Hamburg. Wechselwochen, Blocktage, Stunden-Pläne: Hamburgs Schulen suchen den Königsweg zur Normalität. Kritik an Hygieneplan.
Für die einen ist der teilweise Unterricht in der Schule fast schon wieder Alltag, andere Hamburger Schülerinnen und Schüler hatten am Montag ihren ersten Schultag nach neun Wochen Pause wegen der Corona-Pandemie.
Wie in anderen Bundesländern auch startet der Präsenzunterricht in Hamburg in Stufen. Zu den Jungen und Mädchen, die als Letzte wieder Schulluft schnuppern dürfen, zählen die Schüler der ersten bis dritten Klassen, der Klassen fünf, sieben und acht an Stadtteilschulen und Gymnasien sowie der sechsten Klasse an der Stadtteilschule. Für sie gilt die Regel: ein Tag Schule pro Woche.
Schichtunterricht – vier Vorschläge von der Schulbehörde
Zuvor waren am 27. April die Abschlussklassen an Stadtteilschulen und Gymnasien zumindest teilweise in die Schulen zurückgekehrt, um sich auf die Prüfungen vorzubereiten und die Klausuren dann zu schreiben. Am 4. Mai folgten die Schüler der Übergangsklassen: Viertklässler, Sechstklässler des Gymnasiums, die Elftklässler und die Schüler der zwölften Klassen der Stadtteilschulen. Aufwachsend von Woche zu Woche soll letztlich die Hälfte des Unterrichts regulär erteilt werden.
Für den Schulbetrieb gelten strikte Schutzmaßnahmen, um eine Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. Alle Klassen wurden in Lerngruppen mit höchstens 15 Schülern eingeteilt, was zu „Schichtunterricht“ führt. Die Schulbehörde hat vier Modelle vorgeschlagen: wöchentlicher Wechsel, täglicher Wechsel, Blocktage oder Vormittags- und Nachmittagsunterricht.
Wechselwochen, Blocktage, Stunden-Pläne: viele Wege führen zum Unterricht
„Die Schulbehörde hat für jede Klassenstufe die Zahl der Unterrichtsstunden genau festgelegt und damit für alle Schulen einen verbindlichen Rahmen geschaffen. Wie in vielen anderen Bundesländern dürfen auch in Hamburg die Schulen bei der Umsetzung dieser Vorgaben zwischen verschiedenen Unterrichtsmodellen wählen, damit sie sich flexibel auf die Lern- und Lebensbedingungen ihrer Schüler- und Elternschaft einstellen können“, sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Beispiele aus Hamburger Schulen zeigen, wie unterschiedlich die schrittweise Rückkehr organisiert wird:
- Achte Klasse, Gymnasium Bondenwald: einmal pro Woche Unterricht in der Schule von 8 bis 13.10 Uhr. Die eine Hälfte der Klasse (28 Schüler) am Dienstag, die andere am Donnerstag. Fächer: Deutsch, Mathematik, Englisch und Geografie. Homeschooling findet weiter statt, vor allem in den anderen Fächern Chemie, Biologie, Informatik, PGW, Philosophie. Nur Sport fällt komplett aus. Catering findet statt.
- Studienstufe S2, Alexander-von-Humboldt-Gymnasium: fünf Tage in der Woche Unterricht, aber nur alle zwei Wochen. Andere Mitschüler haben – je nach Fächerkombination – drei Tage in der einen Woche und zwei in der anderen, oder zwei Stunden an einem Tag, vier an einem anderen und den Rest in der Woche drauf.
- Fünfte Klasse, Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium: immer dienstags, achte Klasse Corvey-Gymnasium in den nächsten vier Wochen an vier unterschiedlichen Wochentagen (Mittwoch, Donnerstag, Montag, Dienstag), jeweils fünf bis sechs Stunden Unterricht ausschließlich Hauptfächer, bzw. die Fächer der Klassenlehrer (in einem Fall Kunst) im 60-Minuten-Takt. Sportunterricht, Theater und Wahlpflichtkurse finden nicht statt.
- Zweite Klasse, Grundschule: eine Woche jeden Tag von 8.30 bis 12.30 Unterricht. Dann noch zwei Montage bis zu den Sommerferien.
- Vierte Klasse, Grundschule: Dreimal die Woche jeweils 75 Minuten Unterricht.
- Siebte Klasse, Gymnasium: jeweils dienstags Unterricht – außer nächste Woche, da ist eine Lehrerfortbildung.
- Zweite Klasse, Bugenhagen-Schule: drei Tage die Woche, je vier Stunden.
- Dritte Klasse, Grundschule Marmstorf: montags zur normalen Zeit (8 bis 13 Uhr), mit der halben Klasse. Die andere Hälfte geht dienstags.
- Dritte Klasse, Grundschule: ein Tag in der Woche hin, von 9 bis 12.30 Uhr. Es gibt die Möglichkeit, dass die Kinder dort anschließend Mittag essen.
- Zehnte Klasse, Gymnasium: seit dem 27. April zunächst jeweils zwei bis drei Stunden in den Kernfächern, dann auch andere Fächer. In der ersten Woche gab es Präsenzunterricht an drei Tagen (weil Abschlussprüfungen, Abitur und mittlerer Schulabschluss), dann fünf Tage die Woche je vier Stunden. Zusätzlich ging Homeschooling weiter. In dieser Woche drei Tage (Donnerstag und Freitag mündliches Abi), dann übernächste Woche einen weiteren Tag. Dafür gibt es jetzt verstärkt Homeschooling.
- Achte Klasse Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium: donnerstags von 8.30 bis 13.45 Uhr: Mathe, Physik, Englisch und Geschichte, in dieser Woche zum ersten Mal. Sechste Klasse: seit dem 4. Mai mittwochs und freitags von 8 bis 13 Uhr.
