Hamburg. Großfeuer am Goldbekkanal zerstört alte Werft und Boote Hunderter Hamburger Familien. Nicht alles war versichert.
Axel Bartels steht inmitten neugieriger Passanten vor den Ruinen seiner Bootswerft Gustävel in Winterhude. Der Besitzer der Traditionswerft am Goldbekkanal wirkt gefasst. In diesen Tagen funktioniere er nur noch, sagt er und raucht eine Zigarette nach der anderen. Im Moment habe er eine Verantwortung gegenüber den Mietern.
Am Freitagabend war seine Bootswerft in Flammen aufgegangen. Bartels war gerade zu Hause. Als er von dem Feuer hörte, fuhr er direkt zur Werft und konnte nur noch zusehen, wie seine Existenz und das Lebenswerk von Ulrich Gustävel zu Asche wurde. „Ich habe hier gesessen und geheult wie ein Schlosshund“, erinnert er sich. Eigentlich habe ihn eine Freundin in Hamburg besuchen wollen, er habe den Abend aber mit zwei Flaschen Rotwein verbracht. Er wollte nur noch allein sein.
Verdacht auf Brandstiftung
Die Polizei untersucht noch die Brandursache. Der Verdacht geht in Richtung Brandstiftung. „Ich gehe auch von Brandstiftung aus“, meint Bartels. Er hatte in der Nacht von einigen unabhängigen Quellen erfahren, dass Anwohner Jugendliche auf dem Grundstück gehört hatten. Dann habe es einen Knall gegeben, und jemand habe geschrien „Ach du Scheiße.“ Das Feuer sei in der Nähe des Wassers ausgebrochen. Bartels: „Die Zeichen deuten stark darauf hin.“
Vor fünf Jahren hatte der vorherige Besitzer Ulrich Gustävel Axel Bartels zum ersten Mal mit in die Werft genommen. „So wie ich einen Fuß hier reingesetzt habe, war ich ergriffen von dem Charme“, erinnert sich Bartels. Er habe dann seine Freizeit in der Werft verbracht und dem alten Herrn Gustävel unter die Arme gegriffen. Dabei habe er viel von dem erfahrenen Bootsbauer gelernt.
Boote waren auch ein Stück Familientradition
Viele der Boote, die in der Werft lagen, waren noch in der alten Steidle Werft gebaut worden, die eine der Hallen nutzte, bevor Gustävel sie Ende der 60er-Jahre mit einer zweiten übernahm. Unter den zwölf Booten, die Bartels besaß, war auch ein 100 Jahre altes Modell, das der Tischler in mühevoller Arbeit restauriert hatte. Auch die übrigen Bootsbesitzer nutzten die Werkstatt mit dem Maschinenpark für Restaurationen.
Einer von ihnen ist Thomas Gaerte. Wie fast 300 weitere Bootsfreunde hatte er Plätze in der Werft angemietet. „Es ist schwer, sich die Bilder anzugucken. Da war viel Herzblut dabei“, sagt der 63-Jährige. Seine Boote waren ein Stück Familientradition. „Man kriegt das nicht wieder, das ist Fakt“, sagt er seufzend.
Traurige Suche in der Asche
Zu Thomas Gaerte gesellen sich zwei weitere Bootsbesitzer. Jan Dahncke und Arnim Sell blicken fassungslos auf die Ruine. Gemeinsam mit Bartels betreten sie das Gelände. Schweren Schrittes nähert sich Bartels seiner ehemaligen Werkstatt: „Da habe ich mich am wohlsten gefühlt“, sagt er. Vor der Werkstatt auf dem Hof liegt das fast unversehrte Fahrrad von Arnim Sell.
Großfeuer in Winterhude: Mehrere Bootsschuppen brennen
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In der Haupthalle oder dem, was davon übrig ist, suchen die Bootsfreunde nach Habseligkeiten. Thomas Gaerte findet in der Asche sein geliebtes HSV-Feuerzeug. Arnim Sell stochert mit seinem Regenschirm an einem verglimmten Bootsspant herum. „Mach das Boot nicht kaputt“, ruft Gaerte hinter ihm. Den Humor haben sie nicht verloren.
Einige Mieter wollen Boote so schnell wie möglich ersetzen
Nicht alle Bootsbesitzer gehen mit dem Verlust so entspannt um. Bartels erzählt, er habe schon am Sonnabendmorgen Anrufe von Mietern bekommen, die nach seiner Versicherungsnummer fragten, weil sie ihr Boot ersetzt haben wollen. Die meisten hätten aber verstanden, dass neben ihren Kanus auch seine Existenz abgebrannt sei, meint Bartels. Wieder andere hatten von dem Brand nichts gewusst. Am Sonnabend war ein Bootsbesitzer ahnungslos vorgefahren, um hier festzustellen, dass es die Werft samt seinem Boot nicht mehr gab.
Mehrere Mieter sind entschlossen ihre Boote so schnell wie möglich zu ersetzen. Thomas Gaerte möchte am Donnerstag bereits zwei neu erworbene Kanus aus Berlin abholen. „Es gibt auch einige, die sich das gar nicht mehr leisten können“, sagt er. Die historischen Kanus seien oftmals seit Jahrzehnten in Familienbesitz, und eine Neuanschaffung sei einfach zu teuer. Zumal es auf dem Markt durch einen solchen Brand einen Engpass an guten Holzkanus gebe, und der Preis steige dadurch noch mehr.
Bartels möchte eine neue Werft bauen
Auch Bartels möchte einen Neuanfang. Für den 52-Jährigen steht fest, dass er, wenn er die Folgen finanziell überlebt, eine neue Werft bauen will. Jedem Bootsbesitzer wolle er wieder einen Platz in der Halle ermöglichen. Dabei möchte er dem Gelände aber wieder einen individuellen Charakter geben. „Das ist ein Anachronismus gewesen“, meint Bartels. Man könne die ganze Anlage mit ihren Macken nicht einfach ersetzen oder nachahmen. „Man sollte das auch gar nicht versuchen“, findet er. „Es muss jetzt etwas anderes Einmaliges her.“
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Jedoch könnte der Brand für Bartels den Ruin bedeuten. Bis zu einer gewissen Summe sei das Gebäude versichert, aber nicht die alten Maschinen in der Werkstatt. Er werde jetzt mit der Versicherung den Schaden aufnehmen. Einnahmen hat er zurzeit auch nicht. „Ich brauche eine finanzielle Überbrückung“, sagt Bartels. Einige Freunde bereiten eine Spendenaktion für den Werftinhaber vor. Sie soll nächste Woche starten.