Hamburg. Sechs Top-Köche haben für Helios ein Speisenkonzept entwickelt. Patienten der Endo-Klinik schlemmen bereits seit Mai.

„Schweinelende, garniert mit Karotten, Sellerie und Lauch an feiner Kapern-Senfsauce“ oder „Filet vom schwarzen Heilbutt auf Glasnudeln in pikanter Kokosnussmilch-Chili-Soße“ – ist das nun Sterneküche oder Krankenhausessen? Die Antwort: beides. Denn für den mit 86 Häusern größten privaten Krankenhausträger Helios, zu dem auch die Endo-Klinik an der Holstenstraße gehört, haben sechs Spitzenköche, die zusammen auf zwölf Michelin-Sterne kommen, neue Rezepturen entwickelt.

In fünf Häusern der Gruppe, darunter eben auch in der Endo-Klinik, werden die von den Sterneköchen inspirierten Gerichte seit Mai an den Krankenbetten serviert – und die Patienten seien auf den Geschmack gekommen, sagt Helios-COO (Chief Operating Officer) Enrico Jensch. 86 Prozent hätten das neue Speisenangebot in einer repräsentativen Umfrage mit „sehr gut“ bewertet. „Medizinisch waren wir immer schon top“, so Jensch. „Aber die herausragende Leistung von Ärzten und Pflegern ist nicht unbedingt das, was am meisten hängen bleibt.“

Größter Kritikpunkt im Krankenhaus: "Das Essen schmeckt nicht"

Eine Einschätzung, die auch Prof. Dr. Thorsten Gehrke, Ärztlicher Direktor der Endo-Klinik, bestätigt: „95 Prozent der Patienten sind mit ihrem Aufenthalt bei uns sehr zufrieden. Warum nur 95 Prozent? Weil der größte Kritikpunkt in der Vergangenheit war: Das Essen schmeckt nicht.“

Das soll nun anders werden – und zwar mit der Elite der Spitzenköche: Juan Amador, einziger Drei-Sterne-Koch Österreichs, ist bei der Offensive ebenso dabei wie Nils Henkel, Hendrik Otto, Deutschlands jüngste Sterneköchin, Maike Menzel, sowie Thomas Bühner, dessen Restaurant La Vie in Osnabrück sieben Jahre lang mit drei Michelin-Sternen dekoriert war, und Zwei-Sterne-Koch Christoph Rüffer aus dem Haerlin im Vier Jahreszeiten.

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Warum Christoph Rüffer das Projekt unterstützt

„Meine Mutter ist in meiner Heimatstadt Essen dreimal am Knie operiert worden“, erzählt Christoph Rüffer. „Sie sagte mir damals: Ach, Junge, jetzt ein schönes Kartoffelpüree von dir, und es würde mir schon viel besser gehen.“ Es sei auch diese persönliche Anekdote gewesen, die ihn sofort habe zusagen lassen, als Erfolgsgastronom und Managementberater Carsten Rath im vergangenen Oktober die besten Köche des Landes für das Projekt anfragte.

Dass Krankenhausessen bisher an „fahrlässige Körperverletzung“ gegrenzt habe, sei sicher überspitzt formuliert. „Aber ganz weit weg davon war es teilweise auch nicht“, sagt Thomas Bühner, der seit der Schließung seines Restaurants weltweit als Gastkoch gefragt ist. „Ich glaube, dass ein guter Klinikkoch – auf seine eigene Weise natürlich – mindestens so sehr zur Genesung beitragen kann wie ein Oberarzt.“

In der Sternegastronomie gibt niemand 40.000 Essen am Tag aus

Zubereitet werden die insgesamt zwölf Gerichte (zwei pro Sternekoch), die ab 2021 allen Patienten und Mitarbeitern in allen 86 Helios-Häusern voraussichtlich gegen einen Aufpreis von etwa drei bis vier Euro zusätzlich zum bestehenden Menüplan angeboten werden sollen, in der Hofmann Menü Manufaktur im fränkischen Boxberg. Dort wird das Essen teilgegart und dann tiefgefroren an die Krankenhäuser geliefert.

„Natürlich haben wir Köche zunächst mal überlegt, was bei diesen Mengen machbar ist“, sagt Christoph Rüffer. Schließlich gebe in der Sternegastronomie niemand 40.000 Essen am Tag raus. „Es geht nicht darum, etwas Abgehobenes auf die Teller zu bringen“, sagt Thomas Bühner. „Wir wollen zeigen, dass man mit Passion auch aus einfachen Zutaten eine ausgewogene Mahlzeit zaubern kann, die richtig gut schmeckt.“ Das passende Kochbuch zum Projekt soll in den nächsten Wochen entstehen.

Die Sterneküche fürs Krankenhaus sei für Helios aber „kein Marketing-Gag“, betont Frenzel Simon, Vorsitzender der Helios-Geschäftsführung. „Wir legen das Projekt langfristig an, die Menüs werden wechseln. Gewinn machen wir damit nicht.“ Es gehe darum, die Erwartungen der Patienten zu erfüllen.

Auch andere Kliniken arbeiten mit Spitzenköchen zusammen

Dass Essen dabei eine große Rolle spielt, haben auch andere Kliniken erkannt: Der Asklepios-Konzern arbeitet seit 2018 mit Zwei-Sterne-Koch Thomas Martin aus dem Louis C. Jacob zusammen, der alle sechs Monate drei neue Hauptgänge entwickelt. Der Zuschlag für ein Zweibettzimmer der Kategorie „Komfort Plus“, das neben anderen Annehmlichkeiten unter anderem die „Martin-Menüs“ beinhaltet, liege bei etwa 70 Euro pro Tag. Allein im vergangenen Jahr seien mehr als 26.500 der vom Spitzenkoch entwickelten Gerichte serviert worden.

Für das UKE hat schon Sternekoch Wahabi Nouri (Piment) gekocht, grundsätzlich umfasst die Mittagskarte mehr als 20 Gerichte, die auf Porzellantellern und unter einer silbernen Cloche gereicht werden. Sogenannte „Wahlleistungspatienten“ könnten auch abends warme Speisen bestellen. Im Albertinen zeichnet Fred Nowak, ehemaliger Konzeptentwickler für Tim Mälzer und Ex-Küchendirektor im Hotel Empire Riverside, für das Speisenangebot verantwortlich. Auch das Katholische Marienkrankenhaus hält für Patienten, die einen Aufschlag zahlen, sogenannte „Premium Menüs“ bereit, die „wie im Restaurant à la carte gewählt werden können“. Im Krankenhaus Tabea (130 Betten) kocht Peter Könemann, der vorher lange Jahre im Hotel Atlantic am Herd stand.

„Die Patienten erwarten einfach, dass der Klinikaufenthalt auch Erlebnis bietet“, so Enrico Jensch von Helios.