Hamburg. Omaima A. wird vorgeworfen, wie ihr Mann Denis Cuspert Mitglied des sogenannten “Islamischen Staats“ gewesen zu sein.

Jahrelang lebte die mutmaßliche Terroristin Omaima A. mit ihren Kindern unbehelligt in Hamburg, in einem kleinen Häuschen südlich der Elbe. Vielleicht ließ die Phase der Ruhe die 35-Jährige glauben, dass es immer so weitergehen würde – als hätte es ihr früheres Leben beim sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) gar nicht gegeben. Als seien die Kontakte zu den Top-Terroristen, die Heirat mit Deso Dogg, einem der meistgesuchten Mörder der Welt, oder die Sklavenhaltung einer 13-Jährigen nur eine Episode gewesen. Vielleicht hoffte Omaima A., dass über ihr Vorleben Gras gewachsen ist.

Am 9. September 2019 indes wurde diese Fassade einer bürgerlichen Existenz jäh zertrümmert: Sondereinsatzkräfte führten die gebürtige Hamburgerin mit tunesischen Wurzeln aus ihrem Haus in Neugraben ab. Seither sitzt sie in U-Haft. Ihre drei Kinder hat das Jugendamt Harburg in Obhut genommen.

Jetzt der Prozess: Vom 4. Mai an steht Omaima A. vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Die Anklagepunkte der Bundesanwaltschaft lauten: Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft zulasten eines Kindes unter 14 Jahren, Freiheitsberaubung und Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Journalistin deckte die Vergangenheit der mutmaßlichen IS-Witwe auf

Omaima A.’s Vergangenheit flog auf, als die Journalistin Jenan Moussa im April 2019 ihr Leben an der Seite eines der meistgesuchten IS-Terroristen der Welt, Denis Cuspert, öffentlich machte. Der aus Berlin stammende Cuspert, besser bekannt als Rapper Deso Dogg, starb später bei Kämpfen im IS-Gebiet.

Eine „unbekannte Quelle“ hatte Moussa den kopierten Inhalt des in Syrien gefundenen Handys von Omaima A. zugespielt. Darauf fanden sich Dokumente, Fotos und Videos, insgesamt mehr als 24.000 Dateien. Auf einem Bild sieht man die 35-Jährige im Hijab mit einer Kalaschnikow posieren, an anderer Stelle ist zu sehen, wie ihr Sohn eine Schusswaffe hält und auf dem Schoß des berüchtigten IS-Kommandanten Mohamed Mahmoud sitzt. Nicht weniger verstörend wie derartige martialischen Auftritte muten die Videos mit Cuspert an, die Szenen einer geradezu absurden familiären Normalität mitten in der Terror-Zone zeigen.

Bundesanwaltschaft: Omaima A. hielt 13-Jährige als Sklavin

Nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft reiste die Islamistin im Januar 2015 ihrem zweiten Ehemann Nadar Hadra mit den beiden gemeinsamen Kindern und einer Tochter aus einer früheren Beziehung ins syrische IS-Gebiet nach. In der Terroristen-Hochburg Raqqa lebte sie zunächst in einem Frauenhaus, bevor sie mit Hadar zusammenzog.

Während sie den Haushalt führte, konnte er für den IS kämpfen. Die drei Kinder erzog sie „im Sinne der IS-Ideologie“, so die Bundesanwaltschaft. Zudem „übte die Angeschuldigte die tatsächliche Gewalt über ein Sturmgewehr Kalaschnikow AK 47 aus“. Von Frühjahr bis Sommer 2015 soll sie ein jesidisches Mädchen als Sklavin gehalten haben – die 13-Jährige sei ihr von einer Freundin „vorübergehend zur eigenen Verwendung“ überlassen worden, so die Anklage.

Wenige Monate nachdem Hadra bei einem Luftangriff in Kobane ums Leben kam, heiratete sie Cuspert nach islamischem Recht. Lange währte das Extremisten-Glück nicht: Omaima A. zerstritt sich mit Cuspert und kehrte, nun mit dem vierten Kind schwanger, im September 2016 nach Deutschland zurück.

Erste Frau, die als IS-Terroristin in Hamburg vor Gericht steht

Liefen verdeckte Ermittlungen gegen die 35-Jährige schon länger? Wenn, dann reichten die Beweise für einen Haftbefehl zunächst nicht aus. Bereits 2016 eingereist, führte Omaima A. lange Zeit ein bürgerliches Leben, sie schminkte und kleidete sich schick, arbeitete als „Übersetzerin und Eventveranstalterin“. Auch dem Hamburger Verfassungsschutz war Omaima A. spätestens seit 2012 als Salafistin und Dschihadistin bekannt.

Die 35-Jährige ist die erste Frau, die wegen Mitgliedschaft in der Terror-Miliz in Hamburg vor Gericht steht. Auf Anfrage sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen, es seien 13 Verhandlungstage bis zum 10. Juli vorgesehen. Ihr Berliner Verteidiger antwortete auf eine Anfrage des Abendblatts nicht.