- Sechste Klasse, Gymnasium Othmarschen: montags von 7.50 bis 10 Uhr, mittwochs und donnerstags von 7.50 bis 11.10 Uhr: Englisch, Mathematik, Deutsch und Geschichte.
Rabe hofft darauf, dass zumindest die Grundschüler nach den Sommerferien wieder regulären Schulunterricht haben werden. „Es gibt in der Wissenschaft immer stärkere Diskussionen darüber, ob diese sehr strengen Corona-Regeln gerade für kleine Kinder wissenschaftlich angemessen sind“, sagte Rabe. Ihn habe beeindruckt, dass vier namhafte wissenschaftliche Gesellschaften erklärt haben, im Grundschulbereich sei „unter Abwägung aller Risiken die Chance da, dass wir zu einer absoluten Normalität zurückkehren können“. Das werde laut Rabe aber frühestens nach den Sommerferien der Fall sein. Allerdings fehlten noch genauere Erkenntnisse hinsichtlich der Infektionsgefahr. „Wir warten ab. Dennoch kann man ein bisschen zuversichtlich sein“, sagte Rabe.
Der Corona-Hygieneplan der Schulbehörde
Eine umfassende Hygiene ist der Dreh- und Angelpunkt für einen sicheren Aufenthalt in der Schule nach den Wochen der Schließung wegen der Corona-Pandemie. Die Schulbehörde hat einen elfseitigen „Muster-Corona-Hygieneplan“ mit detaillierten Verhaltensvorschriften erarbeitet, der für die rund 380 staatlichen Schulen gilt.
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„Wir geben uns alle sehr viel Mühe, dass die Hygieneregeln eingehalten werden können. Dabei geht es nicht nur darum, Abstand zu halten“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei einem Besuch der Grundschule Wielandstraße in Eilbek. So hat die Behörde in den zurückliegenden Tagen 300.000 Flaschen Desinfektionsmittel geordert, die an die Schulen verteilt werden. „Schulbau Hamburg war so erfolgreich bei der Beschaffung von Desinfektionsmitteln, dass die Bundesregierung zwischenzeitlich ein Kontingent beschlagnahmt hat mit dem Hinweis, Krankenhäuser brauchten das dringender“, sagte Rabe.
Desinfektionsmittelspender aus dem 3-D-Drucker
Um einen Engpass bei der Lieferung von Desinfektionsmittelspendern zu umgehen, hat die Behörde 9000 Einheiten bei dem Luftfahrt-Zulieferer Hamburg Aviation Cluster bestellt. Das Unternehmen, das sonst die Luftfahrtindustrie beliefert, stellt die Spender im 3-D-Druck her.
„Für Lehrer und die Beschäftigten an den Schulen haben wir 200.000 Mund-Nase-Masken mit Hamburg-Wappen geordert“, sagte Rabe. Die ersten 90.000 Masken sollen in diesen Tagen an die Schulen geliefert werden. „Obwohl sich schon viele Beschäftigte selbst Masken besorgt haben, wollen wir damit ein Zeichen setzen, dass die Hygieneregeln auch eingehalten werden“, sagte der Schulsenator.
"About You"-Gründer spendet Baumwollmasken
Der Hamburger E-Commerce-Unternehmer Tarek Müller, Gründer und Geschäftsführer des Online-Modehändlers „About You“, hat noch einmal 50.000 Baumwollmasken gespendet. „Ich glaube, dass wir Unternehmer in dieser Situation Verantwortung zeigen müssen. Wir haben unsere Produktion in Portugal und Griechenland kurzerhand umgestellt und so rund zehn Millionen Masken hergestellt, die wir zum Selbstkostenpreis abgeben“, sagte Müller. „Diese großzügige Spende von 50.000 Masken soll direkt an die Schulen für den Fall gehen, dass Schüler ihre Maske vergessen haben, was ja vorkommen soll“, sagte Rabe.
Es besteht keine generelle Pflicht, die Bedeckung für Mund und Nase in der Schule zu tragen, aber die Behörde empfiehlt, den Schutz vor allem während der Pausen und auf den Fluren zu nutzen, wo der Sicherheitsabstand nicht immer eingehalten werden kann. Die Unterrichts- und Klassenräume werden täglich statt wie früher nur zweitäglich gereinigt. Sanitärräume werden zweimal pro Tag gereinigt. Türklinken und Handläufe werden mehrfach am Tag gesäubert.
Kantinen sollen öffnen – Ausgleichszahlungen für Caterer
Im Zuge der schrittweisen Öffnung der Schulen sollen auch die Kantinen wieder öffnen. Solange nur ein Teil der Schüler – derzeit grob gerechnet rund 30 Prozent – jeweils in die Schule kommt, lohnt sich die Herstellung und Anlieferung einer relativ geringen Zahl von Essen für die Caterer häufig wirtschaftlich nicht. Um den Verdienstausfall zu überbrücken und die Versorgung der Kinder mit einer warmen Mahlzeit sicherzustellen, stellt die Behörde nach Angaben Rabes 1,5 Millionen Euro für Ausgleichszahlungen an die Caterer bereit.
Deutliche Kritik kam von der Linken-Fraktion. „Nach neun Wochen der Schließung hat die Behörde weder ein überzeugendes Konzept noch das entsprechende Material, um den Schulen überhaupt die Einhaltung der Hygienestandards zu ermöglichen“, sagte Linken-Bürgerschaftsfraktionschefin Sabine Boeddinghaus. Die schulischen Mitarbeiter klagten seit Langem über ungenügende Schutzausrüstung und große Unklarheit im Umgang mit den Vorschriften.