Hamburg. Airport-Chef Michael Eggenschwiler blickt wegen der Corona-Krise schwierigen Zeiten entgegen. Die Folgen sind gravierend.

Die Sommerferien sind am Helmut-Schmidt-Flughafen in Fuhlsbüttel Hauptreisezeit. Das war auch in diesem Jahr so – allerdings bedingt durch die Corona-Pandemie auf einem sehr viel niedrigeren Niveau als früher. Das Abendblatt sprach mit Hamburgs Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler über den Passagierrückgang sowie die wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen und die Steuerzahler.

Sind Sie in diesem Sommer in den Urlaub geflogen?

Michael Eggenschwiler Nein, bin ich nicht. Ich wollte nach Schottland, aber Flüge dorthin gab es nicht. Stattdessen war ich mal wieder per Auto für einige Tage in meiner Heimat Schweiz. Das war sehr schön, aber Urlaubsstimmung und Entspannung macht sich angesichts der wirtschaftlichen Lage hier am Flughafen nicht breit.

Wie ist das Geschäft in den Sommerferien denn gelaufen?

Eggenschwiler: Es ist langsam wieder angelaufen. Wir hatten im Sommer über die fast zwei Monate Ferien in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Dänemark 600.000 Passagiere. Das sind rund drei Viertel weniger als im Vorjahr. Der Spitzentag war der 2. August mit 20.000 Fluggästen – früher waren es 70.000 pro Spitzentag. Von solchen Rekordtagen sind wir weit, weit weg. Wir merken auch zunehmend, dass wir massiv von den Rahmenbedingungen abhängig sind.

Sie meinen die Reisewarnungen, die erst Spanien mit Mallorca, dann Paris und die Côte d’ Azur zum Risikogebiet erklärten. Und die am Donnerstag von der Politik verschärften Quarantäne-Regelungen bei Reisen in solche Risikogebiete.

Eggenschwiler: Genau. Mit dem Aussprechen von Reisewarnungen gehen die Passagierzahlen sofort runter. Jeder neunte Passagier ist diesen Sommer von Hamburg nach Mallorca geflogen. Condor kürzte die Zahl der Flüge auf die Insel am 17. August von täglich auf viermal die Woche. Eurowings ist bis Anfang August 23-mal die Woche geflogen. Ab nächster Woche werden es noch elf Flüge pro Woche sein. Barcelona nahm Eurowings ganz aus dem Programm. Die Airlines orientieren sich jetzt noch stärker als früher an der Wirtschaftlichkeit. Wenn der Markt nicht mehr da ist, reagieren sie und streichen Flüge. Es ist auch anzunehmen, dass Paris und die Cote d’Azur nun weniger nachgefragt werden. Reisewarnungen wirbeln das geplante Programm durcheinander. Die nun geplanten Verschärfungen für die Quarantäne kommen einem neuen Lockdown für Reisen gleich – das ist schlecht für uns und die Reisenden. Wir müssen schauen, wie sich das auswirken wird, aber wir befürchten einen Rückgang der Passagierzahlen auf das Niveau von März/April. Wir werden sehen, ob wir die Kurzarbeit wieder erhöhen müssen. Seit März sind etwa 80 Prozent unserer 2000 Beschäftigten davon betroffen. Vielleicht müssen wir künftig auch Betriebsbereiche wie die Pier Süd wieder stilllegen.

Mit wie vielen Fluggästen rechnen Sie 2020?

Eggenschwiler: Bis Ende Juli hatten wir 3,1 Millionen Passagiere – minus 70 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Eine Prognose ist angesichts der derzeitigen Lage schwierig. Ich denke, dass wir zwischen sechs und acht Millionen liegen werden. Das wäre der tiefste Wert seit mehr als 20 Jahren.

Das Offenhalten des Flughafens kostet etwa zehn Millionen Euro pro Monat. Warum haben Sie sich auch mitten in der Corona-Krise dafür entschieden?

Eggenschwiler: Erstens haben wir eine Betriebspflicht. Zweitens haben die Bundes- und die Hamburger Politik darauf gedrängt, dass solche Infrastruktureinrichtungen in Betrieb bleiben. Man wollte eine stabile Grundversorgung erhalten. Frachtflüge und medizinische Transporte sollten möglich sein. Ich denke, dass das auch eine richtige Entscheidung war. Ansonsten hätten wir beginnen müssen, Leute zu entlassen. Fixkosten gibt es bei einer Infrastruktureinrichtung immer, auf null wären die Kosten nicht gesunken.

