Hamburg. Er hat aus Hapag-Lloyd Cruises in wenigen Jahren eine florierende Marke gemacht. Auch nach dem Teilverkauf bleibt er an Bord.
Wo verabredet man sich am besten mit dem Chef einer erfolgreichen Kreuzfahrtmarke? Natürlich auf einem seiner Schiffe, wenn es gerade im Hamburger Hafen liegt. Es hat Karl J. Pojer, CEO von Hapag-Lloyd Cruises (HLC), eine Menge Zeit, Kraft und Nerven gekostet, damit dies auch in Corona-Zeiten möglich wird. Nun sind zwei seiner fünf Kreuzfahrtschiffe wieder im Dienst und gehen von der Elbe aus auf Reisen. Schon in wenigen Wochen soll dann bis auf die ausgemusterte „Bremen“ die ganze Flotte in See stechen. „Als wir neulich wieder fahren konnten, hat jeder, der an Deck stand, vor Freude geheult“, sagt Pojer, „ich auch.“
Seit dem frühen Morgen hat die „Hanseatic inspiration“ am Cruise Center in Altona festgemacht, zuvor war sie fünf Tage lang auf Nord- und Ostsee unterwegs. Da es sich noch um eine Reise unter „Phase 1“-Bedingungen handelte, durften die rund 100 Gäste zwischendurch nicht an Land gehen. Aber sie konnten unterwegs in die Zodiacs steigen und aus den motorisierten Hochleistungsschlauchbooten heraus Kopenhagens Kanäle sowie Helgolands Küste bewundern. „So hat das Thema Expedition eine neue Wendung bekommen“, sagt Pojer und freut sich, dass auch die dänischen Behörden der Schlauchbootidee zugestimmt haben.
„Bislang gab es bei uns keinen Corona-Fall“
Das Terminal, an dem wir verabredet sind, wirkt bis auf ein paar Sicherheitsleute verwaist – die „Hanseatic inspiration“ ist ein vergleichsweise kleines Schiff. Zudem gönnt die Hamburger Reederei ihren Mitarbeitern nach jedem Gästewechsel einen Tag Ruhe, um an Bord wieder alles in Ordnung zu bringen. Denn nichts ist derzeit wichtiger als das Vermeiden von Infektionsrisiken, wenn die Kreuzfahrtbranche endlich etwas Wasser unterm Kiel spüren will. Wie man es nicht organisieren sollte, hat gerade erst ein Wettbewerber aus Norwegen gezeigt: Er war zwar früher gestartet, musste aber nun alle Abfahrten einstellen, nachdem sich das Virus durch Missachtung von wichtigen Hygiene- und Abstandsregeln unter Crew und Gästen verbreiten konnte.
Pojer, der beim Check-in und an Bord ein Acrylvisier statt einer Stoffmaske sowie einen blauen Anzug und eine orangefarbene Krawatte trägt, bedauert sehr, dass so ein Vorfall jetzt für negative Schlagzeilen sorgt. Schließlich haben er und viele andere im Verbund der Cruise Line International Association (CLIA) in enger Absprache mit Hamburgs Behörden und dem Bernhard-Nocht-Institut ein Konzept erarbeitet, das sowohl Mitarbeitern wie auch Gästen größtmögliche Sicherheit garantieren soll: Jeder, der als Crew neu auf eines der Schiffe geht, absolviert eine Quarantäne und wird mindestens zweimal negativ auf Covid-19 getestet. Passagiere müssen einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wo der Mindestabstand nicht einzuhalten ist, zudem wird bei jedem vorab Fieber gemessen. Wer in den vergangenen 14 Tagen in einem Risikogebiet war, kommt nicht an Bord. „Bislang gab es bei uns keinen Corona-Fall“, betont Pojer.
Neu eingeführte „Europa 2“ bereitete anfangs jede Menge Sorgen
Vor sieben Jahren hat der mittlerweile 65 Jahre alte Manager, der zuvor Hotelvorstand der TUI AG war, das Kommando bei der Traditionsreederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten übernommen. „Mancher dachte, ich trete da eine mission impossible an, denn der jährliche Verlust lag im deutlich zweistelligen Millionenbereich“, sagt Pojer. Doch schnell wurde ihm klar, woran die Marke Hapag-Lloyd damals krankte: „Wir haben unsere Zielgruppe nicht deutlich genug eingegrenzt und dadurch manchmal Kunden enttäuscht.“ Der Spagat, neben der luxuriösen „Europa“ und Expeditionsschiffen wie „Hanseatic“ und „Bremen“ noch ein Vier-Sterne-Schiff namens „Columbus 2“ zu betreiben, misslang.
