Hamburg. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat den Fahrplan für die Öffnung der rund 1100 Kindertagesstätten Hamburg vorgestellt.
Für die scheidende Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) war es „die Maßnahme, die mir neben dem Besuchsverbot für Pflegeheime am schwersten gefallen ist“, wie sie im Abendblatt-Interview sagte. Und auch Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die weitgehende „Schließung“ der Kitas Mitte März ein Riesenproblem für Familien war. „Für die Kinder war das eine Beschneidung ihrer Kontakt-, aber ehrlicherweise auch ihrer Entwicklungschancen, und für die Eltern eine nervenzehrende Mehrfachbelastung“, sagte sie am Montag.
Umso erfreuter zeigte sich Leonhard, dass die rund 1100 Kitas in der Stadt vom 18. Juni an einen Paradigmenwechsel vollziehen können: weg von der Notbetreuung, zurück zum Regelbetrieb, wenn auch mit Einschränkungen. Denn offiziell waren die Kitas in Hamburg ja nie geschlossen, sondern alle sollten eine Notbetreuung anbieten. Da aber gleichzeitig dazu aufgerufen wurde, diese möglichst nicht zu nutzen und sich die Hamburger Eltern ziemlich diszipliniert daran gehalten haben, waren die Kindertagesstätten über Wochen mehr oder weniger verwaist. Nur zwei bis drei Prozent der 90.000 Kita-Kinder wurden Ende März noch betreut.
In den Kitas hat sich kein Infektionsgeschehen entwickelt
Das änderte sich erst, als die Notbetreuung von Ende April an schrittweise ausgeweitet wurde, zunächst auf Kinder von Alleinerziehenden, dann auch auf Vorschulkinder und zuletzt auf die Viereinhalbjährigen und ihre Geschwister. Obwohl das stets unter der Maßgabe geschah, dass Kinder nur in die Betreuung gebracht werden sollten, wenn es unbedingt notwendig ist, waren zuletzt schon wieder rund 50 Prozent der Kinder zurück in den Kitas.
„Wir haben von Woche zu Woche sehr gründlich abgewogen, welche Einschränkungen weiterhin nötig und welche Lockerungen möglich sind“, sagte Leonhard. „Die Rechte von Kindern, die Interessen der Eltern und der Schutz der Fachkräfte und der Gesundheit aller müssen bei den Entscheidungen in Einklang kommen.“ Und die Erkenntnisse aus den Lockerungen waren relativ eindeutig: „Die Erfahrungen aus der Praxis der vergangenen Wochen zeigen uns, dass sich kein Infektionsgeschehen in den Kitas entwickelt hat“, so die Senatorin. Daher könnten „endlich wieder alle Kinder in die Kitas gehen".
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Vorerst gilt nur ein "eingeschränkter Regelbetrieb"
Dennoch wird vorerst nur von „eingeschränktem Regelbetrieb“ gesprochen. Denn sollte etwa in einer Kita nicht ausreichend Personal zur Verfügung stehen, weil Mitarbeiterinnen zur Corona-Risikogruppe gehören, oder sollten Hygieneschutzmaßnahmen aus baulichen Gründen nicht eingehalten werden können, kann die Betreuung auch weiterhin eingeschränkt werden. Allerdings gilt die Ansage der Sozialbehörde, dass allen Eltern für ihr Kind mindestens eine Betreuung von 20 Stunden an drei Tagen angeboten werden soll.
Einschränkungen gelten auch noch hinsichtlich Ausflügen (nur in die nähere Umgebung wie zu Spielplätzen) und für gruppenübergreifende pädagogische Arbeit in Kleingruppen, die kaum möglich ist, da die Kinder möglichst in ihren angestammten Gruppen verbleiben sollen. „Das Virus ist nicht verschwunden“, warnte Leonhard. „Es ist weiter Umsicht und auch etwas Rücksicht von allen gefordert.“ Aufgrund der nach wie vor bestehenden Einschränkungen erlässt der Senat den Eltern, die für ihre Kinder mehr als die gebührenfreie fünfstündige Grundbetreuung in Anspruch nehmen, auch weiterhin die Gebühren.
Unterstützung für den Kurs kam sogar von der Opposition
Einen Zeitpunkt für die vollständige Rückkehr zum Regelbetrieb könne sie noch nicht nennen, sagte Leonhard. Das werde „in Abhängigkeit vom weiteren Infektionsgeschehen“ entschieden. Weitere Indizien dafür, dass die Normalität noch ein Stück entfernt ist: Beschäftigte in den Einrichtungen können jederzeit einen Corona-Test machen, die Kosten übernimmt die Stadt. Und das Robert-Koch-Institut wird die Kita-Öffnung wissenschaftlich begleiten.
Bei den Trägern überwog die Freude: „Wir freuen uns, in den Kitas wieder alle Kinder im eingeschränkten Regelbetrieb begrüßen zu können“, sagte Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg. Aufgrund der möglichen Probleme sollten Eltern aber „nicht das volle Programm erwarten“. Der Landeselternausschuss LEA begrüße den Schritt in Richtung Regelbetrieb ebenfalls grundsätzlich, sagte Vorstandsmitglied David Korte. Das sei ja der Wunsch einer Mehrheit der Eltern. Allerdings sehe er noch Probleme im Ablauf. Dass die Behörde den Kitas viel Freiheit bei der Erstellung ihrer Konzepte einräume, sei einerseits gut. Aber manche Kita sei auch ziemlich ratlos, wie sie Hygienegebote und Pädagogik unter einen Hut bringen solle. In einigen Punkten machte die Sozialsenatorin allerdings klare Ansagen: Mundschutz müssten die Kinder nicht tragen, das gelte in Hamburg generell erst ab sieben Jahren, so Leonhard. Und Singen sei erlaubt.
Unterstützung für den Kurs kam sogar von der Opposition: „Es wurde wirklich Zeit, dass Hamburgs Kitas wieder für alle Kinder öffnen“, sagte Silke Seif (CDU). Insa Tietjen (Linkspartei) begrüßte den Schritt ebenfalls und forderte: „Wichtig ist jetzt, dass die Rückkehr zu einer Art Normalität im Dialog mit allen Beschäftigten und Eltern erfolgt. Dabei müssen insbesondere die Folgen der letzten Wochen für die Entwicklung vieler Kinder erfasst, ausgewertet und berücksichtigt werden.“