Hamburg. Das Euler-Hermes-Hochhaus an der Friedensallee weicht 460 Wohnungen und einer Kita. Asbest muss entsorgt werden.

Aus dem 21. Stockwerk lässt Christian Stephan den Blick über die Stadt schweifen. Hier oben in gut 80 Metern Höhe liegt einem Hamburg zu Füßen – aber nicht mehr lange. Denn der „weiße Riese“ – unter diesem Namen ist das Hochhaus an der Friedensallee in Bahrenfeld vielen bekannt – fällt. Hier entsteht auf dem rund 20.000 Quadratmeter großen Areal ein neues Wohnquartier. Der Gebäudekomplex wurde Anfang der 1980er-Jahre von Euler Hermes bezogen, bis zu 1200 Mitarbeiter waren an diesem Standort für den Versicherungskonzern tätig.

Seit Anfang des Jahres ist das Unternehmen in einen Neubau mit begrünten Dächern und Parkhaus direkt nebenan eingezogen, und im März wurde das Hochhaus an den neuen Eigentümer übergeben. Das ist die Hamburger Quantum Immobilien AG, Projektleiter Christian Stephan koordiniert jetzt den Abriss, mit dem die auf Abbruch spezialisierte Firma BST Becker Sanierungstechnik GmbH aus Oberhausen beauftragt wurde. „Das dürfte der größte Abbruch eines einzelnen Hochhauses in Hamburg seit der Sprengung des Millerntorhochhauses Mitte der 1990er-Jahre sein“, sagt Christian Stephan. Aktuell wird das Gebäude komplett entkernt. „Die Möbel und alle beweglichen Gegenstände hatte Euler Hermes aus dem Gebäude räumen lassen, aber alles andere baut die von uns beauftragte Firma jetzt aus“, sagte Stephan beim Ortstermin in der 21. Etage.

Abriss des Gebäudes soll Ende des Jahres starten

Die gleicht in der Tat einem Rohbau. Der Teppich ist raus, auch die Kabel und Leitungen wurden entfernt. Die Wände, Türen und Sanitäranlagen wurden ausgebaut. Nur die Marmorverkleidung auf dem Flur, da wo die Fahrstühle sind, hängt noch. „Die Arbeiter gehen Etage für Etage vor. Alle Ausbauten werden nach Materialien getrennt und recycelt“, sagt Stephan. Natürlich wurde auch in diesem von 1977 bis 1981 errichteten Gebäude Asbest verbaut. „In diesem Fall in rund 42.000 Spanhülsen aus Beton, jede einzelne dieser ummantelten Hülsen wird nun aus dem Mauerwerk gebohrt und dann fachgerecht entsorgt“, so Projektleiter Stephan. Während es im 21. Stockwerk wie in einem Rohbau aussieht, ist in der elften Etage vom Abriss noch wenig zu sehen.

Die Lampen im ehemaligen Speiseraum für Gäste hängen noch.
Die Lampen im ehemaligen Speiseraum für Gäste hängen noch. © Roland Magunia

Hier stehen sogar noch die Namen der Mitarbeiter an den Einzelbüros, die mit blauem Teppich ausgelegt sind. Im Erdgeschoss führt Stephan in den mit blau lackiertem Holz vertäfelten Speisesalon, der einst der Chefetage vorbehalten war – aber auch hier muss alles in den nächsten Monaten raus. Bis zum Herbst soll die Entkernung des Gebäudes abgeschlossen sein. Dann wird das Euler-Hermes-Hochhaus eingerüstet und die Fenster herausgenommen. Danach wird die Aluminiumfassade entfernt. „Wenn diese Arbeiten erledigt sind, dann steht nur noch das Betongerüst. Mit dem Abriss des Gebäudes wollen wir Ende des Jahres beginnen“, sagt Stephan.

Die ersten Wohnungen sollen Mitte 2023 bezogen werden

Zuvor müssen Spezialbagger auf das Dach transportiert werden, „die sich dann Stockwerk für Stockwerk nach unten arbeiten. Das dauert pro Etage etwa zwei bis drei Wochen“, sagt Stephan. Erst ab der achten Etage sollen dann Longfront-Bagger zum Einsatz kommen, wie zuletzt beim Abriss der drei City-Hochhäuser am Klosterwall. „Der Bauschutt wird von den Arbeitern nach unten transportiert und dort geschreddert. Das Material muss nicht abtransportiert werden, weil wir damit das dritte Untergeschoss der Tiefgarage verfüllen können. Die Neubauten werden maximal zwei Untergeschosse haben“, sagt Stephan.

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Der Abriss soll bis Herbst 2021 abgeschlossen sein. Danach fällt der Startschuss für den Bau der „Ottenser Höfe“ mit rund 460 Wohnungen ­– davon sollen 160 öffentlich gefördert werden. Die Gesamtinvestition inklusive Abriss liegt bei rund 350 Millionen Euro. Die fünf- bis achtgeschossigen Gebäude – es wird auch Flächen für Büros geben – wurden von den Hamburger Architekten Schenk Fleischhaker entworfen. Auch eine Kita für 100 Kinder, ein Spielplatz und Grünflächen sind geplant. Die ersten Wohnungen sollen bis Mitte 2023 bezogen werden können. Die Projektentwicklung auf dem ehemaligen Euler-Hermes-Gelände ist Teil des neuen „Wohnquartiers Friedensallee“. Insgesamt sollen auf gut acht Hektar zwischen Friedensallee, Hohenzollernring und den S-Bahn-Gleisen im Norden 1200 Wohnungen entstehen.