Hamburg. Der Hamburger Lieferdienst „Stadtsalat“ expandiert stark. Wie das Start-up gegen große Konzerne in der Branche bestehen will.

Breite Fensterfronten lassen das Licht herein, hinter dem Tresen werkeln Mitarbeiter in schwarzen Schürzen mit Gemüse. Draußen vor dem urban-stylischen Bistro von Stadtsalat werfen vorbeieilende Passanten Schatten auf den Bürgersteig der Großen Theaterstraße. In der Sonne vor dem Restaurant sitzen einige Gäste mit Bowls in der Hand, sie haben sich für die Kombi aus Quinoa, Rucola, geröstetem Brokkoli und gegrilltem Mais entschieden. Das Bistro, das im Mai nahe der Oper eröffnet hat, ist der jüngste Neuzugang von Stadtsalat, einer Firma, die derzeit stark wächst – auch befeuert von der Corona-Krise.

Gründer des Start-ups ist Marcus Berg, ein Mann mit breitem Lächeln und kurzem Bart, der nach dem BWL-Studium bereits mit anderen Firmenideen im Digitalbereich erfolgreich war. Der 38-Jährige will mit Bistros wie in der Hamburger City seine Marke stärken, denn eigentlich ist die 2015 gegründete Firma ein Liefersalatanbieter.

Schon heute transportieren die von Berg und seinem Co-Gründer Tom Smets beschäftigten Kurierfahrer mehrere Tausend Gerichte täglich. Nicht nur am Sitz des Unternehmens in Hamburg, sondern mittlerweile auch in anderen Städten. So werden die gesunden Frischeprodukte inzwischen auch in Frankfurt und Berlin angeboten.

Leute achten auf gesunde Ernährung

Berg, der gerade Vater geworden ist, hat eine Vision: „Wenn meine Tochter in ihre erste eigene Wohnung zieht, wird sie vielleicht auf eine Küche verzichten.“ Schon heute würden Apartments in New York teilweise ohne Kochmöglichkeit vermietet. Die jüngere Generation nehme sich keine Zeit mehr, um selber aufwendige Gerichte zuzubereiten, argumentiert der Gründer. In Hamburg beschäftigt Stadtsalat inzwischen 130 Mitarbeiter. In Frankfurt und Berlin, wo die Firma ebenfalls Lieferdienst und Restaurant kombiniert, sind noch einmal mehr als 100 Beschäftigte für den Anbieter im Einsatz. Der Umsatz stieg zuletzt auch bei Stadtsalat – von 2,8 Millionen Euro im vergangenen auf erwartete sechs Millionen Euro im laufenden Jahr. Etwa 80 Prozent der Erlöse generiert das Unternehmen aus dem Lieferdienst. Allein in Hamburg hätten bereits 40.000 Kunden bestellt, sagt Berg, der mit seiner Familie in Bergedorf wohnt.

Gleichzeitig achteten die Leute auf gesunde Ernährung. Ein Punkt, auf den sich Stadtsalat einstellt. 60 Prozent der Zutaten kommen aus der Region – wie Gurken oder Tomaten. Weitere 30 Prozent der Produkte stammen immerhin noch aus Deutschland, viele in Bioqualität, verspricht Berg. Darüber hinaus macht man sich bei dem Anbieter Gedanken über Trendprodukte und deren Herkunft. Statt auf den kaum mehr nachhaltig zu produzierenden Lachs setzt Stadtsalat auf Saibling von der Mecklenburgischen Seenplatte. Statt Avocado, die für eine schlechte Klimabilanz bekannt ist, werden in den Bowls Erbsen für Guacamole verwendet.

Klimafreundliche Lieferung

Günstig sind die Salate und Bowls auch wegen dieses Anspruchs nicht: Gut 10 Euro kosten die Portionen. Für den Erfolg des Start-ups ist der Preis offenbar kein Hindernis. Die oftmals jungen Kunden, Mittzwanziger bis Mittdreißiger, würden ihr Geld anders ausgeben als die Älteren. „Früher waren Auto und Führerschein wichtig“, sagt Berg. Heute setzten viele auf bewusste Ernährung und leisteten sich teurere Lebensmittel.

