Hamburg. Bei einer Groß-Razzia in Rothenburgsort wurden Hunderte Räder sichergestellt. Dann folgten schwierige Ermittlungen für die Polizei.
Der Fahrraddiebstahl boomt, doch nur 4,1 Prozent der Taten werden aufgeklärt. Und selbst scheinbar spektakuläre Erfolge bringen am Ende nur ganz kleine Ergebnisse. Das zeigt die Großrazzia, bei der die Polizei 2017 an der Billstraße im Hamburger Osten nach langen Ermittlungen mit einem gewaltigen Aufgebot an Beamten rund 1800 mutmaßlich gestohlene Fahrräder sicherstellte.
Die Aktion machte Schlagzeilen. Doch am Ende konnten lediglich sage und schreibe 47 Fahrräder ihren Besitzern zurückgegeben werden – trotz größter Bemühungen der Polizei. Und: Die Hehler bekamen trotz ihrer Verurteilung den allergrößten Teil der damals sichergestellten Fahrräder zurück.
Finanzamt überprüft Geschäfte der Hehler
Denn bei den meisten Rädern konnte kein rechtmäßiger Besitzer gefunden werden – und die Polizei konnte sie nicht lagern. Der Fall zeigt exemplarisch, wie schwierig die Ermittlungen sind. Einziger Trost: Das Finanzamt interessiert sich „brennend“ für die Geschäfte der Hehler und fordert hohe Nachzahlungen.
Die beiden Hauptbeschuldigten sind in diesem Jahr wegen Hehlerei verurteilt worden – einer zu einer Geldstrafe über 140 Tagessätze und einer zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Den Großteil der Fahrräder, die 2017 auf dem Firmengelände sichergestellt wurden, bekamen die beiden Männer zurück, denn bei den meisten Rädern konnte der rechtmäßige Besitzer nicht ermittelt – und somit auch keine Straftat bewiesen – werden.
Fahrräder im Wert von 6,5 Millionen Euro gestohlen
Das ist der Haken an der Sache. Allein im vergangenen Jahr wurden in Hamburg Fahrräder mit einem Zeitwert von rund 6,5 Millionen Euro gestohlen. Doch die Mühe, sie wie Schmuck oder andere Wertgegenstände zu dokumentieren, machen sich nur die wenigsten Fahrradbesitzer. So steht die Polizei immer wieder vor dem gleichen Dilemma: Fahrräder sind offensichtlich gestohlen. Aber sie sind keiner Straftat zuzuordnen.
Gerade der Fall Billstraße zeigt, wie schwierig die Identifizierung der Räder ist. Die Polizei hatte für die sichergestellten Räder eigens zwei Tennishallen in Niendorf angemietet, in denen die Fahrräder auf 5000 Quadratmetern ausgestellt wurden. Dazu waren Fotos von den 1748 Fahrrädern ins Internet gestellt worden. Besitzer hätten sich melden können. Doch am Ende konnten nur 47 Eigentümer ermittelt werden.
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Kaum jemand notiert sich die Rahmennummer
Kaum ein Fahrradbesitzer macht sich die Mühe, die Rahmennummer, die mit der Fahrgestellnummer eines Autos zu vergleichen ist, aufzuschreiben. Die Nummer wird nicht in Kaufverträgen eingetragen. Stattdessen ist dort in der Regel lediglich die Seriennummer festgehalten. Die aber ist, gerade beim Massenprodukt Fahrrad, bei Tausenden, oft Zehntausenden verkauften Rädern gleich. Dass Fahrräder nach der Sicherstellung anhand der Rahmennummer in der sogenannten „Sachfahndung“ der Polizei gefunden werden und deshalb als Beute aus einer Straftat identifiziert werden können, passiere „nur in Einzelfällen“, heißt es bei der Polizei.
Ein Problem ist auch die oft mangelnde Sicherung der Fahrräder. Sie macht es vor allem Gelegenheitsdieben einfach. Ein nicht unerheblicher Teil gerade billigerer Fahrräder, die gestohlen werden, dürften nach Einschätzung der Polizei unter dem Begriff „Beschaffungskriminalität“ fallen. Das bedeutet, dass die Täter mit solchen Diebstählen ihre Drogensucht finanzieren.
Masse an Rädern sprengt Größe der Asservatenkammer
Abnehmer sind vor allem Hehler, die im größeren Stil Fahrräder ankaufen. Die Billstraße, an der zahlreiche Im- und Exportgeschäfte ihren Sitz haben, ist dabei seit Jahren im Fokus der Polizei. Seit 2017 gab es dort bereits drei weitere größere Razzien. Nach dem Großeinsatz 2017 verzichtete die Polizei darauf, sämtliche Fahrräder mitzunehmen.
Denn bei der Masse der damals sichergestellten Fahrräder handelte es sich um sogenannte „Schrotträder“, die zu identifizieren sich kaum ein Besitzer die Mühe macht oder die als „aufgegebenes Eigentum“ eingesammelt und dorthin verkauft worden waren. Diese Masse sprengt die Größe der Asservatenkammer.
Lagerung teuer und nutzlos
Die Polizei müsste Lagerflächen anmieten – für Zehntausende Euro im Monat. Die Lagerung wäre teuer und nutzlos gewesen. Auch im Fundbüro wäre angesichts der schieren Masse nicht genug Platz gewesen. So bekamen die Beschuldigten von der Billstraße die mehr als 1500 nicht identifizierten Fahrräder zurück. Bei späteren Razzien ging die Polizei gezielter vor. So konnten in einem Fall von 30 sichergestellten Fahrrädern 26 einer Straftat zugeordnet werden.
Die Behörden gehen auch auf andere Weise gegen Hehler vor: So läuft im Fall Billstraße noch ein Verfahren, das darauf abzielt, den beiden Männern das Gewerbe zu untersagen. Für Verstöße gegen Umweltauflagen gibt es zudem immer wieder Geldstrafen. Geld ist der Punkt, der die Fahrradhehler am härtesten trifft. Bei den Razzien ist deshalb auch das Finanzamt mit im Boot. Dort wird später hochgerechnet. So flatterte einem Beschuldigten, gegen den das Strafverfahren eingestellt wurde, eine Nachzahlung von über 100.000 Euro ins Haus.