Und auch die neu eingeführte „Europa 2“ bereitete anfangs jede Menge Sorgen. Einerseits, weil viele die Abgrenzung zur klassischen „Europa“ nicht verstanden. Vor allem aber, weil das neue Schiff nicht der Reederei gehörte, sondern einem Schweizer Investor. Den teuren Chartervertrag hätte Pojer „niemals unterschrieben“, denn diesen rentabel zu bedienen war eigentlich unmöglich.
Klare Fokussierung auf absoluten Luxus
Was kaum jemand im TUI-Konzern, zu dem Hapag-Lloyd Cruises damals zu 100 Prozent gehört, für möglich hält, gelingt Pojer schon 2015. Er kauft mit TUI-Geld die „Europa 2“ für 278 Millionen Euro vom Investor – übrigens selbst ein Stammgast der Reederei. „Ich habe da keineswegs offene Türen eingerannt. Aber am Ende konnte ich ihn überzeugen, wohl auch, weil ich beim ersten Treffen gar nicht übers Geschäft reden wollte.“ Schnell bereinigt Pojer das Portfolio und feilt am Konzept, nach dem Motto: „Stärken musst du stärken.“
So gelingt es mit der klaren Fokussierung auf absoluten Luxus und unter Beibehaltung der Expertise in Sachen Expedition, den Turnaround zu schaffen. Die Branche adelt Pojer als „Hamburger Kreuzfahrtpersönlichkeit“, und das in Rekordzeit. Für den Manager noch immer ein bewegender Moment, trotz all seiner Erfahrung und seiner bisherigen Verdienste, die ihm 2020 auch den Titel „Hotelier des Jahres“ einbrachten.
Geboren im Dezember 1954 in einem kleinen Ort in der Steiermark, wird Karl J. Pojer eine seiner späteren Leidenschaften quasi in die Wiege gelegt. Denn sein Elternhaus steht dicht an der Rennstrecke von Zeltweg, auf der PS-starke Boliden ihre Runden drehen. „Als Schüler wollte ich zunächst Lokführer oder Fahrdienstleiter werden, aber das wollten alle anderen auch“, erinnert sich
Pojer. „Deshalb habe ich mich umentschieden auf Rennfahrer oder Hotelier – und bin dann sogar beides geworden.“ Zudem hat er schon als Neunjähriger gelernt, den Ton anzugeben: als Posaunist in einer Blaskapelle. „Damit habe ich mir früher was dazuverdient.“
Mit und ohne Motor immer sehr sportlich unterwegs
Als Rennfahrer hatte Pojer in der Formel Ford und der Formel Opel prominente Gegenspieler, die später in der Formel 1 Karriere machten. Für ihn öffnete sich mangels Sponsoren nicht diese Tür, sondern eine andere. Trotzdem hat ihn die kontrollierte Raserei auf abgesperrten Strecken nie losgelassen: „Ich habe elfmal damit aufgehört. Und zwölfmal wieder angefangen.“ Doch auch ohne Motor blieb er stets sportlich, er fährt leidenschaftlich gerne Ski und Rennrad, lief schon den einen oder anderen Marathon. Nur zum Triathlon hat es nie gereicht: „Ich bin ein lausiger Schwimmer geblieben“, sagt Pojer, „trotz intensiven Trainings.“
Immer schnell sein, möglichst immer als Erster ins Ziel kommen – und keine Angst vor engen Kurven haben: Nach diesem Motto hat Pojer sein ganzes Leben gelebt und auch so gearbeitet. Auf die Nase bekommen hat er dabei meistens nur privat, beim Rennfahren und beim Boxen etwa brach er sich das Nasenbein.
Mehrjähriges Hotelfachstudium in Österreich
Beruflich hingegen ging es meistens gut voran, auch wenn die Strecke anspruchsvoll war. Nach einem mehrjährigen Hotelfachstudium in Österreich, einer Weiterbildung in den USA und ersten beruflichen Stationen in New York, Wien und Paris wurde Pojer Manager, Direktor und Regionalchef bei verschiedenen angesehenen Hotelgruppen, darunter Kempinski, Sheraton und Pestana aus Portugal. Auf Madeira war er zudem eine Zeit lang Konsul von Österreich. 1996 holte ihn dann TUI-Chef Ralf Corsten zum deutsche Reise-Riesen nach Hannover, um dem Robinson Club auf die Sprünge zu helfen. Später stieg er bei TUI zum Bereichsvorstand Hotels & Resorts auf und stellte Weichen, von denen der Konzern noch heute profitiert.
