Hamburg. Kochbuch von Spitzenköchen, die für Helios das Krankenhausessen verfeinert haben. Schulnote für die Küche verbesserte sich drastisch.

Sterneküche am Krankenbett“: Unter diesem Motto serviert der private Krankenhausbetreiber Helios, der bundesweit ein Netz aus 86 Kliniken betreibt, seinen Patienten seit Mai in fünf ausgewählten Häusern, darunter auch in der Endo-Klinik an der Holstenstraße, von Spitzenköchen entwickelte Gerichte. Von „Kabeljau mit Petersilienfusion und Tandoori-Kartoffelpüree“ über „Rote-Bete-Risotto mit Sauerrahm und Wildkräutersalat“ bis „Lamm-Hacksteaks mit Gemüse-Couscous und Tomatensugo“ seien bisher knapp 70.000 Essen ausgegeben worden. Die von den Patienten für die Krankenhausküche vergebene Schulnote habe sich seither von 4,8 (vor der Aktion) auf 1,8 verbessert.

„Wir haben uns lange nur auf unsere Kernkompetenz, die Medizin, konzen­triert“, sagt Helios-COO (Chief Operating Officer) Enrico Jensch. Bis sich im vergangenen Jahr ein bekannter Berliner Spitzenkoch gemeldet habe. Seine Botschaft: „Die Herz-OP bei euch war super, aber das Essen echt katastrophal.“ Das sei der Auslöser gewesen, um ein neues Speisenkonzept zu entwickeln. Längst arbeiten auch Universitätskliniken und andere Krankenhäuser, auch hier in Hamburg, mit ausgezeichneten Köchen zusammen. Dass sich aber gleich sechs Spitzenköche, die zusammen auf insgesamt zwölf der begehrten Michelin-Sterne kommen, an dem Projekt beteiligen würden, das habe er selbst nicht für möglich gehalten, sagt der Helios-Chef.

Kindheitserinnerungen und Heimatküche

Doch Carsten K. Rath, der als Hotelmanager 1997 das Adlon eröffnete, später als Geschäftsführer für die Robinson Clubs verantwortlich zeichnete und heute zu den weltweit renommiertesten Gastronomieexperten zählt, holte für den nach eigenen Angaben größten deutschen Gesundheitsanbieter die „Stars“ der Spitzengastronomie an Bord, von denen jeder Einzelne die Kochshows zur besten Sendezeit adelt: Neben dem Hamburger Zwei-Sterne-Koch Christoph Rüffer aus dem Haerlin im Vier Jahreszeiten haben auch Drei-Sterne-Koch Thomas Bühner (früher la vie in Osnabrück), Hendrik Otto aus dem mit zwei Sternen dekorierten Lorenz Adlon Esszimmer in Berlin, Maike Menzel (Deutschlands jüngste Sterneköchin aus dem Restaurant Schwarzreiter im Münchner Hotel Vier Jahreszeiten), Zwei-Sterne-Koch Nils Henkel und Juan Amador, Österreichs erster und einziger Drei-Sterne-Koch, jeweils zwei Gerichte beigesteuert.

„Wir haben uns überlegt: Was isst man gern, wenn man sich krank fühlt?“, sagt Christoph Rüffer. „Und dann kommt man schnell auf Kindheitserinnerungen und Heimatküche.“ Als gebürtiger Essener sei er mit Reibekuchen groß geworden, als „Hamburger im Herzen“ liebe er Matjes. „Folglich kommt von mir dann auch Matjestatar auf Meerrettich-Reibekuchen.“

Patienten sind begeistert

Von 2021 an sollen nun alle rund 21 Millionen Helios-Patienten, von denen der Großteil gesetzlich versichert ist, in den Genuss der Spitzenessen kommen können - gegen einen privat zu zahlenden Aufpreis von rund 3,50 Euro pro Essen. „Allerdings sind die Patienten schon jetzt so begeistert, dass viele gesagt haben: Ich würde gern auch nach meiner Entlassung weiterhin so lecker essen“, sagt Carsten K. Rath, der als Autor am Montag gemeinsam mit vier der sechs beteiligten Köche das Buch „Unsere Lieblingsgerichte für Ihr Zuhause“ (17,99 Euro) im Hotel Vier Jahreszeiten präsentierte. Auf 144 Seiten finden sich 36 Leibgerichte der Spitzenköche. „Alle gesund und bekömmlich. Und ganz leicht zu Hause nachzukochen“, verspricht Hen­drik Otto, der unter anderem ein Rezept für „Arme Ritter mit Himbeeren“ beigesteuert hat.

Wer sich noch ansehen möchte, wie genau Juan Amador seine „Gazpacho Andalzu“ zubereitet, der kann sich die YouTube-Videos anschauen, die die Spitzenköche mit ihren Handykameras während des Corona-Lockdowns in den heimischen Küchen gedreht haben. Mit mehr als einer Million Klicks zählten die Filme schon jetzt zu den meistgesehenen Kochvideos des Jahres, so Helios.

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Ein „Marketing-Gag“ solle das Projekt nicht sein, betont Helios-Chef Jensch. „Uns geht es dabei nicht ums Geldverdienen. Vielmehr haben wir eine ordentliche Summe investiert, um das Krankenhausessen zu verbessern.“ Das Kochbuch, das in den Helios-Cafeterias und im Internet unter www.helios-kochbuch.de erhältlich ist, sei als „Beitrag zur Prävention“ zu verstehen. „Sterneküche ist per se gesund, weil wir mit den besten Zutaten und Produkten arbeiten. Und das tun wir auch bei unseren Leibgerichten“, sagt Thomas Bühner. „Wenn wir es schaffen, ein stärkeres Bewusstsein dafür hervorzurufen, dass es auf die Qualität der Waren ankommt, dann haben wir doch schon gewonnen“, sagt Nils Henkel, der gerade als Gastjuror die vegetarischen Kreationen der Kandidaten in der Kochshow „The Taste“ bewertet hat und auch wieder bei der aktuellen Staffel des Schleswig-Holstein Gourmet Festivals mitkocht.

Das Kochbuch soll nur der Anfang sein: Mittelfristig sollen die Gerichte, die von den Sterneköchen inspiriert sind und in der Hofmann Menü Manufaktur im badischen Boxberg zubereitet und dann teilgegart und tiefgefroren an die Kliniken geliefert werden, auch nach Hause bestellt werden können. „Während Corona wird zwar mehr zu Hause gekocht, aber mancher lässt es sich noch lieber liefern“, sagt Carsten K. Rath.