Hamburg. Die Pandemie zwingt den Airport zu drastischen Maßnahmen. Wie der Flughafen finanziell entschädigt werden soll.
Für Michael Eggenschwiler ist es eine Premiere. Der Chef des Hamburger Flughafens sitzt am Montag in seinem Büro in Fuhlsbüttel und führt seine erste virtuelle Pressekonferenz. In Zeiten von Corona sei dies wohl der richtige Weg, sagt Eggenschwiler. Obwohl die Branche eigentlich davon lebt, dass sich die Menschen real treffen, um von Angesicht zu Angesicht zu reden.
In der Pandemie machen dies aber immer weniger Menschen. „Für dieses Jahr mussten wir unsere Prognose noch einmal nach unten korrigieren. Wir rechnen nun mit knapp fünf Millionen Passagieren“, sagt Eggenschwiler. Das Niveau sei zuletzt 1985 erreicht worden. Das verdeutliche, wie massiv der Einbruch ist.
Im Vergleich zum Vorjahr mit 17,3 Millionen bedeutet dies ein Minus von etwa 70 Prozent. Dabei galt die Branche jahrelang als Wachstumsbranche – doch mit dem Covid-19-Virus ist alles anders. „Die Luftfahrt ist weiterhin im Würgegriff von Corona“, sagt Eggenschwiler und spricht vom „de facto zweiten Lockdown“ für Flughäfen, Airlines und Co.
Lockdown in Hamburg – nur wenige Passagiere am Airport
Nachdem es in den Sommerferien in kleinen Schritten nach oben ging, verliefen die Herbstferien deutlich schlechter als erhofft. Nur 10.000 Menschen flogen pro Tag. Nach und nach wurden mehr touristische Ziele zu Risikogebieten erklärt. Auflagen wie Quarantänebestimmungen und sicherlich auch die Angst vor einer Infizierung mit dem Virus hielten die Menschen vom Urlaubs- und Geschäftsflug ab.
Mit dem nun verhängten zweiten Lockdown rufe die Bundesregierung die Bevölkerung auf, möglichst nicht zu reisen. Zudem gibt es ein Beherbergungsverbot. „Das wird uns noch mal ganz, ganz hart treffen“, sagt Eggenschwiler. Daher gebe es für die kommenden Wochen nicht sehr viel Zuversicht.
Derzeit liege die Zahl der Passagiere zwischen 4000 und 8000 pro Tag. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es rechnerisch gut 47.000 jeden Tag. Spätestens Anfang kommender Woche werde wohl das Terminal 2 – wie im Frühjahr – stillgelegt. Abflüge von dort sollen dann nicht mehr möglich sein. Ankommende Passagiere können allerdings an den dortigen Gates noch aussteigen. Die Abstandsregeln beim Gepäckabholen sollen durch die Entzerrung besser eingehalten werden.
Flughafen Hamburg: 130 Millionen Euro Verlust
Einige Fluglinien werden mit dem Check-in wieder in Terminal 1 umziehen. Von rund 40 Geschäften haben derzeit 14 geschlossen, weitere dürften kurzfristig folgen. Auch Gastronomiebetriebe würden wohl bald dicht machen. „Wir werden versuchen, ein Minimal-Angebot mit Coffee to go anzubieten“, sagt Eggenschwiler.
All das spiegelt sich in den wirtschaftlichen Kennzahlen wider. Erzielte der Flughafen 2019 noch einem Umsatz von knapp 275 Millionen Euro, dürfte er 2020 ebenfalls um etwa 70 Prozent zurückgehen, schätzt der Flughafen-Chef. Etwa die Hälfte der Erlöse stammen normalerweise aus dem Flugbetrieb wie die Entgelte für Passagiere, Start und Landung und Nutzung der Gepäckanlage.
Ein Drittel aus Mieten für Büros, Restaurants und Geschäften. Beim Ergebnis sieht es noch düsterer aus. Statt wie im Sommer mit mehr als 100 Millionen Euro Verlust rechnet Eggenschwiler nun mit etwa 130 Millionen Euro Verlust: „Was finanziell eine furchtbare Zahl ist.“ Für Branche und Unternehmen sei es eine ganz, ganz schwere Situation.
Wie der Flughafen finanziell entschädigt werden soll
Monetäre Unterstützung erhofft er sich von zwei Seiten. Zum einen sollen die Gesellschafter für Verluste einstehen. Der Stadt Hamburg gehören 51 Prozent der Anteile, dem kanadischen Infrastrukturfonds PSP Investments 49 Prozent. „Die Gespräche sind auf einem guten Weg, die Gesellschafter sind sich ihrer Verantwortung bewusst“, sagt Eggenschwiler. Wie die Lösung aussehen könnte, lässt er offen. In jedem Fall solle Staatsgeld fließen.
„Ich denke, es ist Zeit, dass die Bundesregierung auch etwas für die Flughäfen tut und sie unterstützt, wie das in anderen Industrien auch getan wird“, sagt Eggenschwiler. Der Flughafenverband ADV schätzt die Verluste für dieses und nächstes Jahr auf rund drei Milliarden Euro.
Im ersten Schritt sollen rund 740 Millionen Euro übernommen werden, die für das Offenhalten der Infrastruktur während des ersten Lockdowns angefallen seien. Am Freitag gibt es in Berlin den nächsten Luftverkehrsgipfel bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
82 Prozent der Flughafen-Mitarbeiter in Kurzarbeit
An den Flughafenstandorten droht laut Verband jedem vierten der gut 180.000 Arbeitsplätze das Aus. Der Hamburger Flughafen will bis 2023 etwa jede zehnte Stelle und damit rund 200 Jobs streichen. Stand heute werde es bei dieser im Sommer angekündigten Zahl bleiben, sagt Eggenschwiler und ergänzt: „Wenn es deutlich schlimmer kommt, werden wir uns viele Dinge noch einmal ansehen müssen.“
Ziel bleibe es, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen. Mit dem Betriebsrat habe man sich darauf verständigt, die Kurzarbeit bis Ende 2021 zu verlängern. Aktuell seien 82 Prozent der knapp 2000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Sie arbeiteten im Schnitt nur noch 38 Prozent der vertraglich festgelegten Arbeitszeit.
Flughafen: Bringen Schnelltests die Wende?
Einen Hoffnungsschimmer für die Zukunft sieht Eggenschwiler in Schnelltests. Diese seien nun verfügbar und leichter anwendbar. Zusammen mit Behörden wolle man Konzepte entwickeln, die das Reisen besser möglich machen sollen. Dabei denke er auch an Weihnachten, um das Feiern mit der Familie zu ermöglichen.
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Im Flugplan von Fuhlsbüttel stehen derzeit rund 70 Ziele. Am Sonntag ist eines zurückgekommen. Emirates verbindet Hamburg wieder mit Dubai. Bisher zweimal wöchentlich, freitags und sonntags. Am Montag kündigt die arabische Airline an, ab dem 18. November mittwochs eine dritte wöchentliche Verbindung nach Hamburg aufzunehmen.