3 Fragen
- 1. Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre? Irgendwann eine bessere Work-Life-Balance zu erreichen.
- 2. Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen? Natürlich ist es mir ein Herzensanliegen, unser Unternehmen und unsere Branche erfolgreich durch die raue See zu manövrieren. Ich freue mich zudem darauf, mit der Indienststellung der „Hanseatic spirit“ unsere neue Expeditionsklasse komplett zu machen.
- 3. Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren? Hamburg hat in der Pandemie ein herausragendes Krisenmanagement bewiesen. Als Wahlhamburger bin ich stolz darauf und wünsche der Stadt auch weiterhin eine gelungene Balance für künftige Entscheidungen und Veränderungen.
Dass die Kreuzfahrt womöglich irgendwann eine Konkurrenz für die Hotellerie an Land werden könnte, wurde Pojer schon in den 1990er-Jahren klar. Er begann, sich für diese Urlaubsform zu interessieren, und wurde später in den Aufsichtsrat des neu gegründeten Joint Ventures mit Royal Caribbean entsandt, das unter dem Logo TUI Cruises firmiert und die inzwischen deutlich gewachsene „Mein Schiff“-Flotte betreibt.
Sieben Jahre nach dem Wechsel zu Hapag-Lloyd Cruises, der erfolgreichen Umstrukturierung, dem 2016 beschlossenen Neubau von drei weitgehend identischen Fünf-Sterne-Expeditionsschiffen (das letzte wird im Frühjahr ausgeliefert) und dem jüngsten Relaunch der ehrwürdigen „Europa“ könnte sich Pojer jetzt eigentlich etwas zurücklehnen. Doch erstens ist Arbeit sein Lebenselixier und zweitens die Corona-Krise noch lange nicht überstanden. Zudem gilt es nun, den besonderen Charakter von Hapag-Lloyd Cruises auch für die nächsten Jahre zu sichern. Denn seit Kurzem ist HLC nicht mehr eine reine Tochter der TUI AG, sondern zur Hälfte an Royal Caribbean verkauft und nun eine Marke von TUI Cruises.
Weiteres Wachstum und neue Investitionen
Insider wissen, dass Pojer nicht gerade treibende Kraft dieser Finanztransaktion gewesen ist, er selbst betont aber auch die Vorteile, wenn es um weiteres Wachstum und neue Investitionen geht – zumal ihm weiterhin völlig freie Hand bei der Markenführung garantiert wurde. „Ob man im Hintergrund irgendwelche Synergien nutzt, hat für den Gast keine Auswirkungen“, sagt Pojer.
Wo macht ein Mann wie er eigentlich selber Urlaub? „Zuletzt auf Ibiza, das war ein Wunsch meiner Tochter. Sie wollte mal die ganzen angesagten DJs kennenlernen.“ Ansonsten haben Karl J. Pojer und seine Frau Jacqueline – er hat sie einst auf der Tourismusmesse ITB kennengelernt – natürlich schon viel von der Welt gesehen, sodass beide auch das heimische Hamburg sehr zu schätzen wissen. „Hier gibt es für mich noch so viel zu entdecken“, sagt Pojer. Und denkt doch kaum daran, endlich mal seine Work-Life-Balance zu verbessern. Neulich, nach einer OP am Freitag, kam er schon montags wieder ins Büro – mit einer Schachtel Ibuprofen im Gepäck. „Ein Tag mehr Pause wäre da vielleicht mal ganz gut gewesen.“
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Zum Abschied zückt der Manager, der während des Termins zwischendurch noch schnell eine Ansprache an die Crew gehalten hat, eine mintgrüne Postkarte mit einer Weisheit des Dalai Lama, die ihm offenbar am Herzen liegt: „Der Mensch opfert seine Gesundheit, um Geld zu verdienen. Wenn er es hat, opfert er es, um seine Gesundheit zurückzuerlangen. Er ist so auf die Zukunft fixiert, dass er die Gegenwart nicht genießt. Das Ergebnis ist, dass er weder die Gegenwart noch die Zukunft lebt. Er lebt, als würde er nie sterben. Und schließlich stirbt er, ohne jemals richtig gelebt zu haben.“
Das, so kann man die Botschaft wohl deuten, soll ihm nicht passieren.