Hamburg. Auch Infektionszahl steigt weiter rasch. Pflegeheime beklagen fehlende Schutzkleidung. Viele verhalten sich verantwortungsvoll.

Die Zahl der bekannten Corona-Infizierten wächst auch in Hamburg erwartungsgemäß weiter schnell. Am Sonnabend meldete die Gesundheitsbehörde 104 neue Infizierte, am Sonntag 119. Damit gab es mit Stand Sonntagmittag in Hamburg 887 bekannte Fälle. Am Freitag waren es noch 664 gewesen. Obwohl die Erkrankung Covid-19 bei einer sehr großen Mehrheit der Infizierten leicht verläuft oder zumindest so verkraftbar, dass ein Klinikaufenthalt nicht nötig wird, ist auch die Zahl der in Hamburg wohnhaften Patienten gestiegen, die in einer Klinik behandelt werden müssen. Waren es am Freitag noch 26, so wuchs die Zahl am Sonnabend auf 32, am Sonntag auf 51 – was fast einer Verdopplung binnen zwei Tagen entspricht. Davon mussten am Freitag und Sonnabend je sechs Patienten auf der Intensiv­station behandelt werden, am Sonntag waren es bereits zehn.

„Der weiterhin deutliche Anstieg der Fallzahlen wird durch einen hohen Anteil durch Urlaubsrückkehrer verursacht sowie durch Personen, die Kontakt zu den erkrankten Personen hatten“, so die Gesundheitsbehörde. „Bei vielen traten Erkrankungssymptome erst mit zeit­licher Verzögerung auf, sodass sie erst mit einigem Abstand zum eigentlichen Ferienende getestet wurden. In den kommenden Tagen wird bundesweit mit einem weiteren deutlichen Anstieg der positiv getesteten Fälle gerechnet. Die zuständigen Gesundheitsämter ergreifen bei allen positiv getesteten Personen die notwendigen Maßnahmen.“

Hamburger Krankenhäuser bereiten sich auf Versorgung von vielen Covid-19-Erkrankten vor

Die Hamburger Krankenhäuser bereiteten sich zurzeit auf die Versorgung von vielen Covid-19-Erkrankten vor, indem sie planbare Behandlungen verschöben, Krankenhausbetten reservierten und Intensivbetten aufbauten, so die Behörde. Dafür würden „wo möglich, selbst zusätzliche Beatmungsgeräte erworben“, deren Finanzierung die Gesundheits­senatorin zugesagt habe. Pflegekräfte, die bisher nicht intensivmedizinisch gearbeitet hätten, würden bereits geschult. „Krankenhäuser sollen durch leer stehende Betten keinen finanziellen Nachteil haben“, so Prüfer-Storcks.

„Deshalb haben die Länder gestern in einer Konferenz mit dem Bundesgesundheitsminister deutliche Verbesserungen an dem geplanten Gesetz des Bundes zur finanziellen Absicherung der Krankenhäuser in der Corona-Krise bewirkt. Die Krankenhäuser sollen nun deutlich mehr Geld für die Reservierung von Betten und Behandlungskapazitäten sowie zum Aufbau von Intensivbetten erhalten.“

Welle der Solidarität

Um die Corona-Krise gut zu bewältigen, werde „jeder und jede mit Erfahrung in Medizin und Pflege gebraucht“, so die Behörde. Deshalb habe man einen Aufruf gestartet: Freiwillige mit beruflichem Hintergrund aus medizinischen oder pflegerischen Bereichen, die ihre Hilfe anbieten wollen, könnten sich per Mail an personal.corona@bgv.hamburg.de wenden. „Ich freue mich zu sehen, wie viele Hamburgerinnen und Hamburger in dieser schwierigen Zeit füreinander da sind und sich gegenseitig im Alltag helfen“, so Prüfer-Storcks. „Das Corona-Virus zu stoppen und einzudämmen ist eine der größten Herausforderungen, die wir nur gemeinsam schaffen können.“

Vor allem das Fehlen von Schutzkleidung sorgt derweil für massive Pro­bleme bei Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Beim Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel gefährdet der Mangel inzwischen die Pflege der Bewohner. „Man hatte uns für Freitag wieder eine Lieferung fest zugesagt. Doch auch diese wurde beschlagnahmt, um Krankenhäuser zu versorgen“, sagte Vorstandschef Frank Schubert dem Abendblatt. Das Hospital zum Heiligen Geist versorgt 720 Bewohner in der stationären Pflege. „Ich verstehe, dass Krankenhäuser in dieser dramatischen Situation Vorrang haben sollten. Aber es kann nicht sein, dass Pflegeeinrichtungen dann unter den Tisch fallen“, sagt Schubert. Die Engpässe gefährdeten nicht nur die Gesundheit der Bewohner, sondern auch der Pflegekräfte: „Man schickt ja auch keinen Feuerwehrmann ohne Schutzkleidung an einen Brandherd.“

