Hamburg. Die Lokale auf St. Pauli könnten lange geschlossen werden. Lockerungen für Gastronomen auf dem Kiez in Gefahr.
Die Kontrollen der vergangenen Wochen durften Gastronomen im Vergnügungsviertel Hamburg-St. Pauli getrost als Warnschuss verstehen. An jedem Wochenende schwärmen, von Polizisten begleitet, Mitarbeiter des Gesundheitsamts Mitte und der Gewerbeaufsicht aus, um Verstöße gegen die Corona-Eindämmungsverordnung in den Lokalen und Verstöße gegen das Außerhausverkaufsverbot für Alkohol zu ahnden.
Bisher verzichteten die Amtsmitarbeiter darauf, Kneipen und Bars vorübergehend zu schließen, beließen es bei „normverdeutlichenden Ansprachen“. Bis zum vergangenen Wochenende.
Da hat der Bezirk Mitte erstmals durchgegriffen und zwei Kiez-Lokale „stillgelegt“, weil sie gegen die Corona-Auflagen verstoßen haben sollen. Und zwar nicht nur einmal, wie Falko Droßmann (SPD), Chef des Bezirksamts Mitte, gegenüber dem Abendblatt betont, sondern wiederholt, trotz mehrfacher Ermahnungen.
Kiez-Lokale haben wiederholt gegen Corona-Regeln verstoßen
In den vergangenen Wochen habe es bei unangekündigten Besuchen des Gesundheitsamts, vertreten durch einen Arzt, stets massive Beanstandungen in beiden Vergnügungsbetrieben gegeben. Die Betreiber seien eindringlich ermahnt worden, Abhilfe zu schaffen. Offenbar ohne Erfolg. Wie die Polizei auf Anfrage mitteilte, hielten sich in der Spitze bis zu 22.000 Menschen auf St. Pauli auf – zwischenzeitlich musste die Große Freiheit erneut wegen des hohen Andrangs abgesperrt werden.
Auch am Freitagmorgen, gegen 2 Uhr, stießen der Amtsarzt und ein Beamter der Davidwache bei ihrem Besuch auf massive Verstöße gegen die Eindämmungsverordnung. In dem einen Laden tummelten sich 120 Gäste statt der erlaubten 30 – der andere war ebenfalls hoffnungslos überfüllt. „Es waren so viele Menschen da, es war gar nicht mehr feststellbar, wie viele es eigentlich waren“, sagt Droßmann.
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„Lima Lima Shisha Bar“ und der „Brooklyn-Club“ betroffen
Zudem hätten die Besucher – ohne Gesichtsmaske – auf der Tanzfläche getanzt. Beide Lokale seien sofort stillgelegt worden, die Schließung galt zunächst für den Freitag und den folgenden Sonnabend. Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich um die „Lima Lima Shisha Bar“ an der Reeperbahn und den „Brooklyn-Club“ an der Großen Freiheit. Gestern sollten sich die Betreiber im Bezirksamt Mitte „erklären“. Beide Lokale waren telefonisch für das Abendblatt nicht erreichbar.
Droßmann lässt indes keine Zweifel, dass solche Sanktionen auch verlängert werden könnten, sollten die Corona-Auflagen weiterhin sträflich missachtet werden. „Denkbar wäre es, Betriebe, die sich fortgesetzt nicht an die Bestimmungen halten, auch über mehrere Wochen stillzulegen“, so Droßmann. Ihm reiche es jetzt: „Die wenigen Betriebe, die sich nicht an die Corona-Auflagen halten, bringen alle anderen in Gefahr.“
Club-Szene in Hamburg fürchtet erneute Corona-Schließungen
Damit meint der Bezirkschef nicht nur das gefährliche Spiel mit der Gesundheit der Gäste, sondern auch den weiteren Fortbestand der Lockerungen für Gastronomen auf dem Kiez. Erst seit einigen Wochen dürfen – unter strengen Auflagen – Bars und Kneipen im Vergnügungsviertel wieder öffnen. „Ich werde nicht zulassen, dass die Club-Szene durch Fehlverhalten einiger weniger in Gefahr gebracht wird“, sagt Droßmann. Teilweise gebe es gar keine Kontrollen. „Die lassen einfach jeden rein.“
Das sind die Corona-Regeln für Hamburg:
- Privat können bis zu 25 Personen zu Feiern zusammenkommen, egal aus wie vielen Haushalten. Treffen in der Öffentlichkeit sind auf 10 Personen aus beliebig vielen Haushalten begrenzt.
- Alle Kinder dürfen in einem eingeschränkten Regelbetrieb wieder die Kitas besuchen.
- Nach dem Ende der Sommerferien am 6. August können wieder alle Schüler einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Dennoch sollen Einschränkungen wie die bisherigen Abstandsgebote vorsichtshalber erhalten bleiben.
- Unter Auflagen sind wieder Veranstaltungen mit bis zu 1000 Teilnehmern im Freien und 650 Teilnehmern in geschlossenen Räumen zulässig.
- Für größere Versammlungen gibt es keine Teilnehmerbegrenzung mehr. Es wird jeweils der Einzelfall mit Blick auf Hygiene- und Abstandsregeln geprüft.
Harte Kante gegen Auflagenmuffel kommt auch in der Gastro-Szene gut an. „Die Gastronomen müssen sich an die Regelungen in Bezug auf Corona halten“, sagt Lars Schütze, zweiter Vorsitzender der Interessengemeinschaft St. Pauli. „Deshalb begrüßen wir auch, dass der Bezirk Mitte auf dem Kiez durchgreift.“
Ähnlich sieht es Roland Hoitz, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion in der Bezirksversammlung Mitte. „Wenn Gastronomen gegen die Regelungen verstoßen, dann muss der Bezirk durchgreifen. Die Abstandsregelungen müssen unbedingt in den Kneipen eingehalten werden, und natürlich sollte auch darauf geachtet werden, dass nicht zu viele Menschen in einem Lokal zu Gast sind. Wenn es wiederholt Verstöße gibt, dann ist es richtig, dass ein Betrieb geschlossen wird.“
Corona-Kontrollen in 17 Bars auf St. Pauli
Am Wochenende kontrollierte das Gesundheitsamt Mitte insgesamt 17 Lokale auf dem Kiez. Die Bilanz fällt durchwachsen aus, aber eben nicht so katastrophal wie in den beiden stillgelegten Betrieben. Mal seien Kontaktlisten nicht ordnungsgemäß geführt, mal Abstände in den Warteschlangen nicht eingehalten worden, mal habe das Personal ohne den vorgeschriebenen Mund-und-Nasen-Schutz gearbeitet.
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Bereits bei einer groß angelegten Corona-Kontrolle Ende Juli in den Szenevierteln Schanze, St. Georg, Reeperbahn, Portugiesen- und Grindelviertel wurden in 31 von rund 100 überprüften Bars, Restaurants und Schnellimbissen keine Masken getragen.
Deutlich besser halten sich offenbar Ladeninhaber an das Verbot des Außerhausverkaufs von Alkohol. In Teilen von Mitte, Eimsbüttel und Altona dürfen Kioske, Tankstellen und Einzelhändler an den Wochenenden keinen Alkohol mehr abgeben. Auf dem Kiez sind am Wochenende neun Verkaufsstellen kontrolliert worden, nur ein Laden an der Talstraße hielt sich nicht an das Verbot, so Droßmann. Den Betreiber erwartet ein Bußgeld, im Extremfall bis zu 25.000 Euro.