Hamburg. So unterstützt das Land Hamburg Firmen, Solo-Selbstständige oder Künstler. Senatoren üben Kritik an Bund. So geht es weiter.
Wie es mit Hamburg, der Kultur und der Wirtschaft in Corona-Zeiten weitergeht – wer hätte sich zu Beginn der Pandemie-Krise im März schon ein Urteil erlaubt? Ein halbes Jahr später scheint die Zeit für eine Bilanz aber reif zu sein. Am Freitag sprachen die Senatoren Dressel, Westhagemann und Brosda im FC St. Pauli Museum darüber, wie und in welchem Umfang die städtischen Hilfsangebote bislang angenommen worden sind.
Corona-Krise: Hamburgs Senatoren ziehen Bilanz
Der Ort passte zum Anlass: Wie Tausende andere Hamburger Unternehmen und Betriebe hatte auch das Fußball-Museum neben dem Millerntor städtische Krisenhilfe beantragt.
Zuallererst: In Hamburg ist man stolz. Stolz auf das bisher Geleistete. Mehrere Bundesländer hätten sich die spezielle „Art der Hamburger Kreativität“ beim Navigieren durch die Krise zum Vorbild genommen, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). Schwerer noch als der politische Esprit, den die Stadt für sich reklamiert, wiegt jedoch die schiere Wucht der Maßnahmen.
4,5 Milliarden Euro Corona-Hilfen für Hamburg
Bisher sind Hilfen in einem Gesamtvolumen von 4,5 Milliarden Euro in Hamburg auf den Weg gebracht worden. Damit nicht genug. „Im Herbst werden unsere Hilfen alles in allem die fünf Milliarden Euro überschreiten“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD).
Allein die steuerlichen Hilfen haben daran einen Anteil von 3,85 Milliarden Euro. Betroffene Steuerpflichtige profitieren dabei in erheblichem Maße von herabgesetzten Vorauszahlungen und Stundungen. Hinzu kommt die Ende Mai ausgelaufene Corona-Soforthilfe, bisher schwerpunktmäßig von Solo-Selbstständigen (68 Prozent) in Anspruch genommen.
519,7 Millionen Euro an Corona-Soforthilfen gezahlt
Bis Ende August sind 55.471 Anträge positiv beschieden und 519,7 Millionen Euro (311,3 Mio. Bund; 208,4 Mio. Land) ausgezahlt worden. Nepp gab es hier verhältnismäßig selten, 135 Anzeigen gingen beim Landeskriminalamt ein. Wie hoch die Schadenssumme ist, konnte Dressel auf Abendblatt-Nachfrage nicht beantworten.
Von Zuständen wie in Nordrhein-Westfalen, wo der geschätzte Schaden durch Betrüger bei bis zu 50 Millionen Euro liegen soll, sei in Hamburg jedenfalls nicht auszugehen. Und in den meisten Fällen sei es wohl beim Versuch geblieben.
Überbrückungshilfe des Bundes nicht ausgeschöpft
An die Soforthilfe schließt sich die bis Jahresende verlängerte Überbrückungshilfe des Bundes an – aus Sicht des Senatoren-Trios in der jetzigen Form eine Art zahnloser Tiger. Bisher seien lediglich 2000 Anträge in Hamburg mit einem Volumen von rund 38 Millionen Euro gestellt worden – dabei beträgt das Gesamtfördervolumen 25 Milliarden Euro. „Wir sehen noch erheblich Luft nach oben“, sagte Dressel.
Die Zurückhaltung mag mit den Modalitäten der Antragstellung (mit Steuerberater, neuerdings auch mit Rechtsanwalt) und den hohen Zugangsvoraussetzungen zusammenhängen. Beides steht bei Dressel und Westhagemann in der Kritik: So müssen die Antragsteller nachweisen, dass ihr kumulierter Umsatz in den Monaten April und Mai dieses Jahr 60 Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums liegt.
