Hamburg. Reinigungs- und Küchenkräfte fordern 12 Euro pro Stunde. Geschäftsführung verweist auf vereinbarte Einführung im Jahr 2021.

Als Hilke Stein an diesem Dienstagmorgen das Mikrofon in die Hand nimmt, ziehen dunkle Wolken über dem Beserbinderhof in St. Georg auf. Sie drängen sich in einen strahlend blauen Himmel. Wer will, könnte dies als Sinnbild sehen für das Verhältnis der Mitarbeiter der Tochtergesellschaft Elbkinder-Kita-Servicegesellschaft zum größten Kitaträger der Stadt Hamburg, den Elbkindern.

Hilke Stein ist Fachbereichsleiterin Gesundheit und Soziales bei Ver.di Hamburg und führt die Tarifverhandlung der Servicegesellschaft mit der „Elbkinder Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“, wie das städtische Unternehmen offiziell heißt. Heute ist sie Streikführerin. „Wir hätten den Tag heute auch gerne vermieden“, sagt sie. „Wir wissen, dass das für die Eltern keine einfache Situation ist und dass so ein Streik im Hauswirtschaftsbereich für Unsicherheit sorgt, aber es ist im Moment unsere einzige Möglichkeit, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen.“

Die „Situation“ ist folgende: Schon kurz nach Amtsantritt 2018 hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verkündet, dass alle Beschäftigten der Stadt künftig einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde erhalten sollen – nicht nur, weil das Leben in Hamburg teuer ist, sondern auch, um Rentenansprüche zu erhöhen und so der Altersarmut vorzubeugen. Im neuen Koalitionsvertrag von SPD und Grünen wird die schrittweise Umsetzung dieses Anspruchs erneut bekräftigt: „Der Mindestlohn von 12 Euro für städtische Beschäftigte, die Landesbetriebe und die öffentlichen Unternehmen wird regelmäßig überprüft und ggfs. auf weitere Bereiche im Einflussbereich der Stadt Hamburg ausgeweitet“, heißt es dort.

Elbkinder bieten für das Jahr 2020 eine Lohnerhöhung um 1,1 Prozent

Die Mitarbeiterinnen der Elbkinder-Servicegesellschaft profitieren von dieser Ansage bislang noch nicht. Der Einstiegslohn für die Hausarbeiterinnen, die in den Kindertagesstätten sowohl für die Reinigung und Einhaltung der Hygienevorschriften als auch die Zubereitung der Mahlzeiten verantwortlich sind, beträgt zurzeit 11,25 Euro. Das ist zwar deutlich mehr als der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde, aber eben noch ein Stück von 12 Euro entfernt. Die Gewerkschaft Ver.di hatte zu Beginn der Tarifverhandlungen zehn Prozent mehr Lohn gefordert, diese Forderung im Mai allerdings auf 12 Euro Stundenlohn abgesenkt, was einer Erhöhung um gut 6,6 Prozent entspricht.

Die Elbkinder weisen diese Forderungen als „wirtschaftlich nicht umsetzbar“ zurück und bieten für das Jahr 2020 eine Lohnerhöhung um 1,1 Prozent und einen zusätzlichen Urlaubstag an. Erst von Mai 2021 an soll dann der Mindestlohn von 12 Euro gelten. So sei es 2018 mit Ver.di vereinbart worden. „Die Elbkinder fragen sich, warum solche Vereinbarungen plötzlich nicht mehr gelten sollen“, heißt es in einer Stellungnahme der Geschäftsführung.

Beschäftigte hatten sich in Corona-Krise mehr Entgegenkommen von den Elbkindern erhofft

Doch Hilke Stein und die Streikenden wollen sich mit diesem Angebot nicht zufrieden geben. „Wir sind alle wütend über diese Verhandlungen, die abgebrochen wurden mit diesen minimalistischen Angaben, dass wir ein Prozent mehr kriegen sollen“, meint Maike Nickelsen, die seit 25 Jahren als Hauswirtschaftsleiterin in einer Hamburger Kita arbeitet. Sie freue sich daher über die gute Beteiligung an dem Streik: „Das war nicht absehbar in diesen Zeiten.“

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Viele der Beschäftigten hatten sich gerade nach der Debatte in der Corona-Krise über eine größere Wertschätzung von systemrelevanten Pflege- und Betreuungsberufen mehr Entgegenkommen von den Elbkindern und dem Hamburger Senat erhofft. Dagmar Hegermann, die als hauswirtschaftliche Betriebsleiterin selbst am Verhandlungstisch sitzt, meint: „Unsere Kitas von den Elbkindern hatten nie zu. Wir haben die Gruppenräume für die Kinder systemrelevanter Eltern gesäubert und haben selbst auch die psychische Belastung gehabt, als wir vor Ort waren. Wir wurden in den letzten Jahren immer wieder mit der Systemgastronomie verglichen, aber wir gehen auf Diäten und Nahrungsunverträglichkeiten ein. Wir haben ein zertifiziertes Essen und einen hohen Hygienestandard. Diese ganzen Sachen macht ein Systemgastronom nicht.“ Zu den Gehaltsforderungen hat sie daher eine klare Meinung: „Unsere Geschäftsführung verlangt, was die Bezahlung angeht, ein Drei-Gänge Menü und bezahlt für eine Bockwurst.“

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Auf die Kitas selbst habe der Streik keine Auswirkungen gehabt, sagte eine Elbkinder-Sprecherin. Es habe „keine spürbaren Einschränkungen“ für Kinder und Eltern gegeben. In den acht von insgesamt 187 Kindertagesstätten, in denen die hauswirtschaftliche Arbeit durch die Tochtergesellschaft nicht gewährleistet werden konnte, sei die Essensversorgung durch Caterer und die Reinigung durch externe Firmen sichergestellt worden.