Hamburg. Marco T. soll den 29-jährigen Matheus A im vergangen September in seiner Wohnung getötet haben. Jetzt hat er vor Gericht ausgesagt.

Sie schliefen Wand an Wand mit einem Leichnam. Keiner der Besucher, die Marco T. in seiner Wohnung beherbergte, hat geahnt, dass nebenan im Gästezimmer das Grauen herrscht. Dass ein Toter dort liegt und über Wochen und Monate langsam verwest. Es ist ein Alptraum-Szenario, das sich in dem Mehrfamilienhaus in der Hamburger City abgespielt hat. Der Schrecken erfasste die Übernachtungs-Besucher, als sie erst im Nachhinein von ihrem toten Zimmernachbarn erfuhren. Vor allem aber war es entsetzlich für die Familie des Verstorbenen, die doch lange Zeit inständig gehofft hatte, ihr vermisster Angehöriger würde noch leben. Vier Monate hatte die Familie des Brasilianers Matheus A. gebangt — bis sie die traurige Gewissheit bekamen, welches Schicksal den 29-Jährigen ereilt hatte.

Getöteter Brasilianer: Angeklagter weist die Schuld von sich

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist Matheus A. ein Verbrechensopfer. Deshalb steht der Mieter der Wohnung, in der der Leichnam des jungen Südamerikaners entdeckt wurde, wegen Mordes vor Gericht. Marco T. wird vorgeworfen, seinen Besucher im September vergangenen Jahres heimlich unter Drogen gesetzt und dann versucht zu haben, den betäubten Mann sexuell zu missbrauchen. Als dieser sich jedoch wehrte und schrie, habe der 46-Jährige den jüngeren Besucher getötet. Doch der Angeklagte sieht sich selber eher als Opfer.

Er sei von dem Brasilianer, den er zufällig auf dem Kiez kennengelernt habe, in seiner Wohnung massiv sexuell bedrängt worden. Zuvor habe der 29-Jährige offenbar Drogen genommen, habe „ein weißes Pulver“ und Tabletten konsumiert und sei dadurch rastlos geworden. „Sein Verhalten wurde immer krasser.“

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Angeklagter sagt aus, Matheus A. habe ihn angegriffen

Matheus A. habe begonnen, zudringlich zu werden, schildert Marco T. Er habe sich gegen den deutlich größeren Angreifer nicht wehren können. „Er packte mich.“ Er sei auch gefesselt worden. Matheus A. habe ihn schließlich ins Schlafzimmer gedrängt und „unartikulierte Schreie ausgestoßen. Mir machte das Riesenangst“, heißt es in der Aussage des Angeklagten. „Schlagartig“ sei der 29-Jährige dann ruhiger geworden.

„Er fiel wie ein Stein auf mein Bett. Ich war mit den Nerven fertig.“ Er selber sei nun eingeschlafen. „Als ich wieder wach wurde, lag er regungslos neben mir.“ Das Gesicht des Mannes sei blau angelaufen gewesen, die Lippen geschwollen. Aus einem Ohr habe der junge Mann geblutet. Er habe noch versucht, ihn zu reanimieren. „Mir wurde aber schnell klar, dass er verstorben war.“

Leichnam blieb über Monate in der Wohnung

Nach dem nach seiner Darstellung unbeabsichtigten Todesfall habe er den Leichnam im Gästezimmer gelassen, über Monate, bis die Polizei schließlich am 20. Januar diesen Jahres nach einem Hinweis die Wohnung von Marco T. durchsuchte und den Toten entdeckte. Zudem stellten die Ermittler einiges an Drogen sicher, unter anderem Kokain. Das gehöre nicht ihm, beteuert Marco T.

Vielmehr hätten das diverse junge Männer, die er unter anderem für sexuelle Kontakte in seiner Wohnung hatte, bei ihm gelassen. „Ich habe die Sachen dann in eine Schublade gepackt.“ Er selber konsumiere keine Drogen. Allerdings habe er für sexuelle Kontakte Schnüffelstoffe dagehabt, sogenannte Poppers.

Weiter einen anderen Raum der Wohnung an junge Männer vermietet

Es sei ihm immer klar gewesen, sagt der Angeklagte, dass er selber zur Polizei gehen und den Todesfall des Matheus A., der doch ein Unglück gewesen sei, hätte melden sollen. „Aber ich hatte große Angst, jemandem mitzuteilen, was passiert war. Ich habe gehofft, dass das bald zu Ende geht.“ Was er damit meine: „zu Ende gehen“, möchte die Vorsitzende Richterin vom Angeklagten wissen. „Dass die Leiche aus der Wohnung getragen wird, dass eine Bestattung stattfinden kann und dass diese Geschichte, wie es passiert ist, ans Licht kommen würde. Ich wusste, dass ich früher oder später mit der Polizei Kontakt aufgenommen hätte.“

Tatsächlich aber blieb er untätig. Er habe den Leichnam nie angefasst, betont Marco T. Er beließ den Toten in dem einen Zimmer, vermietete weiter über eine Internet-Plattform einen anderen Raum als Gästezimmer an junge Männer, ließ auch noch Handwerker in sein Zuhause. „Ein Teil meiner Wohnung war verschlossen. Ich lebte in der Küche, im Wohnzimmer und im Bad.“ Seine Befürchtung vor einem Polizeieinsatz habe sich „ins Unerträgliche gesteigert. Jeder Tag, der verging, machte die Sache noch schlimmer.“ Jetzt wolle er betonen, sagt Marco T., „dass ich von Herzen bedauere, dass vielen Menschen durch meine Untätigkeit Leid zugefügt wurde. Und dass die Angehörigen über das Schicksal des 29-Jährigen im Unklaren geblieben sind.“