Aber unterm Strich wird es richtig teuer. Sie werden 2020 massive Verluste ausweisen …

Eggenschwiler: Wir werden – wie Ende Juni angekündigt – mehr als 100 Millionen Euro Verlust ausweisen. Wenn jetzt allerdings wieder mehr Länder zu Risikogebieten erklärt werden und Flüge dorthin gestrichen werden, kann der Verlust noch größer ausfallen. Im Moment ist es unheimlich schwierig, etwas Belastbares zu sagen. Wir drehen jeden Stein um, damit die Kosten gesenkt werden und der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen möglichst gering bleibt. Weiterhin gilt, dass wir bis 2023 etwa 200 Stellen abbauen wollen, und zwar möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen.

Wer springt für den Verlust ein? Die Gesellschafter Stadt Hamburg mit 51 Prozent Anteilen und der kanadische Infrastrukturfonds PSP Investments mit 49 Prozent?

Eggenschwiler: Wir sind in Gesprächen mit unseren Gesellschaftern darüber. Beide haben ein klares Bekenntnis zum Flughafen abgegeben.

Werden die Gesellschafter den Verlust ausgleichen?

Eggenschwiler: Wir werden sehen, wie sie das nachher tun werden. Aber sie werden den Flughafen nicht hängen lassen. Weil der Flughafen eine wichtige Rolle für die Stadt übernimmt und auch künftig übernehmen soll.

Also muss zum Teil der Steuerzahler ran ...

Eggenschwiler: Im Endergebnis ja. In den vergangenen mehr als 20 Jahren haben wir immer Gewinne erzielt, von denen der Steuerzahler profitiert hat. Der Flughafen hat seine Projekte immer selbst finanziert. Nun gibt es die Kehrseite der Medaille, der Steuerzahler muss zahlen.

Wann rechnen Sie wieder mit Gewinnen des Flughafens?

Eggenschwiler: Nach derzeitigem Szenario gehen wir davon aus, Ende 2023 wieder 80 Prozent des Passagieraufkommens von 2019 zu erreichen. Dann könnten wir wieder in Richtung einer schwarzen Null kommen.

Heißt im Umkehrschluss, dass Sie bis dahin rote Zahlen schreiben werden.

Eggenschwiler: Ja, wir müssen die nächsten drei Jahre mit Verlusten rechnen. Eine Prognose über deren Größenordnung ist schwierig, weil vieles noch im Fluss ist. Die Verluste werden hoffentlich nach und nach geringer werden, weil der Flugverkehr wieder zunimmt. Ich nehme an, dass wir nächstes Jahr nicht mehr im dreistelligen, sondern im zweistelligen negativen Millionenbereich liegen werden. 2022 sollte der Verlust weiter sinken, sodass schließlich 2023 die schwarze Null möglich sein könnte.

Wie setzen sich die Erlöse des Flughafens zusammen?

Eggenschwiler: Mehr als die Hälfte unseres Umsatzes von 275 Millionen Euro im Jahr 2019 stammten aus dem Flugbetrieb. Es handelt sich um Entgelte für die Passagiere, Start und Landung sowie für die Nutzung der Gepäckanlage. Rund ein Drittel stammen aus Mieten für Büros, Restaurants und Geschäften. Der Rest aus der Abfertigung, also dem Ein- und Ausladen der Flugzeuge sowie Bustransfers.

Weniger Passagiere bedeutet auch weniger Umsatz für Geschäfte. Gab es dort schon Kündigungen von Mietern?

Eggenschwiler: Wir hatten zu Beginn der Krise einige Kündigungen. Es sind auch zwei Modeunternehmen insolvent gegangen. Wir sind mit allen Mietern im Gespräch und treffen individuelle Lösungen, bei denen wir auch auf Mieteinnahmen verzichten. Viele Geschäfte und Restaurants haben wieder geöffnet, teilweise mit angepassten Öffnungszeiten.

Mehr als 20 Millionen Euro stecken im Interimsterminal auf dem Vorfeld, das nicht in Betrieb genommen wird, weil der Bedarf fehlt. Fallen dafür monatliche Kosten an?

Eggenschwiler: Nein. Es fallen für den laufenden Betrieb keine Kosten an. Das Gebäude steht einfach nur rum. Zum damaligen Zeitpunkt war die Entscheidung für den Bau angesichts des erwarteten Passagierwachstums richtig – auch wenn sie im Nachhinein natürlich schmerzt.