Eimsbüttel. Verkehrssenator stellt „Pop-up-Bikelane“ am Schlump vor. Testlauf dauert mindestens ein Jahr. Weitere Fahrradspuren folgen.

Zumindest in diesem Punkt ist der Koalitionsvertrag jetzt umgesetzt: Am Sonntagvormittag wurde Hamburgs erste provisorische Radfahrerstraße eingeweiht – und von Verkehrssenator Anjes Tjarks öffentlichkeitswirksam befahren. Für zunächst zwölf Monate ist je Richtung eine Spur der Straße Am Schlump exklusiv für Zweiräder reserviert.

Was Politikstrategen als „Pop-up-Bikelane“ bezeichnen, kann man einfach so übersetzen: provisorisch genutzter Fahrradstreifen. Oder: Den Autos wird eine Spur genommen.

Pop-up-Bikelane: Umwidmung kostet 60.000 Euro

Die Umwidmung dauerte zwei Tage und kostete, Sonntagszuschläge und reichlich gelbe Leuchtfarbe inbegriffen, 60.000 Euro. Signalwirkung: unbezahlbar. Bis Ende kommenden Jahres sollen drei weitere offizielle „Bikelanes“ folgen. Der Mobilitätswende auf der Spur. „Es ist ein guter Tag“, befand Senator Tjarks (Grüne). „Auf dem Weg Richtung Fahrradstadt robben wir uns Stück um Stück voran.“

Konkret heißt das: Nach der je Fahrtrichtung 550 Meter langen Radspur Beim Schlump soll im Herbst eine Strecke auf der Max-Brauer-Allee zwischen Stresemann- und Holstenstraße folgen. Vom Frühjahr kommenden Jahres an sind weitere temporäre Passagen an der Hallerstraße sowie in der HafenCity am Sandtorkai/Brooktorkai geplant.

Corona hat Individualverkehr mit Abstand beschleunigt

Ob eine Geheimliste mit weiteren Projekten existiert, war nicht zu erfahren. In Berlin und anderen europäischen Großstädten gibt es solche Fahrbahnen bereits. Corona hat diese Art des Individualverkehrs mit Abstand beschleunigt.

„Ich komme auf der Ecke hier täglich mit meinem Rad lang und nehme lieber einen Umweg in Kauf“, sagte Eimsbüttels Grünenchef und frühere Justizsenator Till Steffen. An diesem Montag kann er sich den Umweg sparen.

Eine Premiere mit staatlichem Segen

Apropos Umwege. Damit der Kompetenzdschungel diverser Behörden und Ämter bei der Umsetzung nicht bremst, ist Kirsten Pfaue im Einsatz – und mit ihrem Radl zur Stelle. Die Juristin mit den Spezialgebieten „Streitschlichtung und Konfliktlösung“, wie es offiziell heißt, kommt als Koordinatorin der vom Senat angestrebten Mobilitätswende wegweisende Bedeutung zu. Zum Wohlgefallen der Kamerateams fuhren Kirsten Pfaue und Anjes Tjarks Seite an Seite ein Stück auf der Fahrradspur zwischen Gustav-Falke-Straße und Bogenstraße.

Diese Premiere mit staatlichem Segen unterscheidet sich von mehreren, teilweise nach Sponti-Art initiierten „Pop-up-Bikelanes“ in der Vergangenheit. Diese Aktionen mit Demonstrationscharakter waren für ein paar Stunden von Anwohnern und Interessensverbänden organisiert worden. Entsprechend erfreut reagierte der Fahrrad-Club ADFC auf die aktuelle Entwicklung.

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„Wir fordern das schon lange“, sagte Dirk Lau im Namen des in Hamburg 8000 Mitglieder umfassenden Vereins, „und finden es toll, dass endlich ein Anfang gemacht wird.“ Dass der Autoverkehr zurückgedrängt wird, sei prinzipiell richtig: „Das wäre gut für die gesamte Verkehrssituation in Hamburg.“ Wer am Sonnabend mit seinem Pkw durch die nur in eine Richtung geöffnete Straße Beim Schlump wollte, sah das vielleicht anders: Zwischen Grindelallee und Schröderstiftstraße herrschte Stau.

„Eine Kombination aus Sicherheit und Komfort“

Das dort besonders nervige Tohuwabohu zwischen Autofahrern, Fahrrädern und Falschparkern soll nunmehr ein Ende haben. „In Spitzenzeiten wurden hier 682 Autos pro Stunde gezählt“, weiß Kirsten Pfaue. Pro Tag summierte sich der Verkehr auf bis zu 3000 Rad- und 6800 Autofahrer. Zwei Buslinien und umfangreiche Bauarbeiten am „Haus der Erde“ der Universität kommen hinzu. Wer dort entlangfuhr, erlebte oft knifflige, gefährliche Situationen. Eben auch, weil es keinen Radweg gab.

Das zumindest ist ab sofort passé: Mit bis zu 3,20 Metern Abstand steht den Zweirädern der breiteste Radverkehrsweg der Hansestadt zur Verfügung. Bisher war der umgebaute Ballindamm mit 2,75 Metern Breite in dieser Beziehung die Nummer eins. „Pop-up-Bikelanes bringen Radfahrern ein hohes Maß an zusätzlicher Sicherheit“, sagte Anjes Tjarks.

Die „Kombination aus Sicherheit und Komfort“ werde die Attraktivität des Radverkehrs weiter steigern. Koordinatorin Kirsten Pfaue ergänzte: „Diese Maßnahme wird den Bedürfnissen vieler Menschen gerecht und zahlt direkt auf die Lebensqualität in der Stadt ein.“

Am Schlumps wird im Spätsommer 2021 Bilanz gezogen

Auf kleinen und großen Dienstwegen konnte sie binnen neun Wochen Interessen und Meinungen von zehn Behörden und Ämtern auf einen Nenner bringen. Diplomatie gehört dazu. Am Schlump soll im Spätsommer 2021 Bilanz gezogen werden. Es besteht eine einjährige Option, den Modellversuch fortzuführen. Von 2023 an, das ist beschlossene Sache, soll aus der provisorischen eine richtig gebaute Fahrradspur entstehen. Die Kosten werden ein Vielfaches der jetzt investierten 60.000 Euro betragen.

Jedenfalls war Senator Tjarks nach der Einweihung um eine Erfahrung reicher. Werner Peters aus Hummelsbüttel, nach 20 Jahren im Job in Sachen Fahrbahnmarkierung ein Profi, zeigte dem Politiker, wie man mithilfe einer Scha­blone Fahrradsymbole auf die Straße sprüht. „Wenn das immer so schnell gehen würde mit der Fahrradstadt“, sagte Tjarks beeindruckt. Und meinte augenzwinkernd: „Irgendwann sollte man das auch mit grüner Farbe machen.“