Dazu kommt die klimafreundliche Lieferung, die für bewusst konsumierende Menschen immer wichtiger wird. Stadtsalat bringt das Essen in Pappschachteln mit Deckeln aus Bioplastik und ausschließlich per Rad oder E-Bike zu den Kunden. Daher ist in Hamburg außerhalb eines Sechs-Kilometer-Radius von der City keine Bestellung möglich, weil die Haushalte dann für die Fahrer kaum noch wirtschaftlich zu erreichen sind. Die Fahrer verdienten 12 Euro in der Stunde und kämen mit Trinkgeld oft auf 15 bis 16 Euro.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Der Markt für Lieferservices wächst seit Langem, und oft sind es international agierende Konzerne, die hier mitmischen. In den vergangenen Jahren machten in der Branche Food-to-Go Anbieter und Lieferdienstleister wie Domino‘s, Amazon Fresh und Picnic von sich reden. Die britische Deliveroo hat sich im vergangenen Sommer aus dem deutschen Markt zurückgezogen. Hier bleibt damit als Schwergewicht Lieferando, deren Muttergesellschaft Takeaway.com 2019 die deutsche Delivery Hero übernommen hatte. In der Corona-Krise konnte Delivery Hero im zweiten Quartal 2020 die Bestellungen auf fast 281 Millionen Euro verdoppeln.

Branche profitiert stark während der Pandemie

Die Branche profitiert stark während der Pandemie: Nach einer Umfrage des Hightechbranchen-Verbands Bitkom stieg der Anteil derjenigen, die sich im Netz Essen bei Restaurants oder Lieferdiensten bestellten, im Juni auf 53 Prozent. Vor der Corona-Krise seien es 40 Prozent gewesen, teilte der Verband mit. Bitkom erklärt den Anstieg mit dem Trend hin zum Arbeiten im Homeoffice und der Sorge vor Ansteckungen bei Restaurantbesuchen.

Das sind die Corona-Regeln für Hamburg:

  • Privat können bis zu 25 Personen zu Feiern zusammenkommen, egal aus wie vielen Haushalten. Treffen in der Öffentlichkeit sind auf 10 Personen aus beliebig vielen Haushalten begrenzt.
  • Alle Kinder dürfen in einem eingeschränkten Regelbetrieb wieder die Kitas besuchen.
  • Nach dem Ende der Sommerferien am 6. August können wieder alle Schüler einer Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Dennoch sollen Einschränkungen wie die bisherigen Abstandsgebote vorsichtshalber erhalten bleiben.
  • Unter Auflagen sind wieder Veranstaltungen mit bis zu 1000 Teilnehmern im Freien und 650 Teilnehmern in geschlossenen Räumen zulässig.
  • Für größere Versammlungen gibt es keine Teilnehmerbegrenzung mehr. Es wird jeweils der Einzelfall mit Blick auf Hygiene- und Abstandsregeln geprüft.

Die Pandemie befeuert die Bewegungen im Markt nach wie vor: So kauft der US-Fahrdienstvermittler Uber über einen Milliardendeal den vom Deutschen Bastian Lehmann gegründeten Lieferdienst Postmates. Uber zahlt für die Übernahme umgerechnet rund 2,36 Milliarden Euro, wie der Konzern jetzt mitteilte. Postmates wurde 2011 gegründet und liefert in den USA in Restaurants bestelltes Essen aus.

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Bei Stadtsalat, argumentiert Berg, bleibe die gesamte Wertschöpfungskette in einer Hand, anders als bei Postmates oder Lieferando, bei denen die Restaurants nur als Hersteller auftreten und das Bringen der Produkte längst ausgelagert wurde. „Damit kennen sie ihre Kunden nicht so genau wie wir“, sagt Berg, der auch personalisierte Angebote, etwa unterschiedliche Speisekarten für Vegetarier und Veganer, digital anbieten möchte.

Berg ist überzeugt davon, dass sein Geschäftsmodell auch künftig weiter wachsen wird, auch nach Corona. Der Unternehmer will vom anhaltenden Liefertrend profitieren, wenn auch wieder mehr Firmen für ihre Beschäftigten Essen bestellten, wie es bisher bereits für viele Kreativagenturen und Kliniken zum Alltag gehörte. Bergs Prognose: „Wir werden in fünf bis zehn Jahren im deutschsprachigen Raum überall vertreten sein, in größeren Städten auch mit modernen Restaurants.“