Hamburg. Die Veranstalter von Flohmärkten leiden unter den Corona-Regeln. Die Besucher müssen sich auf lange Wartezeiten einstellen.
Wer mit Herzblut hökert und lebendige Flohmarktatmosphäre liebt, steht für Schnäppchen gerne Schlange: Schon kurz nach 10 Uhr am Sonntag müssen die drei Markteingänge von Ordnern wegen des enormen Andrangs vorübergehend gesperrt werden. An der Hoheluftchaussee, am Falkenried und an der Ecke Klosterallee harren Besucher, bis andere das abgesperrte Gelände verlassen – geduldig, mit Abstand und Mund-Nasen-Schutz. Wetter und Laune: überwiegend heiter. Hinter den Kulissen sieht das anders aus.
„Momentan ist die Organisation von Flohmärkten eine Herausforderung“, sagt Veranstalter Roland Resag zu früher Stunde bei einem Kaffee vor dem Zelt seiner Firma Markt & Kultur. „Wenn wir plus minus null über die Runden kommen, ist es gut.“ Wichtiger sei es aktuell, am Ball zu bleiben und der zahlenden Standkundschaft Verkaufsmöglichkeiten zu bieten. Dennoch war im Fall des Flohmarktes Lehmweg ein Eilantrag beim Verwaltungsgericht sowie ein Widerspruch beim Bezirksamt Nord nötig, um eine Genehmigung zu erhalten.
Polizei zeigt starke Präsenz
Voraussetzung ist ein engmaschiges Sicherheitskonzept. Konkret heißt das im Fall Flohmarkt Lehmweg: maximal 1200 Besucher zur Zeit auf 2850 Quadratmetern Freifläche, gesicherte, im Nu sperrbare Zugänge, Maskenpflicht für alle. Bei der Kontrolle helfen digitale Zählgeräte. Wegen der angeordneten Abstände verringerte sich die Zahl der Stände um gut 20 Prozent. Alles lange ausgebucht. Die Polizei zeigt starke Präsenz. Sie stößt in der Regel auf Verständnis und Sympathie. Per Megafon werden Besucher und Standpersonal zur Ordnung gemahnt. Im Großen und Ganzen klappt’s prima.
Dass die Agenturchefs Roland Resag und Partner Nils Finger um jede Veranstaltung ringen, auch wenn die Erlöse niedrig sind, und notfalls Rechtsmittel einlegen müssen, hat einen Grund: „Wir kämpfen um unsere Existenz“, sagt Resag. Der Umsatz sei um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Einer der beiden festen Angestellten musste entlassen werden. Die zwei geschäftsführenden Gesellschafter konnten sich monatelang keine Gehälter zahlen.
Von Haus aus leidenschaftlicher Sammler, Jäger und Händler mit Wohnsitz im Stadtteil Hamm organisiert der diplomierte Soziologe Resag seit 25 Jahren Flohmärkte. Die coronabedingte Notlage zwang die sieben Veranstalter in der Region, zumeist notorische Einzelkämpfer, zu Telefonkonferenzen. In Gesprächen mit Kollegen in anderen Bundesländern wurde angepeilt, was andere Berufszweige längst haben: die Gründung eines bundesweiten Dachverbandes. Auch wenn die Erkenntnis nicht jedem dieser Individualisten leichtfällt: Gemeinsamkeit macht stärker.
Der Diamant unter Hamburgs Flohmärkten
Als alter Hase im Marktgeschehen mit Flohmarktpremiere 1973 auf dem Fischmarkt hat Roland Resag keine Scheu, Akten und Fakten auf den Tisch zu legen – im wahrsten Sinn des Wortes.
Ausgaben am Beispiel Lehmweg: 525 Euro Genehmigung, 3500 Euro Miete, 600 Euro Stadtreinigung, 700 Euro mobile Toiletten und Strom, 3500 Euro Absperrungen plus 2000 Euro für Mitarbeiter und Hinweistafeln summieren sich auf rund 11.000 Euro. Dem stehen Einnahmen aus den 105 Standvermietungen entgegen. Pro laufenden Meter werden 23 Euro plus 5 Euro Grundgebühr berechnet. Zwar sind die Standgebühren auf anderen Märkten niedriger, doch gilt der Flohmarkt Lehmweg ob des Publikums und dessen Spendierlaune als Diamant unter Hamburgs Märkten. Das Veranstaltungsrecht wird viermal jährlich von Amts wegen verlost. Diesmal erhielt Markt & Kultur den Zuschlag.
Besucher haben Zeit, Spaß, Niveau und Geld
„In der Regel haben die Besucher hier Zeit, Spaß, Niveau und Geld“, weiß Anbieterin Margret Jantzen aus Erfahrung. In jüngeren Jahren betrieb sie in Blankenese das Geschäft „Haus und Hof“. Am Lehmweg ist sie seit rund drei Jahrzehnten präsent. Bäuerliche Gebrauchsgegenstände und Weckgläser oder Flaschen aus grünem Glas gehen gut. Etwa einmal im Monat ist Frau Jantzen als Verkäuferin auf einem Hamburger Markt aktiv.
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Laila Holt und Benny Bederholm sind aus dem dänischen Tversted hierher gekommen. Die Pensionäre verbinden Kurzurlaub mit Flohmarkt. Sie bieten alte Bilderrahmen, stilvolle Kerzenständer und Wanduhren feil. „Am Lehmweg gibt es viele alte und schöne Dinge zu kaufen“, sagt Frau Holt. In diesem Moment kommt erneut eine Polizeipatrouille des Weges. Die Uniformierten grüßen freundlich, haben jedoch alles streng im Blick.
Besucher ohne Abstand und Masken
Veranstalter Nils Finger wird per Funk zum Eingang Klosterallee gerufen. Er flitzt los. Anwohner haben das Polizeirevier informiert: Angeblich stauen sich am Eingang Besucher – teilweise ohne Abstand und Masken. Das Organisationsteam trägt die außerordentliche Situation, Unruhe und permanente Einsatzbereitschaft mit Fassung.
Zumal in Sachen Gastronomie eine pragmatische Lösung gefunden wurde. Da essen und trinken auf dem Flohmarkt im Moment verboten ist, wurden die Futterbuden kurzerhand umgedreht. Man kommt also nur von außen an den Tresen – und der Umweg über die Ausgänge ist weit. Aber hier gilt gleichfalls: alles besser als nichts.