Hamburg. Beamte dürfen sich nur noch dienstlich zu Konzerten oder ins Theater einladen lassen. Besondere Regeln für Senatoren.
Vor ziemlich genau zwei Jahren gaben die Rolling Stones ein begeisterndes Konzert im Stadtpark. Die Affäre um Frei- oder Vorzugstickets für den Auftritt der Band, die der damalige Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD) an „Freunde des Hauses“ verteilte, beschäftigt die Staatsanwaltschaft noch heute. Staatsrätin Elke Badde (SPD) musste schon ihren Hut nehmen.
Seit Juli 2018 haben die Staatsräte in mehreren Runden getagt, um die Regeln für die Annahme von Geschenken und Vorteilsleistungen im öffentlichen Dienst (Compliance-Regeln) zu aktualisieren und vor allem zu präzisieren. Dem Abendblatt liegt der Entwurf einer Senatsdrucksache vor, die auf 38 Seiten die Grenze zur Korruption grundsätzlich definiert, aber auch einen umfangreichen Katalog von Fallbeispielen liefert.
Viel ist nicht erlaubt
Viel, das stellt sich schnell heraus, ist nicht erlaubt. „Beschäftigte, die in Bezug auf ihr Amt oder ihren Beruf Geschenke oder sonstige Vorteile annehmen, gefährden das Vertrauen der Allgemeinheit und ihrer Behörde in ihre Zuverlässigkeit und setzen das Ansehen des gesamten öffentlichen Dienstes herab“, heißt es unmissverständlich. Die jetzt erarbeitete Neufassung der „Bekanntmachung über das Verbot und die ausnahmsweise Annahme von Belohnungen und Geschenken“ soll „Teil einer Compliance-Strategie“ des Senats sein.
Der Katalog listet Selbstverständlichkeiten auf wie das Verbot der Annahme von Bargeld, von Bauleistungen, Garten- und Putzdiensten oder Benzingutscheinen. Bücher, Blumensträuße oder andere Geschenke sind grundsätzlich verboten, es sei denn, es handelt sich „um ein angemessenes Geschenk aus dem dienstlichen Umfeld“ oder übersteigt nicht den Wert von 20 Euro. Das soll zum Beispiel auch für Lehrer gelten, die von Schülern oder Eltern ein Präsent erhalten.
Beamte dürfen sich generell nicht zu Sportveranstaltungen, Konzerten, Theaterbesuchen, Windjammerparaden oder Galadiners einladen lassen. Im Ausnahmefall darf die Einladung „bei bestehenden dienstlichen oder geschäftlichen Berührungspunkten zum Einladenden und überwiegenden dienstlichen Interessen bzw. Dienst- oder Repräsentationsaufgaben“ angenommen werden. Um alle Zweifel auszuräumen, listet der Katalog „Indizien für ein Verbot“ auf: „Kein nachvollziehbarer Anlass, Begleitpersonen werden eingeladen, obwohl die Art der Veranstaltung deren Anwesenheit nicht erfordert, Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten“. In Zweifelsfällen solle vorher die Zustimmung des Vorgesetzten eingeholt werden.
Für Senatoren und Staatsräte gelten besondere Regeln
Auch die Teilnahme an Firmenveranstaltungen wie Sommerfesten, Weihnachtsfeiern oder Jubiläen ist grundsätzlich verboten und nur im Ausnahmefall „aus dienstlicher Veranlassung oder mit Rücksicht auf die mit dem Amt verbundenen Repräsentationsaufgaben“ erlaubt. Die Mitnahme einer Partnerin oder eines Partners bei Einladungen ist nur erlaubt „bei Vorliegen eines gesellschaftlichen Anlasses, bei dem die Absage eindeutig den gesellschaftlichen Gepflogenheiten oder der Höflichkeit widerspräche, z. B. Presseball“.
Für Senatoren und Staatsräte gelten spezielle Regeln, weil ihnen die „amtsangemessene Repräsentation der Freien und Hansestadt“ obliegt. „Dies beinhaltet auch, dass der Senat, unabhängig von Ressortzuständigkeiten, bei Veranstaltungen unterschiedlichster Art sichtbar und selbstverständlich vertreten ist, so weit dies den gesellschaftlichen Gepflogenheiten entspricht, auch in Begleitung durch Partnerinnen bzw. Partner“, heißt es im Entwurf für die „Regelung über die Annahme von Geschenken und sonstigen erheblichen Vorteilen für Mitglieder des Senats und Senatssyndici“.
