Hamburg. Zusammen mit der Stadt geht Vattenfall gegen Urteil von 2013 vor. BUND sieht den Fischbestand gefährdet.

Es ist ein Streit, der das Kohlekraftwerk Moorburg seit seiner Genehmigung 2008 begleitet: die Frage, ob und wie Betreiber Vattenfall Elbwasser zur Kühlung der Anlage nutzen und so womöglich der Natur schaden darf. Nun wird diese Frage wieder zwischen dem Naturschutzverband BUND auf der einen und der Stadt und Vattenfall auf der anderen Seite vor Gericht verhandelt. Für den 1. September hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg die Beteiligten zur Verhandlung gebeten.

Dass die grün geführte Umweltbehörde nun aufseiten Vattenfalls vor Gericht dafür kämpft, dass trotz möglicher Schädigung der Natur doch Wasser zur Kühlung aus dem Fluss entnommen werden darf, mutet zunächst skurril an – zumal SPD und Grüne ohnedies planen, das Kraftwerk zunächst auf Gasbetrieb umzustellen, einen Teil in eine Produktionsstätte für grünen Wasserstoff umzurüsten und die Kohleverfeuerung bis 2025 dort einzustellen. Die gerichtliche Konstellation ergibt sich allerdings aus der facettenreichen Vorgeschichte.

Thema spielte schon bei der Genehmigung des Kraftwerks eine Rolle

Das Thema spielte schon bei der Genehmigung des Kraftwerks durch die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk im Jahr 2008 eine Rolle. Die Idee, die wasserrechtliche Erlaubnis zu versagen und das Kraftwerk wie im Wahlkampf versprochen zu verhindern, hatten die Grünen nach einem gerichtlichen Hinweisbeschluss verworfen. Sie sahen sich verpflichtet, das Megakohlekraftwerk gegen ihren Willen zu genehmigen.

Der BUND erstritt dann allerdings 2013 ein Urteil vor dem OVG, das die Durchlaufkühlung untersagte. Weil Stadt und Vattenfall in Revision vor das Bundesverwaltungsgericht zogen, blieb dies zunächst folgenlos und Vattenfall konnte weiter Elbwasser nutzen. Deswegen erwirkte der BUND parallel ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der 2017 die Durchlaufkühlung mit Blick auf Schäden für den Fischbestand und die Erwärmung des Flusses als Verstoß gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wertete und feststellte: Die wasserrechtliche Erlaubnis für das Kraftwerk hätte so niemals erteilt werden dürfen. Seither darf Vattenfall kein Elbwasser zur Durchlaufkühlung mehr nutzen, sondern muss den Umweg über einen (teuren) Kühlturm nehmen. Weil das Bundesverwaltungsgericht das Thema nach dem EuGH-Urteil an das OVG Hamburg zurückverwiesen hat, wird nun wieder in der Hansestadt verhandelt.

Kraftwerk Moorburg hat 9,1 Milliarden Schwedenkronen an Wert verloren

„Es bleibt völlig unverständlich, dass die Stadt an der Seite von Vattenfall für eine schlechtere wasserrechtliche Regelung kämpft – zumal das Kraftwerk erklärtermaßen bald abgeschaltet werden soll“, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. „Das Rad zurückzudrehen und wieder mit Elbwasser zu kühlen, widerspricht den Anforderungen des Gewässerschutzes und würde die Probleme etwa für den Stint wieder deutlich verstärken.“ Vieles spreche dafür, „dass sich das Kraftwerk aus ökonomischen Gründen von selbst verabschiedet“, so Braasch. Der Senat müsse bald die angekündigten Machbarkeitsstudien zur Umrüstung des Kraftwerks vorlegen.

Manfred Braasch
BUND-Landesgeschäftsführer.
Manfred Braasch BUND-Landesgeschäftsführer. © picture alliance

Tatsächlich hatte Vattenfall kürzlich mitgeteilt, dass das Kraftwerk Moorburg 9,1 Milliarden Schwedenkronen an Wert verloren habe – fast 900 Millionen Euro. Der BUND geht nach Analyse der Geschäftsberichte von einem deutlich höheren Wertverlust aus. Vattenfall habe seit 2013 Wertberichtigungen von insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro vorgenommen, so BUND-Chef Braasch.

Senat hat Machbarkeitsstudie zur Umrüstung ausgeschrieben

So oder so: Die vom grünen Senator Jens Kerstan geführte Umweltbehörde hält mit Vattenfall an dem Verfahren vor dem OVG fest. „Es besteht kein Anlass, unmittelbar vor der Verhandlung tätig zu werden“, so ein Behördensprecher. „Die gerichtliche Klärung ist jetzt abzuwarten. Ein Schaden durch Wasserentnahme kann nicht eintreten, weil Vattenfall kein Wasser entnehmen darf.“ Möglicher Hintergrund: Würde die Stadt die wasserrechtliche Genehmigung nun von sich aus entziehen, könnten Schadenersatzansprüche für Vattenfall daraus entstehen.

Ob die Stadt ihre Pläne zum Umbau zusammen mit Vattenfall umsetzt oder den Schweden das Kraftwerk abkauft, ist noch nicht abschließend geklärt. „Mögliche Optionen beinhalten eine partielle Umstellung auf Biomasse oder Gas sowie einen Elektrolyseur für die Produktion von grünem Wasserstoff“, sagte Vattenfall-Sprecher Stefan Müller. „Eine Veräußerung des Kraftwerks ist ebenfalls eine Option.“ Ein Brennstoffwechsel werde „wirtschaftlich nur mit finanzieller Unterstützung machbar sein“.

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Der Senat hat derweil die Machbarkeitsstudie zur Umrüstung ausgeschrieben. Die Ausschreibung läuft bis 21. August. Die Studie soll bis Ende Juni 2021 vorliegen. „Das Kraftwerk Moorburg ist heute der mit Abstand größte Emittent von Kohlendioxid in Hamburg“, sagt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) dem Abendblatt. Dem Hamburger Hafen komme „als Standort von Strom- und Wärmeerzeugung, Energieverbrauchern und -verteiler eine wichtige Rolle als Startpunkt für innovative CO2-Reduktionskonzepte zu“.