Hamburg. Es gab diverse Beschwerden über die Einrichtung für Obdachlose an der Kollaustraße. So reagierte die Sozialbehörde.
Betrunkene, Erbrochenes und Müll auf den Gehwegen, Pöbeleien in der Nachbarschaft und benutzte Spritzen im Park? In Lokstedt gibt es Ärger um die Notunterkunft für Obdachlose an der Kollaustraße. Anwohner klagen über Belästigungen und den Zustand im Von-Eicken-Park und der Grünanlage zwischen Grelckstraße und Feldhoopstücken – Betrunkene sollen die Bänke belagern, spielende Kinder benutzte Spritzen gefunden haben. Das geht aus einer Großen Anfrage der Eimsbütteler FDP-Bezirksfraktion hervor.
Genervte Bürger hatten sich an die Bezirkspolitik gewandt und dieser ihr Leid geklagt. So sollen besonders in den Abendstunden betrunkene Bewohner der Notunterkunft in den Nachbarstraßen – insbesondere an der Grelck- und Kollaustrasse, am Nedderfeld und Feldhoopstücken – gesichtet worden sein, die an Hecken und auf Privatgrundstücke urinieren, Passanten anpöbeln und versuchen sollen, Einbrüche in Häusern zu begehen.
Kollaustraße: Anwohner klagen über betrunkene Obdachlose
Die betrunkenen Bewohner sollen demnach auch in Gruppen Gehwege belagern, vor allem in Höhe der Mc-Donalds-Filiale, der Busstation Nedderfeld sowie in Parkanlagen, und dort ihren Müll wie etwa leere Flaschen hinterlassen. "Wenn man kurz vor Öffnung an der Notunterkunft vorbei gehen muss, wird man mitunter angesprochen und belästigt, ohne dass die im Innengelände tätige Security einschreitet", heißt es in der Drucksache weiter.
Nach einer Kleinen Anfrage hatten die Eimsbütteler FDP-Politiker nun eine Große Anfrage gestellt, die die von Melanie Leonhard (SPD) geführte Sozialbehörde beantwortet hat. Demnach sind der Sozialbehörde bislang circa 20 Beschwerden bekannt, die sich auf die Notunterkunft an der Kollaustraße beziehen – diese hat täglich von 17 bis 9.30 Uhr am Folgetag geöffnet und war bis Ende 2018 eine Flüchtlingsunterkunft.
Probleme rund um Notunterkunft in Lokstedt – Behörde reagiert
Die Beschwerden wurden "teilweise von mehreren Personen, insbesondere Eheleuten, unterzeichnet", heißt es in der Antwort der Behörde. Wiederholte Schreiben einzelner Anwohner würden dabei als eine Beschwerde gezählt. "Davon wurden circa 15 E-Mails bzw. Briefe direkt an die Sozialbehörde gesandt, einschließlich einer Unterschriftensammlung von Anwohnerinnen und Anwohnern der direkt angrenzenden Stapelstraße", teilt die Sozialbehörde in der Drucksache mit.
Und diese ist bereits tätig geworden, um die Situation vor Ort zu verbessern. Nach eigenen Angaben hat die Sozialbehörde zusammen mit "Fördern und wohnen" – das städtische Unternehmen betreibt die Notunterkunft – und in Abstimmung mit dem zuständigen Polizeikommissariat folgende Maßnahmen ergriffen:
- Zwei zusätzliche Sicherheitsmitarbeiter, die auch im Außenbereich der Einrichtung „Streife laufen“
- Zusammenarbeit mit der Polizei wurde intensiviert. Dazu gehören auch Sachstandsberichte zu besonderen Vorkommnissen in und um die Einrichtung sowie Verständigungen zu möglichen Maßnahmen
- Einzelne, Unruhe stiftende Personen werden an andere Notunterbringungseinrichtungen des Betreibers verwiesen
- Anfang Juli 2020 sind die Öffnungszeiten wieder verkürzt worden (17 Uhr bis 9.30). Das hat laut Behörde dazu beigetragen, dass außerhalb der Öffnungszeiten die Nutzer den Standort "tendenziell wieder eher verlassen"
- In Aufnahme- und Beratungsgesprächen wird noch stärker darauf geachtet, den Nutzern die Regeln in der Umgebung der Einrichtung zu verdeutlichen
- Um Müllproblemen entgegenzuwirken, wurde die Stadtreinigung zwischenzeitlich beauftragt, die Reinigungsintervalle zu erhöhen
- Unabhängig von der Stadtreinigung begeht der Technische Dienst – ähnlich wie der Sicherheitsdienst – regelmäßig die Umgebung und sammelt Müll ein
Notunterkunft: Sozialbehörde verweist auf "klare Verbesserungen"
Zudem plant die Sozialbehörde weitere Maßnahmen und nennt "die ergänzende Aufstellung von mobilen Toiletten" als Beispiel. Es gebe "intensive Gespräche" mit "Fördern und wohnen", dem Bezirksamt Eimsbüttel und der Polizei, heißt es in der Drucksache. Auch Vor-Ort-Begehungen, Gespräche mit dem Stadtteilpolizisten, Anwohnern und ansässigen Gewerbetreibenden wurden bereits durchgeführt. Und offenbar zeigen die Maßnahmen der Behörde erste Erfolge.
