Hamburg. Hochbahn verzichtet auch auf Notbetrieb. Verdi: Anerkennung der Beschäftigten im ÖPNV “überfällig“. Der Überblick.

Der 24-stündige Warnstreik bei der Hamburger Hochbahn und den Verkehrsbetrieben Hamburg Holstein (VHH) hat seit dem frühen Donnerstagmorgen den öffentlichen Nahverkehr in und um Hamburg weitgehend lahmgelegt. Seit 3 Uhr morgens bleiben die allermeisten U-Bahnen und Busse in den Depots, lediglich zwei Tochterunternehmen der VHH in Rahlstedt und Ahrensburg wurden nicht bestreikt. Der Warnstreik bei der Hochbahn soll 24 Stunden dauern. Wie die Hochbahn am Donnerstagabend mitteilt, wird der Regelbetrieb auf den vier U-Bahn-Linien sowie auf allen Buslinien am Freitag zum Betriebsbeginn wieder aufgenommen. Die VHH-Beschäftigten legten die Arbeit bis 15 Uhr nieder.

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Warnstreik: Kein erhöhtes Verkehrsaufkommen in S-Bahnen

S-Bahnen, Regionalbahnen und der Schienenersatzverkehr für die AKN fahren den ganzen Tag über regulär. Am Donnerstagmorgen twitterte die Hochbahn, der Einsatzstab habe sich dazu entschieden, überhaupt keinen Betrieb aufzunehmen. Ein Notbetrieb könne dazu führen, dass es eine Überfüllung gebe.

Zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen kam es durch den Streik jedoch weder in den S-Bahnen noch auf den Straßen. Die Polizei sprach von einer „Alltagslage“, die Deutsche Bahn von einem „ruhigen S-Bahn-Betrieb“. Nach Angaben des an den Umsteigebahnhöfen Barmbek und Ohlsdorf eingesetzten Servicepersonals waren die meisten Fahrgäste gut informiert und gelassen.

Warnstreik: Hamburger Hochbahn bei Twitter

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Beschäftigten im ÖPNV – "Anerkennung ist überfällig"

Die Beschäftigten der Hamburger Hochbahn AG forderten nun ein verhandlungsfähiges Angebot, teilte die Gewerkschaft Verdi am Donnerstag mit. "Ihnen geht es vor Allem um Entlastung und Wertschätzung für einen harten anspruchsvollen Job, zumeist in wechselnden – oft sogar geteilten – Schichten und an Wochenenden."

Durch Corona seien die Beschäftigten im ÖPNV die Heldinnen und Helden der Mobilität geworden. "Eine Anerkennung ist überfällig", so Verdi. Die Gewerkschaft fordert unter anderem eine Erhöhung der Zulagen für belastende Dienste und Schichten und eine Begrenzung der täglichen Höchstarbeitszeit. "Der ÖPNV ist eine Säule der Klima- und Verkehrswende – das geht nur mit den Beschäftigten!"

Warnstreik in Hamburg: Viele Hamburger steigen aufs Rad um

Da die Hamburger am Donnerstag nicht mit Bus oder U-Bahn zur Arbeit gelangen konnten, sind viele Menschen aufs Rad umgestiegen – auf das eigene, aber auch auf das StadtRad. Das hatte zur Folge, dass zu bestimmten Zeiten an einigen Standorten keine roten Leihräder mehr zu bekommen waren – so etwa gegen 9.30 Uhr rund um den Mühlenkamp.

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Vor allem Touristen wurden vom Warnstreik im ÖPNV überrascht

Obwohl in den Medien seit einigen Tagen über den Warnstreik berichtet wurde, sah man am Donnerstagmorgen an U- und Umsteige-Bahnhöfen immer wieder Fahrgäste, die verwirrt die Streikhinweise auf den Anzeigetafeln lasen. Am Hauptbahnhof waren es vor allem Touristen und Reisende, die nichts von dem Streik mitbekommen hatten. Viele wollten hier in die U-Bahn umsteigen.

