Hamburg. 2017 erlebte die Stadt massive Gewaltexzesse. Trotzdem blieben die Verantwortlichen im Amt. Das sagen Politiker heute.

Es ist dieser eine Satz, der das katastrophale Scheitern des G-20-Gipfels am 7. und 8. Juli 2017 mit den unvorstellbaren Gewaltexzessen, dem massiven Kontrollverlust staatlicher Autoritäten und dem fortdauernden Belagerungszustand erheblicher Teile der Stadt auf den Punkt bringt. „Dafür, dass das geschehen ist, bitte ich die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung“, sagte ein konsternierter und um Fassung ringender Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in seiner Regierungserklärung vor der Bürgerschaft vier Tage nach dem Inferno.

Leicht ist dem heutigen Bundes­finanzminister und Vizekanzler die Bitte um Entschuldigung nicht gefallen, er hatte sich lange dagegen gewehrt. Es war Scholz’ Gipfel – er hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 die Zusage gegeben, das Treffen der 20 mächtigsten Staatspräsidenten und Regierungschefs in Hamburg abzuhalten – ohne Rücksprache mit Parteifreunden und schon gar nicht mit dem Koalitionspartner von den Grünen. Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) wurde von Scholz zwar eingeweiht, aber zum Stillschweigen vergattert.

Till Steffen: „Fatale Fehlentscheidung“

Später, nachdem der Plan publik war, versuchten die Grünen, Scholz von Alternativstandorten für die Megakonferenz zu überzeugen – vergeblich. Dass es keine kluge Idee war, den G-20-Gipfel mitten in der Stadt abzuhalten und als Tagungszentrum die Hamburg Messe in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schanzenviertel zu wählen, ist heute politisches Allgemeingut. „Mit dem Wissen von heute würde man einen G-20-Gipfel in dieser Form nicht mehr organisieren“, sagte Peter Tschentscher (SPD), Scholz’ Nachfolger im Amt des Ersten Bürgermeisters ein Jahr nach dem Gipfeltreffen. „Den Gipfel mitten in der Stadt abzuhalten war eine fatale Fehlentscheidung“, sagte Till Steffen (Grüne), während des Gipfels Justizsenator, bei seinem Abschied aus dem Amt vor einem Monat.

G-20-Gipfel in Hamburg:

Scholz hatte die Risiken des Großereignisses, zu dem linksextreme und gewaltbereite Kräfte europaweit mobilisierten, im Vorfeld heruntergespielt. Er hatte eine Sicherheitsgarantie für die Bürgerinnen und Bürger gegeben, und er hatte die zu erwartenden Verkehrspro­bleme mit denen eines Hafengeburtstags verglichen.

CDU forderte den Rücktritt des Bürgermeisters

Die CDU forderte sofort nach dem Gipfel den Rücktritt des Bürgermeisters und des Innensenators Andy Grote (SPD). Kanzlerin Merkel pfiff ihre Parteifreunde prompt zurück, weil sie Scholz, der das Treffen erst möglich gemacht hatte, nicht in den Rücken fallen wollte. Scholz bekannte damals allerdings im Abendblatt-Interview, dass er zurückgetreten wäre, wenn der G-20-Gipfel ein Menschenleben gekostet hätte.

Ungewöhnlich war, dass sich die damalige Opposition aus CDU, FDP, Linken und AfD nicht auf die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses verständigen konnte, was angesichts der Ereignisse naheliegend war. Stattdessen übernahm auf Vorschlag von SPD und Grünen ein mit weniger Rechten ausgestatteter Sonderausschuss die G-20-Aufarbeitung.

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Scholz und Grote blieben bekanntlich im Amt, und auch keiner der verantwortlichen Polizeiführer musste seinen Posten räumen. Auch die Forderung von CDU und AfD, die Rote Flora zu räumen, weil sie zur Beteiligung an den Protesten aufgerufen hatte, blieb unerfüllt.

Zur politischen Bilanz gehören auch die Kosten: Der Bund hat für den Gipfel direkt 72,2 Millionen Euro ausgegeben – für die Bundespolizei, die Betreuung von Journalisten und die organisatorische und logistische Vorbereitung. Der Hamburger Beitrag, der letztlich vom Bund übernommen wurde, belief sich auf 65 Millionen Euro vor allem für die Anforderung, Unterbringung und Verpflegung der auswärtigen Polizeikräfte.