Hamburg. Lernferien in Corona-Zeiten: Das kostenlose Angebot richtet sich an Jungen und Mädchen, die sozial benachteiligt aufwachsen.
Die Corona-Pandemie macht auch das möglich: Statt den zweiten Teil der sechswöchigen Sommerferien zu genießen, gehen mehrere Tausend Hamburger Schüler schon jetzt wieder in die Schule – zumindest für ein paar Stunden am Tag.
Das freiwillige Angebot der Lernferien richtet sich an Jungen und Mädchen, die in sozial schwierigen Verhältnissen aufwachsen und insbesondere während der coronabedingten Schulschließungen benachteiligt waren, weil sie aufgrund fehlender Laptops zu Hause nicht oder nur eingeschränkt am Fernunterricht teilnehmen konnten.
Lernferien: 379 Honorarkräfte und 52 Lehre im Einsatz
Zum Start des kostenlosen Zusatzprogramms am gestrigen Montag hat der Unterricht in 381 Lerngruppen an 144 Schulen und Einrichtungen wie den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) begonnen. Insgesamt 379 Honorarkräfte und 52 Lehrer aus den Schulen sind im Einsatz. Der weitaus größte Teil – 330 Lerngruppen – wurde an Schulen in sozialen Brennpunkten eingerichtet.
Bislang haben sich 3198 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Nach Angaben der Schulbehörde ist das mehr als jeder dritte der angesprochenen Schüler. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte im Abendblatt-Interview gesagt, dass die Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen rund 20 Prozent ihrer Schüler auswählen und ansprechen sollten und damit gerechnet, dass zehn Prozent, also die Hälfte, das Angebot annehmen. Die Schulbehörde geht davon aus, dass sich noch weitere Schüler an den Lernferien beteiligen, da auch Schulen in anderen Regionen der Stadt ein solches Angebot organisieren wollen.
Volkshochschule organisiert die Lernkurse an den Schulen
Die von der Volkshochschule organisierten Lernkurse an den Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen laufen über zwei Wochen und umfassen drei Unterrichtsstunden täglich. Im Mittelpunkt steht, in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik Lernrückstände aufzuarbeiten oder verpassten Unterrichtsstoff nachzuholen.
„Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Schülerinnen und Schüler in den Ferien freiwillig in die Schule gehen, um etwas zu lernen. Umso mehr freut es mich, dass so viele das Angebot wahrnehmen“, sagte Bildungsstaatsrat Rainer Schulz. In Hamburg werde der Ferienunterricht anders als in anderen Bundesländern sehr gut angenommen.
Schulleiter Cors: "Die Schüler sind gut motiviert"
Jörn Cors, Schulleiter der Grundschule Mendelstraße (Lohbrügge-Nord), war gespannt, als er am Montagmorgen – mitten in den Sommerferien – in seine Schule kam. Würden alle Jungen und Mädchen, deren Eltern sie für die Lernferien angemeldet hatten, am ersten Tag des Unterrichts auch tatsächlich kommen? „Es waren alle da bis auf einen. Die Schüler sind gut motiviert und haben sich gefreut, wieder in der Schule zu sein“, sagt der Schulleiter.
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Die Schule Mendelstraße ist eine von 144 Schulen und Einrichtungen, die den freiwilligen und kostenlosen Zusatzunterricht anbieten. „Wir haben für die kommenden zwei Wochen zwei Gruppen mit je zehn Kindern eingerichtet. Die erste Gruppe mit den Zweitklässlern kommt um 9 Uhr und hat bis 11.30 Uhr Unterricht, die zweite mit den Dritt- und Viertklässlern von 12.30 bis 15 Uhr“, sagt Cors. Etwa die Hälfte der auf die Lernferien angesprochenen Eltern hätten ihre Kinder angemeldet. Damit liegt die Schule Mendelstraße mit dem Sozialindex 2, dem zweitniedrigsten der sechsstufigen Skala, innerhalb der Erwartung der Schulbehörde.
Weitere Gruppen gibt es an den Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) sowie speziell für Migranten an den Standorten der Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK).
Deutsch, Englisch und Mathe im Mittepunkt der Lernferien
Im Mittelpunkt des Unterrichts stehen die Kernfächer Deutsch, Englisch und Mathematik. Das Angebot richtet sich an Schüler der Klassen eins bis neun. Insgesamt sind 379 Honorarkräfte und 52 Lehrer aus den jeweiligen Schulen im Einsatz. „Wir haben eine erfahrene Kollegin an der Schule, die beide Gruppen unterrichtet. Das hat den großen Vorteil, dass die Kinder sie bereits kennen“, sagt Schulleiter Cors. „In Hamburg wird der Ferienunterricht sehr gut angenommen. Das liegt sicherlich auch daran, dass es in kürzester Zeit gelungen ist, ein flächendeckendes Angebot zu organisieren“, sagt Bildungsstaatsrat Rainer Schulz.
Kritik kommt von der Fraktionschefin der Linken in der Bürgerschaft, Sabine Boeddinghaus. „Ob die gewünschte Zahl der Schulkinder überhaupt erreicht wird, steht in den Sternen. Viel skeptischer bin ich aber hinsichtlich des Erfolgs dieses Behelfsunterrichts“, sagt Boeddinghaus. Die Schulbehörde solle sich nicht einbilden, „mit dem pädagogisch zweifelhaften Angebot“ nach dem Sommer so tun zu können, als ob die schulischen Auswirkungen durch die Corona-Krise behoben seien.