konzepte, die einen unkomplizierten Unterricht in kleineren Klassenstärken vorsehen, liegen der Elternkammer nicht vor.“

SPD und Grüne verteidigen Präsenzunterricht

SPD-Schulpolitiker Kazim Abaci betonte, dass Kinder und Jugendliche durch fehlenden Präsenzunterricht in der ersten Pandemiewelle stark belastet worden seien. „Hybridunterricht kann keinen Präsenzunterricht gleichwertig ersetzen“, so Abaci. „Daher halten wir aktuell am Präsenzunterricht in den Schulen fest.“ Grünen-Schulpolitikerin Ivy May Müller sagte, man müsse abwarten „wie sich Maßnahmen wie die Maskenpflicht ab Klasse 5 oder der Teillockdown bewähren“. Hybrid-Unterricht sei eine „sinnvolle ergänzende Maßnahme bei konstantem Infektionsgeschehen im Teillockdown“. Es sei „wichtig und begrüßenswert, dass sich darauf in Schulen und Behörde vorbereitet wird“.

AfD-Fraktionschef Alexander Wolf sagte, es sei „richtig, Schulen offen zu lassen, weil die Maßnahme unter Abwägung von Gesundheitsrisiken mit Bildungs- und Erziehungsauftrag verhältnismäßig ist“. Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein nannte den Schulsenator einen „Schulversager in Sachen Corona“. Auch nach einem halben Jahr träfe die aktuelle Lage „Rabe völlig unvorbereitet“. Immer noch ließen sich „Klassen- und Gruppengrößen mangels Raum- und Personalkonzepten nicht ausreichend verkleinern, immer noch fehlt ein Digitalkonzept“.