Hamburg. Das Wahrzeichen ist wegen Corona in Schwierigkeiten. Nun wurde der zweite Teil einer besonderen Spendenkampagne gestartet.
Die Kollekte fehlt, die Besucher bleiben fern, Konzerte und Lesungen sind abgesagt: Dass die Corona-Pandemie auch vor einem Wahrzeichen nicht haltmacht, spürt man längst auch in der Hauptkirche St. Michaelis. „Die Lage ist prekär, wir sind in arge Nöte geraten“, sagt Michel-Hauptpastor Alexander Röder.
Besuchten sonst bis zu 3500 Touristen pro Tag Norddeutschlands bekannteste Barockkirche mit ihrem markanten Turm und der Krypta, so waren es zuletzt an Tagen, an denen die Aussichtsplattform geschlossen bleiben musste, gerade einmal drei Gäste.
„Das hat sich immerhin wieder ein bisschen verbessert“, so Pastor Röder. Auf knapp ein Drittel der ursprünglichen Besucherzahl komme man langsam wieder. „Wir zählen wieder 1000 Besucher pro Tag. Das hilft – aber es rettet uns nicht.“
Hamburger Michel ist auf Tourismus und Konzerte angewiesen
Einnahmen aus der Kirchensteuer finanzierten nur 15 Prozent des jährlichen Michel-Budgets von 2,5 Millionen Euro. 85 Prozent der Ausgaben müssten folglich durch Tourismus, Konzerte und Vermietung aufgebracht werden. „Und da sehen wir die Not, die noch vor uns liegt“, so Pastor Alexander Röder in Anspielung auf die Advents- und Weihnachtszeit.
Da sei die Kirche nämlich in den Vorjahren fast jeden Abend gebucht gewesen – von Firmen, die sich mit ihrer Belegschaft in feierlicher Atmosphäre, „so zwischen Gottesdienst und stillem Beisammensein“, auf das Fest einstimmen wollten. „Das fällt in diesem Jahr natürlich alles weg“, so Röder.
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Spenden von 50.000 Euro pro Monat werden benötigt
50.000 Euro müssten daher derzeit jeden Monat aus Spenden aufgebracht werden, um den Michel an 365 Tagen des Jahres offenzuhalten und die beliebten kostenfreien Angebote fortzuführen. Dazu zählt die Kirchenmusik während der täglichen Mittagsandachten, in Gottesdiensten in der Kirche und online. Das allein schlägt mit 360.000 Euro zu Buche.
400.000 Euro werden für den Erhalt des Baus, für die Instandhaltung von Orgeln und Glocken benötigt. Und der tägliche Choral des Michel-Türmers, morgens und abends bei Wind und Wetter gespielt, wird mit 22.000 Euro aus Michel-Mitteln finanziert. Über den „Michel-Groschen“, der einen Wert von 36,50 Euro (ein Groschen für jeden Jahrestag) hat, habe man schon gut 100.000 Euro eingenommen. „Das ist großartig, trägt für zwei Monate“, sagt Alexander Röder. „Das war ein guter Sprint. Aber wir befinden uns leider im Dauerlauf.“
Paten für Michel-Rettungsringe gesucht
Und da reicht, auch metaphorisch, eben ein Rettungsring nicht mehr aus. 36 Stück, die zusammen 160 Jahre Hamburger Hafengeschichte dokumentieren und für die nun Paten gesucht werden, zieren deshalb jetzt im zweiten Teil der im Juni ins Leben gerufenen Spendenaktion „Rettungsringe für den Michel“ den Kirchenraum.
Am Donnerstag stellten Hauptpastor Röder und Michael Kutz, Geschäftsführer der Michel-Stiftung, drei neue Exemplare vor. Einer gehört zur MS „Amadea“, besser bekannt als ZDF-„Traumschiff“. Barbara Wussow, die seit 2018 als Heide Keller-Nachfolgerin in der Erfolgsserie spielt, hat die Schirmherrschaft übernommen: „Der Michel hat SOS gefunkt, da habe ich nicht lange überlegt.“
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Florian Silbereisen signierte „Traumschiff“-Rettungsring
Für den Rettungsring, auf dem neben Wussow auch der neue „Traumschiff“-Kapitän Florian Silbereisen und Schauspieler Jan Hartmann unterschrieben haben, der in dem sogenannten Spin-off „Kreuzfahrt ins Glück“ den Hochzeitsplaner mimt, werden nun Spender gesucht. „Wir legen Patenbücher an“, sagt Michael Kutz, „also Gästelisten, in denen jeder Spender verzeichnet ist.“
Hauptpastor Alexander Röder selbst will auch spenden – und zwar gleich doppelt: für „Stettin“ und „Hamburg“. „Das sind nämlich die Heimatstädte meiner Eltern. Und so hoffen wir, dass sich ganz viele persönliche Verbindungen zwischen den Schiffen und den Menschen ergeben.“
Auch Anke Harnack unterstützt die Michel-Spendenaktion
Eine Beziehung zur „Hamburg“ hat auch Moderatorin Anke Harnack, sie ist nämlich seit Anfang des Jahres „Bootschafterin“ der Seenotretter. „Da dachte ich noch, ich sei dann ständig an Nord- und Ostsee unterwegs. Aber das kam dann ja ganz anders.“ Umso wichtiger sei ihr die Aktion, weil ihr Michel und die Seenotretter gleichermaßen am Herzen lägen.
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Den Rettungsring der „Peking“, die bald als neues Wahrzeichen in den Hafen kommt, stellte Professor Hans-Jörg Czech, Direktor und Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, vor: „Wenn der Michel, der seit mehr als 300 Jahren den Weg in den Hafen weist, in Not ist, dann versteht es sich von selbst, dass die Peking ihm einen Rettungsring zuwirft.“
Die „Peking“ wecke bei vielen Hamburgern Emotionen, sagt Hauptpastor Röder. Auch bei ihm selbst. „Als ich als Austauschschüler in New Jersey war, lag die Peking in New York. Wenn ich sie da besucht habe, wusste ich: Das ist ein Stück Heimat.“ Genau wie der Michel.
Bedeutende Trauerfeiern im Hamburger Michel
- 04.11.1996 „Stern“-Gründer Henri Nannen (1913-1996)
- 25.11.2002 „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein (1923-2002)
- 01.03.2005 Boxweltmeister Max Schmeling (1905-2005)
- 25.06.2010 Schauspielerin Heidi Kabel (1914-2010)
- 01.11.2010 Altkanzler-Gattin Hannelore „Loki“ Schmidt (1919-2010)
- 05.04.2013 Schauspieler Dieter Pfaff (1947-2013)
- 28.10.2014 Schriftsteller Siegfried Lenz (1926-2014)
- 08.07.2015 Jazz-Musiker James Last (1929-2015)
- 23.11.2015 Altbundeskanzler Helmut Schmidt (1918-2015)
- 14.01.2020 Schauspieler Jan Fedder (1955-2019)
- 03.07.2020 Künstler Eberhard Möbius (1926 - 2020)