Die Annahme von Geschenken soll auch in Zukunft klar geregelt sein. Senatoren und Staatsräte (veraltet: Senatssyndici, die Red.) müssen „über Geschenke von besonderem Wert oder sonstige erhebliche Vorteile“ den Chef der Senatskanzlei informieren. Von besonderem Wert sind Geschenke, heißt es eher schwammig, „wenn sie über das im Rahmen der amtsangemessenen Repräsentation übliche Maß hinausgehen“. Solche Präsente müssen Senatoren und Staatsräte abgeben oder „wertmäßig an den Hilfsfonds des Präsidenten des Senats abführen“. Ausgenommen sollen lediglich „Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs und Gegenstände von symbolischem Erinnerungswert“ sein.
Dressel: In diesem sensiblen Bereich für noch mehr Klarheit sorgen
Auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) lässt derzeit einheitliche Compliance-Standards für die öffentlichen Unternehmen erarbeiten. „Gerade angesichts der Diskussionen der letzten Monate ist es gut, dass wir in diesem sensiblen Bereich für noch mehr Klarheit sorgen“, sagte er dem Abendblatt. „Gleichzeitig muss man auch Maß und Mitte bewahren, um ein angemessenes Agieren unserer Unternehmen in der Stadt zu ermöglichen.“
Die juristische Aufarbeitung der Rolling-Stones-Affäre ist nach etwa zwei Jahren der Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen. Laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft wurden insgesamt 52 Verfahren gegen 68 Beschuldigte wegen der möglichen illegalen Weitergabe von Tickets für das Konzert im Stadtpark eröffnet – in acht Fällen wurde Anklage erhoben, darunter auch in dem Verfahren gegen die damalige Staatsrätin der Finanzbehörde, Elke Badde (SPD). Der Prozess gegen sie soll am 20. November beginnen.
Acht weitere Verfahren sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch offen. Auch über eine Anklage gegen den ehemaligen Bezirksamtsleiter Harald Rösler, dessen Behörde das Konzert im Stadtpark genehmigt hatte, ist noch nicht entschieden worden. Der Großteil der Verfahren wurde dagegen eingestellt, teilweise gegen Auflagen.
Auch Besuch von Spielen des FC St. Pauli wurde untersucht
Zuletzt waren nach einem Bericht des NDR-Magazins „Panorama 3“ auch Besuche von Spitzenpolitikern bei Spielen des FC St. Pauli von der Staatsanwaltschaft geprüft worden. Es sollen insgesamt acht Freikarten für VIP-Plätze in der höchsten Preiskategorie an den damaligen Bezirksamtsleiter Mitte und heutigen Innensenator Andy Grote (SPD) verschenkt worden sein. Zudem seien vier Tickets an Polizeipräsident Ralf Martin Meyer und zwei Tickets an den damaligen Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) gegangen.
Allein die Karten für Innensenator Grote sollen 1700 Euro wert gewesen sein. Dieser ließ mitteilen, dass sein Besuch von Heimspielen „jeweils in dienstlicher Funktion und auf Einladung der Vereinsführung“ erfolgt sei. Er habe repräsentative Aufgaben wie „Wertschätzung und Unterstützung“, „Präsenz und Ansprechbarkeit“ und „allgemeine Kontaktpflege“ wahrgenommen, vor allem aber einen Austausch zu den damals „relevanten Themen“ gepflegt. Auch Polizeipräsident Ralf Martin Meyer verwies auf dienstliche Aufgaben, unter anderem Gespräche zur neuen Stadionwache. Horch hat nach eigenen Angaben keine Spiele mit geschenkten VIP-Tickets besucht.
Die Staatsanwaltschaft beschloss nach einer ersten Prüfung, keine Ermittlungen gegen die Spitzenpolitiker einzuleiten. Dies sei aber weiterhin möglich, hieß es – aktuell würden noch die Beweismittel ausgewertet, die im August bei einer Razzia beim FC St. Pauli wegen Unregelmäßigkeiten bei der Versteuerung von Tickets gesichert wurden.