So wie die beiden Freundinnen Vanessa und Katharina aus Münster, die eine Woche Urlaub in Hamburg verbringen möchten und auf dem Weg zum Hotel waren. Ärgerlich sind sie nicht über den Streik. „Klar stört das ein bisschen, aber ich finde es verständlich“, so Katharina. Sie würden versuchen, mit der S-Bahn ans Ziel zu kommen.

Staatsoper-Sänger wurde Nacht zuvor das Rad gestohlen

Hanne-Lore Pantermähl aus Wedel und Werner Böss aus dem hessischen Bad Arolsen strandeten am Dammtor-Bahnhof. Sie wollten eigentlich mit dem MetroBus 5 weiterfahren. „Die Deutsche Bahn hat mich zwar über eine Veränderung der Sitzplatznummer informiert, nicht aber darüber, dass in Hamburg gestreikt wird“, sagte Böss, der eine lange Reise hinter sich hat, genervt. Er musste zum UKE, Frau Pantermähl in eine Praxis an der Hoheluftchaussee. Sie beschlossen spontan, sich ein Taxi zu teilen.

An der U-Bahnstation Hoheluftchaussee wollte sich Matthias Klink, Sänger an der Staatsoper, gerade ein Ticket kaufen, als er von dem Streik erfuhr. „Sonst fahre ich immer mit dem Rad, aber das wurde heute Nacht geklaut“, so der Stuttgarter, der dann zu Fuß zur Probe ging. Roya Loggmann hatte zwar von dem Streik im Radio gehört, morgens aber nicht mehr daran gedacht.

„Man ist so im Alltagstrott“, sagte sie, ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und nahm ein StadtRad, um zur Arbeit nach Winterhude zu fahren. Die Kölner Annika H. und Niklas S., die für einen Kurztrip in Hamburg sind und im Schanzenviertel frühstücken wollten, beschlossen, durch den Eppendorfer Weg dorthin zu bummeln.

Kieler Minister: Warnstreik in Corona-Zeiten nicht angebracht

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz hat den Warnstreik bei der Hochbahn und den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein kritisiert. „Die Corona-Zahlen haben heute einen Rekordwert erreicht“, sagte der FDP-Politiker am Donnerstag. „Angesichts dessen bitte ich die Gewerkschaft Verdi herzlich, doch mal nachzudenken, ob ein Streik im ÖPNV wirklich eine gute Idee ist.“

Bernd Buchholz, Verkehrsminister von Schleswig-Holstein
Bernd Buchholz, Verkehrsminister von Schleswig-Holstein © dpa

Damit würden die Menschen gezwungen, dicht gedrängt die Verkehrsmittel anderer Firmen zu nutzen. „In Zeiten, in denen Abstand halten das Gebot der Stunde ist, sind solche Maßnahmen für den Gesundheitsschutz und für das Eindämmen des Infektionsgeschehens kontraproduktiv.“

Verdi: Bei der Hochbahn wurde seit 1994 nicht mehr gestreikt

Bei Verdi will man sich diesen Vorwurf nicht gefallen lassen. „Die Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste tun uns leid, aber es geht uns um die Beschäftigten“, sagt Natale Fontana vom Landesverband Hamburg. Bei der Hochbahn sei seit 1994 nicht mehr gestreikt worden. Der dort geltende Haustarifvertrag enthalte viele der bundesweiten Forderungen der Gewerkschaft noch nicht. So litten viele Beschäftigte unter den geteilten Diensten, die ihren Arbeitstag zerrissen, Fehlzeiten würden sanktioniert und Teilzeitkräfte wären bei der Überstundenregelung benachteiligt.

Nach Angaben der Deutschen Bahn seien die S-Bahnen am Donnerstag nicht überfüllt gewesen. „Wir hatten einen ruhigen Betrieb“, so eine Sprecherin. Zusätzliche oder längere Züge seien nicht eingesetzt worden. Das an den Umsteigebahnhöfen Barmbek und Ohlsdorf eingesetzte Servicepersonal habe gemeldet, dass die meisten Fahrgäste gut informiert und gelassen mit den Streikfolgen umgegangen wären.