Immer mehr Menschen verhalten sich diszipliniert

Bereits vor der neuen Allgemeinverfügung mit dem Kontaktverbot zeigten sich viele Hamburger an diesem Wochenende derweil diszipliniert. „Was für ein Glück“, sagte eine Stammkundin in Groß Flottbek: nur zwei Käufer in der Backstube an der Waitzstraße. Dann erst fiel ihr Blick auf die akkurat verteilte Schlange vor der Ladentür. Im Abstand von zwei bis drei Metern hatte sich mehr als ein Dutzend Personen aufgereiht – so wie es aktuell sein soll.

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    Auch anderswo die einheitliche Beobachtung: Im Gegensatz zum oft fahrlässigen, rücksichtslosen Verhalten Ende vergangener Woche dominierte am Wochenende weitgehend Disziplin. Zu viele Menschen auf einem Haufen wurden nicht gesichtet. Zum Beispiel an der Alster und an der Elbe, in den Parks im Nordosten Hamburgs und im Klövensteen herrschte am Sonnabend und Sonntag ob des guten Wetters zwar reges Treiben; die befürchteten Auswüchse indes blieben aus.

    Erforderliche Abstände werden eingehalten

    Die meisten hielten sich an den auch auf der Abendblatt-Titelseite veröffentlichten Appell: Bleibt zu Hause! „Hier sind viele Nachbarn unterwegs“, berichtete ein Unternehmer aus dem Blankeneser Treppenviertel von einer Fahrradtour am Elbufer Richtung Wedel. „Wir haben jedoch den Eindruck, als wenn die Zahl der Spaziergänger aus anderen Stadtteilen erheblich niedriger ist als sonst.“ Von Touristen ganz zu schweigen. Bis auf herumtollende Kinder seien die erforderlichen Abstände eingehalten worden.

    Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

    • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
    • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
    • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
    • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
    • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

    Im Wald am Alsterwanderweg in Wellingsbüttel spielte eine Frau Dudelsack. Spaziergänger klatschten aus der Entfernung und riefen „Bravo“. An einigen Bäumen hatte jemand Zettel mit Aufgaben befestigt: „Springe zehnmal auf einem Bein“ oder „Mache fünf Kniebeugen“ oder „Nenne zwei Berufe, die mit dem Wald zu tun haben.“ Trimm dich für Kopf und Körper. Im Innocentiapark war ebenfalls weniger los als sonst an einem sonnigen Wochenende. Der Spielplatz war mit Flatterband abgesperrt, nur auf der Wiese spielten ein paar Kinder Fußball und „Wikinger-Kubb“. Auch am Isebekkanal in Hoheluft herrschte weniger Betrieb als normalerweise. Was auffiel: Überall waren Jogger unterwegs – mehr als üblich.

    Jean P. Sievers fliog  mit Banner „Stay at home“ über Hamburg.
    Jean P. Sievers fliog mit Banner „Stay at home“ über Hamburg. © Roland Magunia

    Mit dem Spruchband „Stay at home“ – bleibt zu Hause! war Jean-P. Sievers bereits am Sonnabendmittag über Hamburg in die Luft gegangen. Mit seiner Piper 12 Supercussion flog der Berufspilot über das Stadtgebiet und zog ein Spruchband mit dieser Aufforderung hinter sich her. „Normalerweise mache ich Reklameflüge“, sagt der 57 Jahre alte Hamburger, doch im Moment habe er ohnehin keine Aufträge. Um die Fluglizenz nicht zu verlieren, müsse er aber weiterhin regelmäßig in die Luft.

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    Hansa-Taxi-Chef Thomas Lohse spricht derweil von Umsatzrückgängen von rund 70 Prozent im Zuge der Corona-Krise. Der Fahrdienst Moia zieht bereits Konsequenzen und stellt den Fahrservice mit den goldfarbenen Elektrofahrzeugen am 1. April vorübergehend ein. „Wir reagieren damit auf die Corona-Krise und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, in deren Folge sich die Nachfrage nach Fahrten drastisch reduziert hat“, sagte Sprecher Christoph Ziegenmeyer. Die VW-Tochter beantragte ab April Kurzarbeit für rund 900 Mitarbeiter der Moia Betriebsgesellschaft.