"Die bisherigen Gespräche sowie Reaktionen aus der Anwohnerschaft lassen den Schluss zu, dass in wesentlichen Bereichen klare Verbesserungen erzielt werden konnten", heißt es in der Antwort auf die Große Anfrage der FDP. Die Sozialbehörde weist darüber hinaus darauf hin, dass nicht alle Störungen und Auffälligkeiten im Umfeld der Notunterkunft an der Kollaustraße – etwa Lärm in größeren Gruppen, Müll von Schnellrestaurants – im Zusammenhang mit den Obdachlosen stehen.
FDP will Notunterkunft für Obdachlose weiterhin kritisch beobachten
Insgesamt habe die Sozialbehörde den Eindruck gewonnen, dass sich die Einrichtung, in der Platz für 250 Menschen ist, trotz der Corona-bedingten Nutzungsfortführung über den Sommer und der damit verbundenen erhöhten Präsenz der Nutzer vor Ort weitgehend störungsfrei in den Stadtteil integriert hat. Der überwiegende Teil der Störungen spiele sich direkt im unmittelbar angrenzenden Bereich der Stapelstraße ab. Eine Schließung der Notunterkunft sei aktuell nicht geplant, so die Sozialbehörde.
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Die FDP-Fraktion Eimsbüttel begrüßt, dass sich die Akzeptanz für die Notunterkunft durch Gespräche mit Anwohnern und einzelne Maßnahmen erhöht hat. Dennoch wollen die Bezirkspolitiker die Situation vor Ort weiterhin kritisch beobachten. "Denn Anwohner haben leider auch die Erfahrung gemacht, dass der Betreiber Kontaktanfragen nicht beantwortet hat, weshalb das Konfliktpotenzial weiterhin hoch ist", sagt Benjamin Schwanke, Vorsitzender der FDP-Fraktion Eimsbüttel.
Lokstedt: Bezirkspolitiker plädiert für Alkohol- oder Drogenberatung
Eine Notunterkunft für Obdachlose sei notwendig, räumt Schwanke ein. "Sie darf aber nicht dazu führen, dass die Lebensqualität vor Ort leidet, und benötigt die Akzeptanz in der Nachbarschaft.“ Nach Ansicht des FDP-Mannes wäre es sinnvoll, wenn seitens des Betreiber eine Alkohol- oder Drogenberatung angeboten und ein Runder Tisch eingerichtet würde.
"Die beste Möglichkeit für Obdachlose ist allerdings eine feste eigene Unterkunft, auch in einer kleinen Wohngemeinschaft, wie es jetzt eine Privatinitiative in Hamburg anbietet", sagt Schwanke. Diese Hilfe zur Selbsthilfe müsse erste Priorität bekommen.
Die Einrichtung an der Kollaustraße wurde ursprünglich als Flüchtlingsunterkunft betrieben, bevor sie zu einer Notunterkunft für Obdachlose in den Wintermonaten (zwischen November und März) wurde. Dort können Menschen, die in Hamburg auf der Straße leben, ohne Anmeldung und kostenlos ein warmes Bett und Mahlzeiten bekommen.
Das sogenannte Notunterbringungs- und Versorgungsprogramm ist eine Verlängerung des Winternotprogramms und dient dem Schutz obdachloser Menschen während der Corona-Pandemie.
Das Coronavirus in Deutschland und weltweit:
"Trotz geringerer Infektionsraten ist eine Infektionsgefahr durch das Coronavirus aktuell weiterhin gegeben", heißt es vonseiten der Sozialbehörde. Durch die fortgeführten Schutzmaßnahmen könnten Hygiene und Versorgung für obdachlose Menschen gewährleistet werden. "Allerdings besteht die Notwendigkeit von verlängerten Öffnungszeiten nicht mehr in dem Umfang wie zu Beginn der Covid-19-Pandemie."