Hamburg. Mieterverein kritisiert: Wohnungsbaukonzern macht Gewinne auf Kosten der Mieter. Das Unternehmen weist alle Vorwürfe zurück.
Auf den ersten Blick scheinen die Beträge viel zu klein, um groß darüber zu streiten. Es geht etwa um 2,77 Euro für die anteilige Pflege des Rasens, um 1,66 Euro für den Heckenschnitt oder um 8,52 Euro für die Schädlingsbekämpfung, alles wohlgemerkt für ein ganzes Jahr. Und doch könnte dieser Konflikt um eine Betriebskosten-Nachforderung aus dem Jahr 2018 Gerichte beschäftigen. Denn am Ende geht es immerhin um 407,42 Euro für den Mieter in Steilshoop. Und um das große Ganze.
Der Fall in Steilshoop ist nur einer von vielen, seit Monaten streitet der Mieterverein zu Hamburg mit dem Vonovia Konzern um das Thema Betriebskosten. Bei dem Konflikt geht es um eine sehr grundsätzliche Frage: Rechnet der mit 400.000 Wohnungen größte deutsche Vermieter Betriebskosten intransparent und in Teilen überhöht ab?
Vonovia macht konzerneigene Gewinne
So sieht es zumindest Rolf Bosse, Vorstandsmitglied des Mietervereins zu Hamburg: „Der Vonovia-Konzern beauftragt eigene Tochtergesellschaften mit Dienstleistungen wie Hausmeister-Tätigkeiten, Winterdiensten oder Gartenpflege. Tochtergesellschaften wie die Vonovia Wohnumfeld Service GmbH schreiben dann ihre Rechnungen an den Konzern und sorgen damit für konzerneigene Gewinne. Das ist aus unserer Sicht unzulässig.“
Betriebskosten seien „durchlaufende Kosten, die an den Mieter in genau dieser Höhe weitergegeben werden sollen. Sie dürfen nicht dazu dienen, Gewinne zu erzielen“. Verwaltungskosten dürften ohnehin nicht auf den Mieter umgelegt werden. Bosse beklagt mangelnde Transparenz: „In den Belegen bei den Betriebskosten wird zwar aufgeschlüsselt, wie viel Quadratmeter Rasen zu welchem Preis gemäht wurde. Für uns ist aber entscheidend, welche Kosten der Subunternehmer gegenüber der Vonovia-Tochtergesellschaft abgerechnet hat. Und diese Belege gibt uns die Vonovia nicht.“
Gerichte entscheiden unterschiedlich
Die Vonovia sieht dies völlig anders: „Arbeitsverträge unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen wir genauso wenig vor wie externe Dienstleister. Da ist für uns die Grenze, und auch das ist marktüblich. Andere Informationen liefern wir ausführlich und verbessern unsere Transparenz laufend“, heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns gegenüber dem Abendblatt.
Das Problem: Die Gerichte sehen das Problem unterschiedlich. Das Amtsgericht Dresden verneinte den Anspruch der Mieter auf die Einsichtnahme in die entsprechenden Belege der Subunternehmer, diese seien für Mieter „irrelevant“. Das Amtsgericht München gab dagegen dem Mitglied des dortigen Mietervereins recht. Der Wohnungskonzern sei auf Mieterwunsch verpflichtet, die genauen Abrechnungen unter seinen Tochtergesellschaften etwa für Hausmeisterdienste offenzulegen. Und verurteilte den Konzern, einen Teil der Nebenkosten zu erstatten.
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Vonovia profitiert von seiner Marktmacht
Die zweite Instanz kassierte zwar diese Erstattung: Der Mieter hätte zunächst auf Belegeinsicht klagen müssen statt direkt auf die Rückzahlung. Doch auch das Landgericht monierte fehlende Transparenz: Das Unternehmen habe zwar in technischen Details wie der Wartung von Rauchabzugsklappen und Feuerlöschern die nötigen Einblicke gewährt, nicht aber im zentralen Punkt der Verträge zwischen der Vonovia und ihren Service-Tochtergesellschaften: Eben bei den Hausmeistern, die bei der Vonovia Objektbetreuer genannt werden. Der Aufwand, einen Einblick in echte, aussagekräftige Leistungsverzeichnisse und anonymisierte Arbeitsverträge zu gewähren, sei für den Vermieter zumutbar – und für den Mieter wichtig.