Westhagemann kritisiert Hürden für Antragssteller
Derart drastische Einbrüche hätten nicht alle Unternehmen oder Betriebe hinnehmen müssen, trotzdem seien manche in heftige Turbulenzen geraten, sagte Westhagemann. Er hoffe, dass der Bund hier nachbessere und die Hilfe auch dann bewillige, wenn die Einbußen etwa nur bei 30 oder 40 Prozent liegen.
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Mit dem Bund hadern die Senatoren auch in anderen Bereichen. Zwar profitiere Hamburg von einmaligen Entlastungen durch den Bund, etwa beim Gewerbesteuerausgleich in Höhe von rund 200 Millionen Euro. Doch Mehrbelastungen wie das neue Familienentlastungsgesetz, das von Hamburg in Millionenhöhe mitzufinanzieren sei, fräßen die Bundesmittel zu einem großen Teil wieder auf, sagte Dressel und gab sich entschlossen: „Das werden die Länder und Gemeinden nicht mitmachen.“
Dressel: „Wir werden keine Zombie-Firmen durchfüttern"
Hamburg setze sich zudem für eine Verstetigung dieser Entlastungen ein. Beim ÖPNV sei dies der Stadt bereits gelungen. So werde auf Hamburger Initiative der bislang nur für 2020 veranschlagte Rettungsschirm für den öffentlichen Nahverkehr (51 Millionen Euro) verstetigt. Auf Nachfrage sagte Dressel auch, dass die verlängerte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht dazu führen werde, dass marode Unternehmen praktisch künstlich beatmet werden. „Wir werden keine Zombie-Firmen durchfüttern“, so Dressel.
Zudem verwiesen die Senatoren auf die städtische Gebührenhilfe. Es ist zwar nach wie vor unklar, ob Großveranstaltungen wie der Winterdom stattfinden können. Aber Schausteller dürfen auf städtischen Flächen ihre Buden nun immerhin wieder aufbauen. Die Gebühren werden ihnen erlassen, die geschätzte Mindereinnahme der Stadt liegt bei rund einer Million Euro.
Knapp 1000 Anträge für zinslose Mietstundungen genehmigt
Dressel wünscht sich hier eine pekuniäre Solidarität der Hamburger. Was er meint: Einfach mal beim Schausteller ’ne Wurst kaufen. Auch die Mieter städtischer Immobilien profitieren: Bislang seien 959 Anträge über zinslose Mietstundungen im Gesamtvolumen von 30,5 Millionen Euro gewährt worden; „im Einzelfall“ seien auch Mietanpassungen für 2020 möglich. Aus dem 300-Millionen-Euro-Kreditprogramm der Hamburger IFB sind bisher mehr als zehn Millionen Euro abgerufen worden.
Ganz massiv hat die Krise der Kultur geschadet. 10.600 Solo-Selbstständige aus diesem Sektor haben bereits 2500 Euro auf Antrag erhalten. Zusätzlich 2000 Euro bringt ihnen die bis Ende des Jahres verlängerte Neustartprämie, bisher ausgezahlt: 10,7 Millionen Euro (5500 Anträge).
Brosda empfiehlt Betroffenen die Grundsicherung
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) empfiehlt den Betroffenen, zusätzlich vom Instrument der Grundsicherung Gebrauch zu machen. Aus dem 35-Millionen-Euro-Hilfspaket für die Kultur seien bereits 14 Millionen Euro geflossen. Helfen wolle man auch der arg gebeutelten Filmbranche. Zumal bei coronabedingt abgebrochenen Dreharbeiten keine Versicherung einspringe.
Mit dem Stabilisierungsfonds für mittelständische Unternehmen – in diesem Zusammenhang will die Stadt ab November auch mehr stille Beteiligungen erwerben – und einem Bonus für Betriebe, die in Digitalisierung investieren, will der Senat weitere Corona-Maßnahmen auf den Weg bringen.
Manchmal hilft es auch, nur ein wenig an den Stellschrauben zu drehen. So rechnet der Senat durch die für Anfang 2021 geplante Reform der Einfuhrumsatzsteuer mit einem „Liquiditätseffekt“ von rund fünf Milliarden Euro zugunsten von Hafen- und Logistikunternehmen.