Hamburg. Auftragskiller soll auf Boss der Hells Angels gefeuert haben. Nun steht er vor Gericht – mit dem Auftraggeber und dessen Vater (73).

Blutüberströmt hing der Mann über dem Lenkrad seines Bentley, lebensgefährlich verletzt durch mehrere Schüsse. Es war ein Mordanschlag, den Dariusch F. (38), Boss der Hells-Angels-Rocker, nur ganz knapp überlebte – und vermutlich ein Racheakt aus dem verfeindeten Milieu, verübt auf offener Straße.

Jetzt stehen die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Verbrechen vom 26. August 2018 vor dem Landgericht: ein Mann, dem ein Rachemotiv nachgesagt wird, dessen Vater – und ein mutmaßlicher Auftragskiller.

Victory-Zeichen und "Daumen hoch" im Gerichtssaal

Vor Prozessbeginn hebt Toryali R. die Hand zum Victory-Zeichen in Richtung seines Sohnes. Und am Ende des ersten Verhandlungstages signalisiert der 73-Jährige noch ein „Daumen hoch“. Der Senior, ein kleiner Mann mit grauem Haarkranz, muss sich auf die nonverbale Kommunikation aus der Distanz beschränken.

Im Gefängnis sind Vater Toryali R. und Sohn Arasch R. (29) räumlich voneinander getrennt, und auch im Gerichtssaal wird streng darauf geachtet, dass die Männer sich nicht austauschen können. Es geht um viel in diesem Prozess. Den beiden Angeklagten, ebenso wie dem mutmaßlichen Auftragskiller,droht die lebenslange Freiheitsstrafe.

Polizisten sichern Spuren neben dem Auto auf dem Millerntorplatz, nachdem Schüsse gefallen waren (Archivfoto).
Polizisten sichern Spuren neben dem Auto auf dem Millerntorplatz, nachdem Schüsse gefallen waren (Archivfoto). © Michael Arning | Michael Arning

Anklage: versuchter Mord aus Heimtücke

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Arasch R. und dessen Vater Toryali R. versuchten Mord aus Heimtücke vor. Der mutmaßliche Auftragskiller Angel I. (27) habe zudem auch aus Habgier gehandelt, heißt es in der Anklage. Arasch R., ein muskelbepackter Mann mit Tattoos, die bis ins Gesicht reichen, gehörte zu den Anfang 2016 aufgelösten Mongols, einer mit den Hells Angels verfeindeten Rockergruppe.

Auf den einstigen Mongols-Rocker und seine Freundin Lisa S. war am 15. Juni 2016 ein Überfall verübt worden, bei dem Arasch R. niedergeschossen und schwer verletzt worden war. Seine Freundin war durch eine Kugel lebensgefährlich verletzt worden. Für diesen Anschlag machte Arasch R. den Ermittlungen zufolge den ranghohen Hell-Angels-Rocker Dariusch F. verantwortlich.

Racheakt zur Wiederherstellung der Ehre

Als Racheakt und „zur Wiederherstellung seiner nach der eigenen Vorstellung beeinträchtigen Ehre“, so die Anklage, habe Arasch R. den Plan entwickelt, den Hells Angels und Kiez-bekannten Zuhälter erschießen zu lassen. Zu der Zeit, als der 29-Jährige den Mordauftrag gegeben haben soll, saß er wegen Waffen- und Drogendelikten im Gefängnis, wo er auch heute noch seine Haftstrafe absitzt.

Der Mordanschlag auf Dariusch F. lief den Ermittlungen zufolge so ab: Über Mittelsmänner nehmen die Rachelüstigen Kontakt zum Bulgaren Angel I. auf, der sich für einen Lohn von 10.000 Euro bereit erklärt, den schmutzigen Job zu übernehmen. Auftraggeber ist demnach Arasch R. In seinem Vater hat er einen tatkräftigen Helfer.

Der 73-jährige Angeklagte sitzt im Prozess neben seinem Anwalt Robert Funk (links).
Der 73-jährige Angeklagte sitzt im Prozess neben seinem Anwalt Robert Funk (links). © dpa

73-Jähriger am Steuer?

Am 25. August 2018 soll die Tat über die Bühne gehen. Dariusch F. soll auf der Straße erschossen werden. Mit dem Auto ist man auf dem Kiez unterwegs, um den Hells-Angels-Boss aufzuspüren. Am Steuer sitzt demnach der 73-Jährige, daneben der Mann mit der Waffe. Doch den Hells-Angels-Boss, den sie suchen, finden sie nicht.

Einen Tag später, am 26. August, kommt es der Anklage zufolge zum Showdown: Arasch R.’s Freundin Lisa S. (25) ist nun auf der Suche nach dem verfeindeten Rocker, sie sitzt am Steuer eines Autos, der gedungene Killer auf dem Beifahrersitz, als sie den auffälligen hellblauen Bentley von Dariusch F. an einer Seitenstraße der Reeperbahn entdecken.

Fünf Schüsse aus nächster Nähe

Als der Fahrer des Bentleys an einer Ampel hält, um in die Reeperbahn einzubiegen, stoppen sie neben dem Luxusauto, und Angel I. gibt aus nächster Nähe fünf Schüsse auf den Hells-Angels-Rocker ab. Der damals 38-Jährige wird an Kopf und Oberkörper getroffen und ist seitdem querschnittsgelähmt.

Gegen den mutmaßlichen Auftraggeber des Verbrechens, Arasch R., sowie gegen seine Freundin Lisa S. hat es wegen des Mordanschlags bereits einen Prozess gegeben. Die Tat sei ein Verbrechen mit „Hinrichtungscharakter“ gewesen, sagte der Vorsitzende Richter damals in der Urteilsbegründung. Die 25-Jährige erhielt unter anderem wegen versuchten Mordes zwölfeinhalb Jahre Haft. Sie hatte ein Teilgeständnis abgelegt, die Gerichtsentscheidung ist rechtskräftig.

Das Urteil gegen Arasch R., der lebenslange Haft wegen Anstiftung zum Mord bekommen hatte, wurde allerdings vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Grund: Das schriftliche Urteil lag erst einen Tag nach der Frist, zu der es hätte fertig sein müssen, vor.

Versprochenen Lohn nie bekommen

Der mutmaßliche Auftragskiller Angel I. sowie der 73-jährige Toryali R. stehen in dieser Sache erstmals vor Gericht. Sie sind erst nach dem ersten Prozess als vermeintliche Mittäter des Mordanschlags gefasst worden. Den versprochenen Lohn von 10.000 Euro für die beinahe tödlichen Schüsse hat der 27-Jährige den Ermittlungen zufolge nicht bekommen. Zwar soll Geld gezahlt worden, aber dann bei Mittelsmännern versickert sein.

Der Mann, der die Schüsse abgegeben haben soll, ist ein Typ von kleiner, gedrungener Gestalt und mit auffallend vernarbtem Gesicht. Angel I. habe im Vorfeld des Prozesses ein „vollumfängliches Geständnis abgelegt“, sagte der Verteidiger des mutmaßlichen Schützen. Das werde der 27-Jährige am nächsten Verhandlungstag wiederholen.

Arasch R., der Mann, der hinter dem Mordanschlag stecken soll, wird vermutlich schweigen. Für die Angeklagten geht es um alles – um ein Leben im Knast.