Allerdings unterscheiden sich die Prozesse in Dresden und in München in einem zentralen Punkt. In Dresden hatten Mieter eines frei finanzierten Mietshauses geklagt, in München Mieter aus einer öffentlich geförderten Immobilie.
Nun könnte man den Streit um Belege trotz der hohen Zahl betroffener Mieter für eher akademischer Natur halten, wenn sich die Vonovia-Betriebskosten im üblichen Rahmen halten. Dies ist aus Sicht des Mietervereins sogar im Grundsatz der Fall: „Die Nebenkostenabrechnungen bei der Vonovia liegen nicht signifikant über dem Durchschnitt.“ Das ist aus Bosses Sicht nicht wirklich überraschend – der Konzern profitiere hier von seiner Marktmacht, könne bei Ausschreibungen auf entsprechend gute Angebote von Dienstleistern hoffen. Aber genau davon sollten eben die Mieter profitieren – und nicht die Aktionäre.
Konzern streitet Vorwürfe ab
Und laut Bosse seien manche Kosten eben doch sehr hoch – etwa für Winterdienste: „Da werden mitunter auch Einsätze an Tagen abgerechnet, die meteorologisch nicht zu erklären sind.“ Bosse verweist auf eine Erhebung von Vonovia-Mietern in Witten: Dort habe laut Mietern von 44 abgerechneten Winterdienst-Einsätzen im Jahr 2016 nur ein einziger wirklich stattgefunden. Der „Spiegel“ nannte 2018 in einem Report weitere Fälle dramatischer Nebenkosten-Steigerungen, kritisierte „eine Gewinnmaschine, die laufend mehr Geld in die Vonovia-Kasse spült“. Das Geschäftsmodell entspreche dem Prinzip: „Vonovia bestellt, Vonovia kassiert – und der Mieter muss zahlen.“
Der Konzern streitet dies ab: „Wir erbringen unsere Dienstleistungen zum Vorteil für unsere Mieterinnen und Mieter. Dazu gehören marktgerechte und stabile Preise sowie geringe Kosten. Unsere Tochtergesellschaften erbringen die Leistungen teilweise durch eigenes Personal, teilweise durch Einschaltung langjähriger Dienstleistungspartner.“ Die Preise seien „ortsüblich“, die Rendite der Tochterfirmen „gering und ebenfalls marktüblich“. Vonovia-Mieter hätten 2018 fast acht Prozent weniger Nebenkosten gezahlt als im bundesweiten Schnitt.
Betriebskosten:
- Der Mieterverein zu Hamburg empfiehlt eine genaue Prüfung der Betriebskostenabrechnung. Prüfen solle man vor allem:
- Ist die Abrechnung rechtzeitig gekommen? Spätestens zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums muss sie dem Mieter vorliegen, sonst verfällt eine etwaige Nachforderung des Vermieters.
- Sind die einzelnen Kostenarten konkret benannt und mit ihren jeweiligen Gesamtkosten aufgeführt? Ungültig: „sonstige Betriebskosten“.
- Sind nur gesetzlich zugelassene Kosten aufgeführt? Unzulässig sind z. B. Verwaltungskosten, Bankgebühren, Reparaturen.
- Sind auffällige Kostensteigerungen eingetreten? Vergleichen Sie die neue Abrechnung mit der vom letzten Jahr!
- Werden Kostenarten erstmals aufgeführt? Das ist nur in engen Grenzen erlaubt.
- Der Mieterverein bietet auch Nicht-Mitgliedern einen kostenlosen Online-Check an
(www.mieterverein-hamburg.de).
Laut einer Konzernsprecherin seien die hausinternen Lösungen, „eine Reaktion auf schlechte Leistungen, hohe Preise und einen angespannten Markt für Fachkräfte, als die Arbeiten noch komplett von externen Firmen durchgeführt wurden“. Dennoch kämen sehr wohl weiter externe Dienstleister zum Zuge, sofern diese gut und kostengünstig arbeiten würden.
Mit Spannung erwartet die Branche nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs, das Landgericht München hat die Revision ausdrücklich zugelassen. Die Karlsruher Richter werden sich mit der Frage beschäftigen, ob Mietern von Sozialwohnungen grundsätzlich ein besonders umfangreiches Recht auf Belegeinsicht zusteht. Oder eben nicht.