Hamburg. Erster Ausstand bei der Hochbahn seit 30 Jahren. Mitarbeiter fordern bessere Arbeitsbedingungen, viele Fahrgäste zeigen Verständnis.

Berufspendler und Fahrgäste des HVV standen am Dienstag größtenteils vor leeren Bahnhöfen und verschlossenen Türen. Die Gewerkschaft Ver.di hatte die Mitarbeiter der Hochbahn und der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH) zum Warnstreik aufgerufen. Bis 15 Uhr kam es im U-Bahn-Netz und Busverkehr zu weitreichenden Ausfällen.

Laut Hamburger Hochbahn waren alle vier U-Bahn-Linien und die meisten Buslinien von dem Warnstreik betroffen. Von Betriebsbeginn um 3 Uhr bis zum Mittag standen Busse und Bahnen still. Ein Ersatzverkehr konnte nicht eingerichtet werden. Ab 9 Uhr versuchte die Hochbahn, wenigstens einen Zehnminutentakt auf der Linie U 3 einzurichten. Erst um 12 Uhr wurde der gesamte Betrieb wieder schrittweise hochgefahren. Bis schließlich alle U-Bahnen wieder pünktlich fuhren, dauerte es bis zum frühen Nachmittag. Regional- und S-Bahnen waren vom Streik nicht betroffen.

Fahrgäste unterstützen zum Teil Forderungen der Streikenden

Trotz langer Staus zeigten viele Hamburger Verständnis für die Mitarbeiter der Hochbahn. Diana Yaghouty war eine der Betroffenen. Die Schülerin des Wirtschaftsgymnasiums City Nord nimmt normalerweise die Buslinie 118 zur Schule.

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Auch wenn sie wegen der vollen Straßen verspätet zum Unterricht kam, unterstützt die Schülerin die Forderungen der Streikenden: „Die Busfahrer arbeiten so hart und bekommen meiner Meinung nach viel zu wenig Gehalt dafür. Deswegen finde ich es gut, dass sie heute ein Zeichen setzen.“

1000 Beschäftigte brachten ihren Unmut auf die Straße

Seit mehr als 30 Jahren hatte es keinen Streik der Hochbahn-Mitarbeiter mehr gegeben. Am Dienstag fanden nun an gleich vier Betriebshöfen Warnstreiks der Angestellten von Hochbahn und VHH statt. Am größten Betriebshof der Hochbahn in Alsterdorf versammelten sich am Morgen rund 300 Teilnehmer. Die Vize-Landesbezirksleiterin von Ver.di Hamburg, Sieglinde Frieß, zeigte sich positiv überrascht von dem großen Andrang. Zusammen mit den Kundgebungen an den Betriebshöfen in Harburg, Barmbek und Langenfelde brachten, laut Angaben der Veranstalter, heute bis zu 1000 der 7000 aufgerufenen Beschäftigten ihren Unmut auf die Straße.

13. Monatsgehalt gefordert

Bei dem Streik ging es vornehmlich um den Manteltarifvertrag, also um die Arbeitsbedingungen: Neben einem 13. Monatsgehalt fordert Ver.di unter anderem eine Erhöhung der Zulagen für belastete Dienste und Schichten, eine bessere Nachwuchsförderung und 30 Urlaubstage für alle Angestellten. Natale Fontana, Fachbereichsleiter Verkehr bei Ver.di Hamburg: „Die Arbeitsplätze sind wenig attraktiv, und folglich ist der Fachkräftemangel enorm. Die Belastungsgrenze für die Angestellten wird mittlerweile deutlich überschritten.“

Seit 1998 ist die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr deutschlandweit um 24 Prozent gestiegen, die Anzahl an Beschäftigten allerdings um 18 Prozent gesunken. Einige der streikenden Busfahrer berichten, dass sie teils mehr als zehn Stunden am Steuer säßen. Nacht- und Sonntagsdienste würden lediglich mit einem kaum merkbaren finanziellen Zuschuss vergütet.

Säule der Mobilitätswende in Hamburg

Fontana und Frieß machen sich aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen vor allem Sorgen um den Nachwuchs an Auszubildenden. „Der ÖPNV ist eine der wichtigsten Säulen der Mobilitätswende. Doch für die muss man auch in das Personal investieren“, so Frieß.

Im Zusammenschluss mit Aktivisten von „Fridays for Future“ versammelten sich daher auch viele Auszubildende der Hochbahn und des VHH vor dem Betriebshof am Tessenowweg. Jan Wolkenhauer ist Industriemechaniker bei der Hochbahn und engagiert sich bei der Ver.di Jugend. „Während der Pandemie haben vor allem wir Azubis viele Aufgaben übernommen und täglich gearbeitet. Dafür wollen wir jetzt auch eine angemessene Wertschätzung“, meint er.

Hintergrund der Streiks sind bundesweite Auseinandersetzungen zwischen Ver.di und den kommunalen Arbeitgeberverbänden. Bereits im Frühjahr hatte die Dienstleistungsgewerkschaft die Tarifverträge gekündigt, um für die 87.000 Beschäftigten in den 130 Verkehrsbetrieben (davon etwa 7000 bei Hochbahn und VHH) bundesweit einheitliche Rahmentarifverträge für öffentliche Verkehrsunternehmen zu erstreiten. Seitdem habe es seitens der Arbeitgeber keine Bereitschaft gegeben, in Verhandlungen zu treten, so Sieglinde Frieß.

Hochbahn: Warnstreik unverständlich

Die Hochbahn findet es dagegen „unverständlich“, dass sie in die Konflikte um den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst und die Tarifverträge für den kommunalen Nahverkehr hineingezogen wird – denn sie wendet keinen von beiden an, sondern hat einen Haustarifvertrag. Sieglinde Frieß zog am Dienstag ein positives Fazit: „Unser Ziel war es nicht, die Bürger zu verärgern, sondern einen Warnschuss in den Verhandlungen zu setzen. Alles hat geklappt, und die Teilnehmer haben sich an das Hygienekonzept gehalten, daher bin ich sehr zufrieden.“ Für die nahe Zukunft sehe Ver.di bislang keinen Grund für weitere Streiks, versicherte Natale Fontana.