Buchholz. Mit ihrer Ausstellung „Begegnungen“ setzt die Künstlerin Heidi Lemma Mossa Zeichen – derzeit zu sehen in der Buchholzer Stadtbibliothek.

Es gab keine Vernissage. Keine geladenen Gäste und keinen Austausch mit der Künstlerin. Als Heidi Lemma Mossa ihre Ausstellung vergangene Woche in der Stadtbücherei Buchholz eröffnete, war sie ganz allein mit ihren Bildern. Erst am nächsten Morgen kamen die ersten Besucher. Da war die Künstlerin bereits wieder zuhause. Wenn auch ein Miteinander aufgrund der geltenden Corona-Regeln in der Stadtbücherei derzeit verboten ist, will Heidi Lemma Mossa mit ihren Bildern für Begegnungen sorgen. So hat sie auch die Ausstellung genannt, die bis zum 5. Oktober in der Stadtbücherei zu sehen sein wird.

Bilder sollen aufrütteln und zum Gespräch anregen

Es sind Begegnungen mit Themen, die aufrütteln: Rassismus, soziale Ausgrenzung und eine schwarz-weiße Gesellschaft gehören dazu – aber auch die Buntheit und Vielfalt, die das Leben ausmachen, begegnen dem Betrachter. Die Botschaft der Künstlerin: „Meine Bilder sollen aufrütteln und zur Diskussion anregen. Es bedrückt mich, wie Menschen mit dieser Erde, mit Tieren und Lebewesen und letztendlich auch mit sich selbst umgehen.“

Heidi Lemma Mossa nutzt ihr Talent, um zu mahnen und kritisch zu sein. Und zu werben für eine Welt, in der die Menschen bunter denken, tolerant und weltoffen sind, anstatt zu fragen: „Woher kommst du?“ Sie hat diese Themen gewählt, weil es auch ihre eigenen sind. Die gebürtige Saarländerin weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es sich anfühlt, in der Fremde ohne Vorurteile aufgenommen zu werden. Viele Jahre hat sie in Uganda gelebt, als Weiße zwischen Schwarzen. Sie hat einen Afrikaner geheiratet, eine Tochter geboren und eine Familie gegründet. „Es gab nicht eine einzige ablehnende Begegnung in Afrika. Die Menschen dort haben mich mit offenem Herzen aufgenommen. Ich habe dort nie Rassismus erfahren“, sagt sie.

Rassismus selber erfahren

Zurück in Deutschland macht sie als Mutter einer dunkelhäutigen Tochter gegensätzliche Erfahrungen. Und lernt, wie weh es tut, ausgegrenzt zu werden. „Meine Tochter wird noch heute wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert“, sagt Heidi Lemma Mossa. „Mit zehn Jahren wurde sie von Skinheads durch die U-Bahn gejagt, sie wurde in der Schule beleidigt und wird heute noch als Mitarbeiterin im Gesundheitsamt von Kunden gefragt, ob sie überhaupt deutsch spricht.“

Der Weg zur Kunst war lang und schwierig

Es sind Erfahrungen, die die Künstlerin in ihren Bildern verarbeitet. Die 62-Jährige, die heute in einer Blockhütte im Wald nahe Buchholz lebt, kennt die heilende Wirkung, die Kunst haben kann. Sie ist studierte Kunsttherapeutin. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. „Ich hatte bereits mit 16 vor, Kunst zu studieren“, erzählt sie. „Doch ich hatte kein Abitur und damit auch keine Chance auf einen Studienplatz.“ Statt weiter die Schulbank zu drücken, zieht es sie Ende der 1970er Jahre ins Ausland. Ein Jahr lebte sie in Israel. Mit ihrem Mann, einem Afrikaner, geht sie schließlich für zwei Jahre nach Uganda.

Anfang der achtziger Jahre, wieder in Deutschland, macht sie eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin, arbeitet bis 1992 für die in Fürth stationierten US-Truppen. „Als diese abgezogen wurden, war ich plötzlich arbeitslos“, sagt sie. „Das Arbeitsamt vermittelte mich auf eine Fachschule für Betriebswirtschaft. Dort habe ich mein Abitur nachgeholt, war aber anschließend mit 42 Jahren zu alt für ein Kunststudium. Also habe ich mich nach einer Alternative umgeschaut.“ Schließlich schreibt sie sich an der Fachhochschule Nürtingen für ein Studium der Kunsttherapie ein und kehrt Schritt für Schritt zur Malerei zurück. 2006 eröffnet sie schließlich ihre eigene Praxis für Kunsttherapie in Otter bei Tostedt.

Schicksalsschlag ruiniert die Existenz

„In meiner Praxis konnten Patienten unter therapeutischer Begleitung ihre kreativen Fähigkeiten entwickeln und einen Weg finden, sich auszudrücken“, sagt Heidi Lemma Mossa. „Ich habe viel am Tonfeld gearbeitet. Es bietet eine wirksame Hilfe, um Kinder oder Jugendliche in ihren emotionalen und sozialen Bedürfnissen anzusprechen.“ Die Praxis läuft gut, bis die Therapeutin 2010 durch einen Schicksalsschlag von einem auf den anderen Tag ihre gesamte Existenz verliert. Nur einige wenige Bilder bleiben ihr erhalten. „Die Malerei hat mir geholfen, wieder auf die Beine zu kommen“, sagt sie heute.

Unterstützung und Rat bei ihren Arbeiten findet die 62-Jährige seit 2016 im offenen Atelier „mopsblau“ der Buchholzer Künstlerin Katja Staats. Diese war es auch, die einen Kontakt zur Artothek der Stadtbücherei Buchholz und deren Leiterin Heike Hansen herstellte. „Ich habe die Werke von Heidi Lemma Mossa im offenen Atelier gesehen“, sagt Heike Hansen. „Die Bilder haben mich sehr berührt.“

Die Künstlerin greife in ihren Bildern wichtige Themen auf. „Dazu gehören Rassismus und Fremdenfeindlichkeit genauso wie der Kampf gegen die Zerstörung der Natur“, so Heike Hansen, die es als ihre Aufgabe sieht, nicht nur schöne Bilder fürs Wohnzimmer für die Besucher der Stadtbücherei zu akquirieren, sondern auch Künstlern einen Raum zu bieten, deren Bilder zum Gespräch anregen. „Viele wichtige Themen sind aufgrund von Corona aktuell ins Hintertreffen geraten“, sagt die Leiterin der Stadtbücherei. „Wir dürfen – bei allem, was gerade passiert – keinesfalls den Blick darauf verlieren.“