Hamburg. Senat begründet das finanzielle Engagement mit der Sicherung von Arbeitsplätzen. Die CDU reagiert mit Unverständnis.

Für knapp 800 Beschäftigte in der Hansestadt bedeutet es die vorläufige Rettung ihrer Arbeitsplätze, für die Steuerzahler in der Stadt ist es ein Millionen-Risiko: Hamburg beteiligt sich mit einer Landesbürgschaft in Höhe von 37,6 Millionen Euro an der Rettung des kriselnden Modekonzerns Tom Tailor. Das gab Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter bekannt. Am Vorabend hatte die Zentrale des Unternehmens mit Sitz am Garstedter Weg in Niendorf die Mitteilung verbreitet, die Finanzierung der Marke Tom Tailor sei auf Jahre hinaus gesichert. „Wir können und werden das operative Geschäft weiterführen“, sagte Vorstandschef Gernot Lenz dem Abendblatt am Dienstag.

Die Landesbürgschaft ist Teil eines umfangreichen Finanzierungspakets. Neben Hamburg gaben laut Tom Tailor auch der Bund und Nordrhein-Westfalen Bürgschaftszusagen. Die öffentliche Hand sichert die Kredite des Unternehmens bis zum September 2024 mit insgesamt 100 Millionen Euro ab. Die Banken hätten sich bereit erklärt, ebenfalls bis Herbst 2024 die Kreditlinien über 335 Millionen Euro zu strecken, hieß es. Zudem werde der chinesische Mehrheitsaktionär einen 28,5-Millionen-Euro-Kredit für die Tom Tailor GmbH bis Ende 2024 verlängern. Der Fosun-Konzern hält seit dem vergangenen Jahr mehr als 75 Prozent der Tom-Tailor-Aktien.

Begrenzung der Managergehälter

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) begründeten die Landesbürgschaft mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen in der Stadt. „Mit der Vergabe einer Landesbürgschaft ist unter anderem die Absicht verbunden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Zukunftsperspektive zu bieten“, erklärte Westhagemann. Dressel betonte: „Das ist eine sehr wichtige Entscheidung auch und gerade für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in Hamburg. Bei der Entscheidungsfindung war uns die Beschäftigungssicherung wichtig.“ Zudem habe „die Begrenzung bei den Managergehältern“ eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung gespielt. Eine Tom-Tailor-Sprecherin erklärte auf Anfrage: „Das Management der Tom Tailor GmbH verzichtet über die gesamte Laufzeit der Bürgschaft auf einen signifikanten Teil ihrer Vergütung.“

Genauer wollte die Wirtschaftsbehörde sich zu der Bürgschaftszusage nicht äußern. Zu Details aus den Sitzungen der Kreditkommission äußere sich der Senat grundsätzlich nicht, erklärte eine Behördensprecherin – und verwies auf die Leitlinien für die Kommission. Darin heißt es, es würden insbesondere Vorhaben unterstützt, die „das Arbeitsplatzangebot in Hamburg dauerhaft erhöhen oder zumindest sichern“.

Verantwortung des Staates für die Wirtschaft in Zeiten von Corona

In der Hansestadt geht es um knapp 800 der 3400 Arbeitsplätze bei Tom Tailor. Die Zentrale in Niendorf hat 600 Beschäftigte. Hinzu kommen die Mitarbeiter in den 13 Filialen in Hamburg und dem Umland. Laut Finanzsenator Dressel sind es 778 Beschäftigte in Hamburg. Für jeden von ihnen bürgt die Stadt demnach mit 48.329 Euro.

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Bei den Oppositionsparteien in der Bürgerschaft trifft die Entscheidung auf ein geteiltes Echo: „Der Fall Tom Tailor wirft die Frage auf: Wo beginnt und wo endet die Verantwortung des Staates für die Wirtschaft in Zeiten von Corona?“, sagte Götz Wiese, der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Unterstützung dürfe nur dort gewährt werden, wo Auslöser und Ursache die unvorhersehbare Pandemie sei. Tom Tailor dagegen sei bereits seit Jahren in der Krise. Wiese betonte: „Liegt der Geschäftseinbruch nicht an Corona, sind die Gesellschafter und Banken gefragt. Der Staat muss sich dann zurückhalten – auch wenn das die Restrukturierung, einen Kapitalschnitt oder gar die Insolvenz des Unternehmens bedeutet.“ Norbert Hackbusch, Abgeordneter der Linksfraktion in der Bürgerschaft, unterstützte dagegen die Entscheidung: „Im Rahmen der Bürgschaft gibt es die Zusage, die Arbeitsplätze bei Tom Tailor zu erhalten. Das betrifft besonders die in der Firmenzentrale in Hamburg. Diese wären bei einer Verweigerung der Bürgschaft sofort verloren gegangen.“

Bonita war ein gigantisches Verlustgeschäft

Für einen anderen wichtigen Teil des Hamburger Modekonzerns jedoch gibt es keine Finanzhilfe. Die Bonita GmbH stellte beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, der am Dienstag genehmigt wurde. Das Gericht setzte unter anderem die Hamburger Rechtsanwälte und Sanierungsexperten Thorsten Bieg und Gerrit Hölzle als Sanierungsgeschäftsführer ein.

„Die Trennung von Tom Tailor und Bonita wird durch die aktuellen Verfahren beschleunigt“, sagte Finanzvorstand Christian Werner dem Abendblatt. Die Hamburger Modemacher hatten Bonita mit zuletzt etwa 700 Verkaufsstellen im Jahr 2012 für mehr als 200 Millionen Euro übernommen – und machten damit ein gigantisches Verlustgeschäft. Bonita – spezialisiert auf Damenmode für die Altersgruppe Ü 50 und mit derzeit 16 Filialen in der Region Hamburg präsent – kam nie in die Gewinnzone. Vor einem Jahr hatte der Tom-Tailor-Vorstand einen Verkauf an die niederländische Victory & Dreams International Holding eingefädelt. Doch das Geschäft scheiterte am Widerstand der Banken.

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Die Marke Tom Tailor dagegen hielt sich besser in der Branchenkrise. Auch mithilfe des Hamburger Topmodels Toni Garrn, das im vergangenen Jahr zwei Kollektionen für die Marke mitgestaltet hatte, konnte der Umsatz 2019 sogar minimal auf 620,3 Millionen Euro gesteigert werden. Wegen der Corona-Krise wird das in diesem Jahr ganz anders aussehen. Vorstandschef Gernot Lenz: „Wir erwarten in diesem Jahr coronabedingt einen Umsatzrückgang für die Marke Tom Tailor von 25 bis 30 Prozent.“

Bürgermeister und Senat über den Corona-Stand in Hamburg:

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