Hamburg. Die ersten Gemeinden laden am Sonntag wieder zu öffentlichen Gottesdiensten ein. Die Sicherheitsauflagen sind streng.

Pastorin Miriam Knierim ist an diesem Sonntag auf alles vorbereitet. Sie trägt beim Gottesdienst ein weißes Gewand (Stola) als Zeichen österlicher Freude und hat, wie vorgeschrieben, einen Mund-Nasen-Schutz dabei. Derweil sind in der Paul-Gerhardt-Kirche in Bahrenfeld Platzanweiser im Einsatz, wie sie sonst nur aus Theatern und Konzerthäusern bekannt sind.

Sie achten darauf, dass der vorgeschriebene Mindestabstand eingehalten wird und Absperrungen nicht missachtet werden. Gleich am Hauptportal notieren weitere Mitarbeiter die Namen und Kontaktdaten der Besucher, damit im Fall einer Infektionsübertragung weitere Maßnahmen getroffen werden können. Am Altar wird die Pastorin jedoch ohne Mundschutz zur Gemeinde sprechen. „Der nächste Besucher ist zehn bis 15 Meter entfernt.“ Das reicht!

Kirchen starten mit teilweise skurrilen Sicherheitsauflagen

Was eine Szene in einem Katastrophenfilm sein könnte, ist pure Realität: Mit strengen und teilweise skurrilen Sicherheitsauflagen starten die Kirchen an diesem Sonntag erstmals wieder mit ihren öffentlichen Gottesdiensten. Vorangegangen waren Gespräche in der staatlichen Bund-Länder-Kommission und Handlungsempfehlungen der Kirchenleitungen für die Gemeinden vor Ort. Hochrangige Kirchenvertreter wie die Pröpstin Almut Witt erwarten jedoch „kein entspanntes Miteinander“, schon gar nicht, weil vom gemeinsamen Singen dringend abgeraten wird. „Alle werden gucken, ob sie den entsprechenden Abstand einhalten und ob wir ja alles richtig machen“, vermutet Witt.

Vielen Christen dürfte die Aufforderung, gemeinsam nicht zu singen, befremdlich anmuten – ausgerechnet am Sonntag Kantate, der, wie der lateinische Name schon sagt, dem Singen gewidmet ist. So sehr diese Einschränkung aus hygienischer Sicht verständlich erscheint, betrachtet sie der Altonaer Pastor Thorsten Morche (Hauptkirche St. Trinitatis) als „Unglück“.

Die genaue Zahl der geöffneten Kirchen ist unklar

Dennoch halten sich die Gemeinden daran, weil es in der Handlungsempfehlung der Nordkirche heißt: „Auf der Grundlage der bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse birgt gemeinsames Singen ein erhöhtes Infektionsrisiko.“ Deshalb müsse Gemeindegesang, auch im Freien, derzeit unterbleiben.

Pastorin Miriam Knierim äußert Verständnis für diese temporäre Maßnahme: „Wir fühlen uns als Gemeinde in der Achtsamkeit füreinander und dem Respekt vor der Gesundheit und dem Leben nicht nur verpflichtet, die vorgegebenen Richtlinien einzuhalten, sondern tun das zum Schutz unserer Nächsten auch gern.“ Also machen die Gemeinden aus der Not eine Tugend: In einigen Gottesdiensten wird gesummt statt gesungen. Pastor Morche plant ein Duett mit der Kantorin, und in anderen Gemeinden treten Instrumentalisten auf. Nur keine Bläser.

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    Wie viele evangelische und katholische Kirchengemeinden an diesem Sonntag einen Neustart mit ihren Gottesdiensten und Messen wagen, lässt sich nicht genau abschätzen. Es seien noch nicht so viele, heißt es im Evangelischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein. „Die Gemeinden gehen unterschiedlich vor“, ergänzt Manfred Nielen, Sprecher des Erzbistums Hamburg. „Manche Gemeinden beginnen an diesem Wochenende, andere eine Woche später.“

    Michel-Besucher müssen sich telefonisch anmelden

    Das Erzbistum Hamburg hat „Regelungen für öffentliche Gottesdienste und Veranstaltungen während der Corona-Pandemie“ veröffentlicht. Hintergrund sind Verordnungen der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, die öffentliche Gottesdienste unter bestimmten Bedingungen wieder erlauben.

    Die Regelungen sehen unter anderem einen Mindestabstand von 1,5 bis zwei Metern, den Verzicht auf Körperkontakt und Gemeindegesang sowie die dringende Empfehlung vor, eine Mund-Nase-Bedeckung zu tragen. Erzbischof Stefan Heße schreibt in einem Begleitbrief an die Gemeinden, wichtig sei zuallererst, alles nur Mögliche zu tun, um das Corona-Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. „Das ist noch lange keine Normalität, allenfalls ein kleiner Schritt dahin.“

    Auch in den evangelischen Kirchengemeinden gelten strenge Regeln. So muss zwischen allen Teilnehmern ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden. Außerdem ist neben dem Mund-Nasen-Schutz die Möglichkeit der Handdesinfektion vorgeschrieben. Zudem sollte nur eine kleine Besucherzahl das Gotteshaus betreten dürfen, heißt es im Kirchenkreis Hamburg-Ost.

    Auch im Fernsehen werden Gottesdienste übertragen

    Im Michel sind an diesem Sonntag bis zu 150 Personen zugelassen. Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr. Hauptpastor Alexander Röder ist trotz allem dankbar für diesen Neustart: „Das ist eine großartige und positive Nachricht in dieser Zeit, auch wenn die Gemeinde momentan noch nicht singen darf und wir für eine gewisse Zeit auch noch auf die Feier des heiligen Abendmahls verzichten müssen.“ Für diesen Gottesdienst werde eine Besucheranmeldung bis zum heutigen Freitag, 17 Uhr, erwartet (Telefon 040/37 67 80).

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    Wer den Gottesdienst aus größtmöglicher Entfernung erleben will, kann das auch: Bibel TV, Hamburg 1 und das Internetportal hamburg.de übertragen den Kantaten-Gottesdienst in die Wohnzimmer. Gesungen wird auch – der Bariton Konstantin Heintel tritt als Solist auf.

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden