Hamburg. Es gibt wieder erste Präsenzveranstaltungen. Doch an Hamburgs Hochschulen wird viel Online-Unterricht bleiben – auch langfristig.

Das Coronavirus hat den Alltag an Hamburgs Hochschulen kräftig durcheinandergewirbelt. Das Sommersemester startete mit Verspätung und zunächst ausschließlich mit digitaler Lehre. Mittlerweile finden wieder die ersten Präsenzveranstaltungen statt – unter großen Sicherheitsvorkehrungen. Doch Covid-19 wird den Wissenschaftsbetrieb weiter begleiten. Schon jetzt steht fest, dass das Wintersemester 2020/2021 ebenfalls später beginnt als ursprünglich geplant.

Statt Vorlesungen in großen Hörsälen wird es auch dann weiterhin viel Online-Unterricht geben. Was aus der Not geboren wurde, betrachten viele Hochschulen mittlerweile aber nicht nur als eine Herausforderung – im Gegenteil. Sie sehen den Digitalisierungsschub als große Chance. Studieren nach Corona dürfte nie mehr so sein wie vor der Pandemie. Viele digitale Elemente könnten auch erhalten bleiben, wenn die Pandemie längst Geschichte ist.

Auch im Wintersemester digitale Lehrangebote

„Wir wollen den erheblichen Modernisierungsschub nutzen und die Verfügbarkeit von digitalen Lehr- und Lernangeboten gemeinsam mit dem Bund auch in Zukunft weiter ausbauen“, sagt Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne). „Ebenso wie Forschung und Transfer können auch Studium und Lehre an Hochschulen erheblich von kluger Digitalisierung profitieren und so die Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems insgesamt stärken.“

Die Hochschulen hätten die kurzfristige Umstellung der Lehre auf digitale Formate mit einer großen Kraftanstrengung und viel Kreativität gemeistert, so Fegebank. Alle Beteiligten hätten mit großem Engagement daran mitgewirkt, den Studierenden ein digitales Sommersemester zu ermöglichen. „Soweit sich das derzeit beurteilen lässt, wird es aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich auch im Wintersemester digitale Lehrangebote geben.“

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Weil in vielen Bundesländern die Abiturprüfungen in diesem Jahr später stattfanden und sich die Studienplatzvergabe dadurch verzögert, hat die Kultusministerkonferenz beschlossen, dass das Wintersemester erst am 1. November beginnt – statt wie sonst üblich Anfang oder Mitte Oktober.

Weniger als 200 Menschen können in den Hörsaal

Die Universität Hamburg geht davon aus, dass das Wintersemester 2020/2021 in geordneter Weise, aber mit deutlichen digitalen Elementen durchgeführt werden kann, heißt es von Uni-Präsident Dieter Lenzen. Dieses werde abhängig sein von der Frage, ob die Abstandsgebote auch im Wintersemester noch anzuwenden sind. In diesem Fall sind größere Präsenzveranstaltungen ausgeschlossen. Selbst die größtmögliche Veranstaltung in einem Hörsaal der Uni Hamburg kann unter Einhaltung der Abstandsregeln nur mit deutlich weniger als 200 Personen stattfinden.

So wird die Lehre weiterhin viele digitale Elemente enthalten. Als „Königsweg“ sieht man an der Uni Hamburg das „blended learning“, also eine Mischform zwischen digitaler und präsentischer Lehre. Die Entscheidung über die Mischung liegt bei den Lehrenden. Auch an Hamburgs größter Hochschule will man den Modernisierungsschub der Corona-Krise nutzen. Nach einer kurzen, anfänglichen Gewöhnungsphase liefen die digitalen Veranstaltungen überraschend gut, heißt es. Der Lerneffekt sei weitestgehend normal. Die Uni Hamburg wird dies wissenschaftlich evaluieren und daraus für die Zukunft Konsequenzen ziehen. Die Ergebnisse der Evaluierung durch das Hamburger Zentrum für Universitäres Lehren und Lernen (HUL) sollen nicht vor September vorliegen.

Professor hatte das Gefühl, in „schwarze Box“ zu sprechen

An der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg haben am 18. Mai wieder die ersten Präsenzveranstaltungen in Laboren begonnen. So beugten sich im Labor für Produktionsmittel des Bereichs Umformtechnik beispielsweise die Studenten – weit auseinandersitzend – bereits wieder über ihre Tische, während vorn ihr Dozent Benjamin Remmers an der Tafel den Stoff erklärte. Was sonst an der HAW Hamburg Alltag ist, wird in Corona-Zeiten zur Besonderheit – ein erster Schritt in die Normalität. Mehr oder weniger 100 Prozent der Lehre konnte am Department Maschinenbau und Produktion digital abgewickelt werden.

„Aber es ist nicht das Gleiche, ob man mit den Studierenden in Präsenz an der Hochschule interagiert oder per Zoom oder MS Teams Vorlesungen hält“, sagt Professor Enno Stöver, stellvertretender Departmentleiter. Oftmals hatte er das Gefühl, in eine „schwarze Box“ hineinzusprechen, denn die Studierenden schalten das Mikrofon und die Kamera aus. Aus guten Gründen, denn sonst läuft die Verbindung im Chat bei den vielen Teilnehmern manchmal schlecht. „Am Anfang war das schon ziemlich anstrengend, ich war nach den Vorlesungen durchaus erledigt“, so der Professor.

Persönliche Begegnung bleibt an der HAW Hamburg unersetzlich

Die HAW hat einen hohen Praxisanteil, der lässt sich nicht rein virtuell vermitteln. Dennoch, so Stöver, habe man auch gute Erfahrungen gemacht. „Interessant wird es, dieses für die Zukunft weiterzuentwickeln“ – zum Beispiel, ob Veranstaltungen mit mehreren Studiengruppen gemeinsam betrachtet werden können und ein Mix aus digitaler und analoger Lehre angeboten werden kann.

„Mit dem abrupten Wechsel vom Präsenz- zum Online-Lehrbetrieb haben wir als Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse zur Digitalisierung von Studium und Lehre gesammelt“, sagt HAW-Präsident Micha Teuscher. „Für ein hybrides Lernen, das den Präsenz-Lehrbetrieb und das Lernen in räumlicher Distanz künftig stärker miteinander verbindet, sind diese Erfahrungen hilfreich.“ Die persönliche Begegnung mit unseren Studierenden im Lehr- und Lernkontext bleibe an der HAW Hamburg unersetzlich – gerade bei der großen Diversität der Studierenden sei es wichtig, jeden Einzelnen anzusprechen und beim Lernen zu unterstützen.