Hamburg. Zum ersten Mal übernimmt jemand außerhalb der Familie die Geschäfte. Der Wechsel ist wohl die Folge eines jahrelangen Disputs.

Paukenschlag bei den Hagenbecks: Der Tierpark hat Anfang des Monats völlig überraschend seine Geschäftsführung ausgetauscht. Nach Abendblatt-Informationen soll der Wechsel still und fast unbemerkt stattgefunden haben: Selbst die Belegschaft ist noch nicht umfassend informiert worden.

Es ist das erste Mal in der Hagenbeck-Geschichte, dass jemand außerhalb der Familie die Geschäfte übernimmt. Der Wechsel ist wohl auch eine Folge heftiger interner Streitig­keiten. Die neue Führung steht vor der Aufgabe, den derzeit geschlossenen Tierpark durch die Coronakrise zu steuern.

Am vergangenen Dienstag bekamen die Mitarbeiter die Aufforderung, die Signaturen ihrer E-Mails zu ändern. Die bisherigen Geschäftsführerinnen Friederike Weinlig-Hagenbeck und Bettina Hering-Hagenbeck wurden demnach ersetzt durch Dirk Albrecht und Ludger Patt. Dirk Albrecht ist ein Freund und Berater von Patriarch Claus Hagenbeck und bereits seit längerer Zeit in die Leitung des Tierparks mit eingebunden.

Hagenbeck: Neuer Geschäftsführer schon früher umstritten

Um Dirk Albrecht hatte es bereits vor sieben Jahren Gerichtsstreitereien zwischen den damaligen Tierpark-Chefs Claus Hagenbeck und Joachim Weinlig-Hagenbeck gegeben. Grund: Claus Hagenbeck soll Albrecht zu viel Spielraum gegeben haben.

War Albrecht zunächst Berater im Hintergrund, soll er immer mehr als Generalbevollmächtigter und Zweitgeschäftsführer aufgetreten sein. Auf Wunsch von Claus Hagenbeck soll er auch an Budgetbesprechungen teilgenommen haben. Joachim Weinlig-Hagenbeck bremste Albrecht mit einer einstweiligen Verfügung damals aus.

Dirk Albrecht war in den 1980er-Jahren Chef der HSV-Marketing GmbH, bevor er vom damaligen HSV-Präsident Ernst Naumann fristlos entlassen wurde. Mit Claus Hagenbeck war er auch im Vorstand des Golfclubs Gut Waldhof, beide scheiterten 2008 mit ihren Bemühungen, den in die Insolvenz gegangenen Betrieb zu übernehmen.

Vorstand der Stiftung Hagenbeck sieht Wechsel positiv

Ludger Patt ist ein Wirtschaftsexperte und als Geschäftsführer verschiedener Unternehmen tätig. Auf Anfrage zum Wechsel in der Geschäftsführung heißt es aus der Pressestelle des Tierparks: „Ja, wir können einen Wechsel in der Geschäftsführung bestätigen.“ Weiter kommentieren wolle man das nicht.

Cord Crasselt vom Vorstand der Stiftung Hagenbeck sieht den Wechsel positiv: „Ich habe die Hoffnung, dass externe Leute frei sind von Emotionen und dass wir nun die notwendige Projektarbeit starten können.“ Denn die Tierpark-Dynastie ist heillos zerstritten.

Die beiden Familienzweige leiten das Unternehmen gleichberechtigt, sind immer wieder in Rechtsstreitigkeiten verwickelt und blockieren sich gegenseitig. Nach Abendblatt-Informationen wirken die Spannungen sich auch massiv auf das Arbeitsklima im Tierpark aus. „Fast jeder Mitarbeiter wird da mit reingezogen, muss eine Seite beziehen“, sagen Insider.

Doppelspitze geht auf Gründer Carl Hagenbeck zurück

Die bisherigen Geschäftsführerinnen Friederike Weinlig-Hagenbeck, Tochter von Ex-Hagenbeck-Chef Joachim Weinlig-Hagenbeck, und Bettina Hering-Hagenbeck, Tochter von Tierpark-Patriarch Claus Hagenbeck, hatten häufiger Dispute, zuletzt auch vor Gericht.

Der Vorwurf: Die junge Geschäftsführerin Friederike Weinlig-Hagenbeck soll das Arbeitsverhältnis zu Co-Chefin Bettina Hering-Hagenbeck beschädigt haben – indem sie Bettinas Ehemann Stephan Hering-Hagenbeck in seiner Funktion als zoologischen Direktor schlecht behandelt habe. Der andere Hagenbeck-Zweig forderte die Entlassung Friederikes Weinlig-Hagenbecks.

Kai Wanzten, Sprecher des Oberlandesgerichts: „Die Parteien haben sich außergerichtlich geeinigt.“ Stephan Hering-Hagenbeck ist seit Anfang des Jahres Alleingeschäftsführer der Schönbrunner Tiergarten Ges.m.b.H. in Wien.

Wissenswertes zum Tierpark Hagenbeck:

  • Hagenbecks Tierpark wurde im Mai 1907 eröffnet
  • Er liegt im Hamburger Stadtteil Stellingen und umfasst eine Fläche von 19 Hektar
  • Im Tierpark gibt es mehr als 1850 Tiere aller Kontinente, darunter eine der größten Elefantenherden Europas
  • Alle Bereiche im Tropen-Aquarium und der Rundweg im Tierpark Hagenbeck sind behindertengerecht
  • Die Mitnahme von Hunden ist nicht erlaubt

Die traditionelle Doppelspitze in der Geschäftsführung geht auf den Tierparkgründer Carl Hagenbeck zurück, der den Zoo an seine Söhne Heinrich und Lorenz vererbt hatte. Von einer konstruktiven Zusammenarbeit konnte in der bisherigen Konstellation laut Mitarbeitern aber kaum noch die Rede sein.

Nach Abendblatt-Informationen beklagten Mitarbeiter, dass wegen unterschiedlicher Ansichten und persönlicher Animositäten etwa notwendige Sanierungen nicht beschlossen würden. „Es herrscht ein Patt, das für niemanden im Park gut ist“, sagte ein Insider.

„Brandbrief“ mit der Bitte um finanzielle Hilfe in der Krise

Nach Angaben aus der Belegschaft soll es wiederholt zum Streit um einzelne Mitarbeiter gekommen sein. Die Geschäftsführerinnen hätten dabei unliebsame Angestellte „loswerden“ wollen.

Im Tierpark ist auch davon die Rede, dass die Geschäftsführerinnen unmittelbar vor ihrer Demission noch versucht hätten, mehreren Mitarbeiter zu kündigen. Diese hielten dies für unrechtmäßig und wehrten sich mithilfe des Betriebsrats. Eine Sprecherin des Tierparks wollte sich auf Anfrage des Abendblatts dazu am Dienstag nicht äußern.

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Bereits seit knapp einem Monat ist der Tierpark wegen der Coronapandemie geschlossen. Die Auswirkungen sind immens. In einem als „Brandbrief“ betitelten Schreiben forderte die nun ausgeschiedene Geschäftsführerin Bettina Hering-Hagenbeck die Stiftung Hagenbeck auf, schnelle finanzielle Hilfe bereitzustellen.

Obwohl keine Besucher mehr in den Tierpark kommen, seien die laufenden Kosten für die Verpflegung und Betreuung der Tiere mit etwa einer Million Euro pro Monat hoch. Die Situation drohe auch Arbeitsplätze im Tierpark zu gefährden, wenn die Einnahmeverluste nicht ausgeglichen würden.