Hamburg. Wohngebäude des Bauhaus-Architekten Karl Schneider gehört jetzt Peter Dinse. Der will Originalzustand wiederherstellen lassen.
Peter Dinse ist Eigentümer eines Denkmals. Anfang des Jahres hat er das Wohnhaus des berühmten Bauhaus-Architekten Karl Schneider erworben – und Großes damit vor. Dinse, selbst erfolgreicher Architekt mit einem halben Jahrhundert Berufserfahrung, will die Bauhaus-Villa wieder in ihren Originalzustand versetzen lassen und zu einem kulturellen Anlaufpunkt machen. Exklusiv erläutert er im Abendblatt seine Pläne – und sagt, was er vom Dach bis zum Keller alles verändern will.
Bahrenfeld, Grünewaldstraße 11. Im Jahr 1928 war Schneiders Haus fertiggestellt, nach der Scheidung von Ehefrau Emma (1935), wurde es verkauft. Karl Schneider wäre geschockt, wenn er sehen könnte, wie sich dort alles verändert hat. Die Villa gleicht äußerlich zurzeit eher einem Mehrfamilienhaus aus den 1960er-Jahren als einem Bauhaus-Kleinod, und direkt neben der östlichen Grundstücksgrenze verläuft die Autobahn. Einer, den das überhaupt nicht schrecken kann, ist Peter Dinse, ein Mann voller Elan und Enthusiasmus.
Dinse reißt die Haustür auf – und lädt den Besucher ein ins Reich Karl Schneiders. Solnhofer Platten im Flur, dahinter eine langgezogener, lichtdurchfluteter Wohnraum mit Blick in den Südgarten. Das Haus hatte in den vergangenen Jahren wechselnde Besitzer, überall waren in die großen Zimmer Trennwände eingezogen worden. Dinse hat die ersten wieder herausreißen lassen, was dem ganzen Erdgeschoss eine unerwartet leichte Anmutung verleiht. „Der Raumfluss funktioniert wieder“, erläutert Dinse, „so hatte sich Karl Schneider das vorgestellt.“
Der Umbau soll bis Ende 2021 dauern
Im kommenden April sollen die Arbeiten losgehen, bis Jahresende könnte dann alles fertig sein. Jede Frage dazu kann Peter Dinse aus dem Stegreif beantworten, mit so ziemlich allem im Haus, so scheint es, hat sich der Fachmann schon genauestens beschäftigt. Unter dem Teppich? „Dielen.“ Die Originalkacheln? „Hab ich schon auf einem Bauhof gefunden.“ Die Wärmedämmung soll weg, das Nussbaumfurnier wird wieder eingebaut. So geht es Schlag auf Schlag
Wie jeder Mensch, der für ein Projekt brennt, reiht auch Dinse Idee an Idee. Kein Aufwand ist ihm zu groß, kein Detail zu unwichtig. Die auflaufenden Kosten hat er im Blick, aber sie bremsen seine Energie keineswegs – und das mit Mitte 70. Gerade hat er noch am Tisch sitzend Schneiders Originalpläne erläutert und deren Präzision gelobt, da zieht es ihn auch schon zum Treppenhaus. Mit wehender Jacke eilt Dinse von Raum zu Raum, bestens gelaunt, voller Tatendrang. Im Grunde wirkt es, als sei das „neue alte Haus“ in seinem Kopf schon fertig. Im Vorbeigehen klopft er an eine Wand neben der Terrasse: „Die war mal schwarz – und das wird sie auch wieder.“ Die verschwundenen kleinen Lüftungsfenster aus Metall werden „natürlich“ wieder eingebaut, die neuen Lichtschalter und Türgriffe allesamt ersetzt.
Dinse führt das Rolltor der Garage vor, spricht von einem Oldtimer, der hier einmal stehen soll. Dann geht’s zum Schmuckstück des Hauses: einer gut erhaltenen Spindeltreppe, die wie die Spitze eines Schneckenhauses geformt ist. Dinse strahlt. „Unglaublich, oder?“
Es geht darum, den Originalzustand wiederherzustellen
Das oberste Geschoss war in den 1930er-Jahren wohl das faszinierendste des Hauses. Karl Schneider hatte dort nur einen Raum: sein Atelier. Die anschließende Dachterrasse bot Zerstreuung, wobei der ungewöhnliche Umlauf rückblickend belegt, wie weit Schneider seiner Zeit voraus war. Zu erkennen ist das zurzeit nur auf alten Fotos, denn 1959 reichte die damalige Besitzerin einen Antrag ein, die Terrasse komplett zu überbauen. Diese Arbeiten wurden relativ behutsam ausgeführt, aber der besondere Charakter des Hause ging zum Teil verloren. Mehr noch: Die Umgestaltung verhinderte jahrzehntelang, dass die Villa unter Denkmalschutz gestellt wurde. Erst 2018 gelang das – nach hartnäckigem Einsatz der Karl-Schneider-Gesellschaft.
Während so ziemlich jeder Bauherr so viel Wohnfläche wie möglich herausschinden will, plant Dinse das Gegenteil: Das Dachgeschoss soll wieder zurückgebaut und in den Urzustand mit der großen Terrasse versetzt werden. Dann gehen zwar mehrere Zimmer mit rund 80 Quadratmeter Fläche verloren, aber das stört den hoch motivierten Architekten nicht. „Es geht ja darum, den Originalzustand wiederherzustellen“, sagt er, „das ist nun wirklich wichtiger.“ Wohnen will Dinse in dem Haus nicht, die kulturelle Nutzung bedeutet ihm deutlich mehr. „Ich will, dass es hier nach Anmeldung Führungen gibt – circa sechsmal im Jahr.“
Peter Dinse ist ein charmanter, aber auch durchsetzungsfähiger und eigenwilliger Typ. Nach 50 Jahren im Beruf weiß er, wie der Hase läuft, kann genau einschätzen, was geht und was nicht. Dass er diesem Denkmal neues Leben einhaucht, ist ihm absolut zuzutrauen.