Fahrgastverband Pro Bahn: Streik Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer

Kritisch, aber verständnisvoll zeigt sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn. Klar sei, dass Arbeitnehmer ein Recht auf Streik hätten, teilte der Fahrgastverband Pro Bahn mit. Es sei im Sinn der Fahrgäste, wenn das Personal anständig bezahlt werde. "Muss zu streiken aber so aussehen wie in Deutschland, dass in dieser Zeit nichts mehr fährt? Das trifft nämlich nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch vielmehr andere Arbeitnehmer, die nicht zur Arbeit kommen und somit mit Schwierigkeiten auf der Arbeit rechnen müssen", heißt es weiter.

Nach Ansicht des Fahrgastverbands Pro Bahn sollte die Solidarität der Gewerkschaften anders aussehen. „Warum kann man nicht wie in anderen europäischen Ländern bei der Eisenbahn in 'Friedenszeiten‘ einen Notfahrplan verabreden, der stark ausgedünnt ist – zum Beispiel wie an Heiligabend ab 20.00 Uhr – und nur dieser wird bei Streik gefahren“, fragt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn.

U-Bahnen und Busse fallen aus – auch beim VHH

Auch die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein (VHH) legten aus Solidarität die Arbeit nieder. Das hatte Verdi schon am Mittwoch mitgeteilt. Die Hochbahn AG hat den angekündigten Warnstreik bereits als unverhältnismäßig kritisiert.

Das ehrenamtliche entscheidungsfähige Gremium aus Ver.di-Mitgliedern bei den VHH habe nach einer Neubewertung der Lage am Dienstagabend entschieden, sich unter dem Motto "Wir wollen eins sein" mit den Hochbahn-Beschäftigten zu solidarisieren und zwischen drei Uhr morgens bis 15 Uhr ebenfalls die Arbeit niederzulegen, erklärte Ver.di.

Um 15 Uhr beendete die VHH am Donnerstag Streik und nahm den Regelbetrieb wieder auf. Bis zum späten Nachmittag sollen alle Busse wieder pünktlich fahren.

Das bedeutet für Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs in Hamburg:

  • Ab 3 Uhr morgens fahren 24 Stunden lang voraussichtlich keine Busse und U-Bahnen der Hochbahn
  • Von 3 Uhr morgens bis 15 Uhr fahren voraussichtlich keine Busse der VHH
  • S-Bahnen und Regionalbahnen sind von dem Warnstreik nicht betroffen

Zweiter ÖPNV-Warnstreik in einem Monat

Es ist bereits der zweite Warnstreik innerhalb weniger Wochen. Schon am 29. September war der U-Bahn- und Busbetrieb der Hochbahn in Hamburg zeitweise komplett zum Erliegen gekommen. Damals hatten sich die Hochbahn-Beschäftigten an dem bundesweiten Warnstreik der Gewerkschaft Ver.di bei den Verkehrsbetrieben beteiligt.

Die Gewerkschaft Verdi wirft den Arbeitgebern vor, den Tarifkonflikt auf Kosten der Fahrgäste zu verschleppen, weil sie im Fall der Hochbahn erst für den 29. Oktober und im Fall der VHH erst für den 4. November ein Gesprächsangebot unterbreitet habe.

Verdi will unter anderem, dass es bundesweit einheitliche Regelungen für Urlaubstage, das 13. Monatsgehalt oder Weihnachtsgeld gibt. Auch soll es eine Erhöhung der Zulagen für belastende Dienste und Schichten sowie eine Begrenzung der täglichen Höchstarbeitszeit geben. Bundesweit sind rund 87.000 Tarifbeschäftigte in 130 Verkehrsbetrieben angestellt. In Hamburg sind es den Angaben zufolge rund 7000 Menschen.