Hamburg. Höchster Anstieg der Fallzahl seit Beginn in der Hansestadt. Behörde will die Zahl der Intensivbetten verdoppeln.
Die Zahl der nachgewiesenen Corona-Infektionen ist in Hamburg am Mittwoch um 102 auf jetzt 414 Fälle gestiegen. Das ist der in absoluten Zahlen bisher stärkste Anstieg seit dem ersten nachgewiesenen Fall am 1. März. Prozentual entspricht er einem Zuwachs um rund ein Drittel binnen eines Tages.
„Derzeit werden viele Rückkehrer aus Risikogebieten sowie aus der Schweiz und Österreich getestet“, so der Senat. „Zudem bieten immer mehr private Labore die Testung für medizinische Versorgungseinrichtungen an. Daher ist in den kommenden Tagen mit einem weiteren deutlichen Anstieg der positiv getesteten Fallzahlen zu rechnen.“
Bei den „allermeisten positiv getesteten Personen“ bestehe „nach wie vor ein Zusammenhang mit Reisen in Risikogebiete, besonders betroffene Regionen oder Kontakt zu Personen, die infiziert sind“. Dazu muss man allerdings wissen, dass nach den geltenden Kriterien ja nur Menschen getestet werden, die in einem Risikogebiet waren oder mit einer erkannt infizierten Person Kontakt hatten und außerdem Symptome haben.
Elf Personen in Hamburg wegen Corona in stationärer Behandlung
„Nach wie vor gehen die berichteten Krankheitsverläufe in der Regel mit leichten bis mittleren grippeähnlichen Symptomen einher“, so die Gesundheitsbehörde. „Nach aktuellem Stand befinden sich derzeit elf Personen mit Wohnort Hamburg aufgrund einer Erkrankung mit Covid-19 in stationärer Behandlung.“ Dazu kommen weitere Menschen aus dem Umland, eine Gesamtzahl veröffentlichte die Behörde am Mittwoch nicht.
Insgesamt gibt es in Hamburg 635 Intensivbetten, in denen Patienten auch künstlich beatmet werden können, wie die Gesundheitsbehörde auf Abendblatt-Nachfrage mitteilte. Diese Zahl solle nun zügig auf rund 1300 verdoppelt werden. Dazu warte man auf vom Bund zugesagte Beatmungsgeräte. „Bisher müssen nur wenige Corona-Fälle stationär im Krankenhaus behandelt werden und nur ein Anteil davon bedarf einer Behandlung auf der Intensivstation (Stand heute fünf Fälle)“, so Behördensprecher Daniel Posselt.
Schulschließungen werden verlängert
Drei der fünf Intensivpatienten stammen nach Abendblatt-Informationen aus dem Umland. „Aufgrund der sehr guten Ausstattung mit stationären Behandlungskapazitäten und bestehender umfassender System-Reserven sind zusätzliche Ressourcen zurzeit noch nicht zwingend, aber vorgeplant. Sie können jederzeit hochgefahren werden.“
Unterdessen hat Hamburg sich entschlossen, die bisher nur bis Ende März geplanten Schulschließungen bis zum 19. April zu verlängern. Das Abitur solle allerdings wie geplant am 16. April beginnen, man kläre derzeit, wie man die Prüfungen organisieren könne, sagte Behördensprecher Peter Albrecht. Auch die Kitas bleiben bis zum 19. April zu.
Am Hamburger Flughafen werden Reisende aus Nicht-EU-Staaten nicht mehr durch die Grenzkontrollen gelassen. Die bisher wenigen Passagiere, die abgewiesen würden, müssten im Transitbereich warten, bis sie einen Rückflug bekämen, hieß es. „Hier sind die Fluglinien in der Pflicht. Sie stellen sich aber sehr schnell auf die Vorgaben ein“, so ein Beamter. Ein besonderes Problem seien die Piloten und das Bordpersonal.
Gute Nachricht vom Flughafen
Gerade nach Langstreckenflügen machten sie oft in Hamburg Pause und stiegen hier in Hotels ab, um am nächsten Tag zurückzufliegen. In solchen Fällen, hieß es inoffiziell, lasse man die Menschen mit Auflagen in Hotels übernachten. Die Crewmitglieder müssten den Kontakt mit anderen Personen aber auf ein Minimum beschränken. Intern bereitet sich die Bundespolizei darauf vor, dass ein Einreiseverbot auch für Staatsbürger anderer EU-Staaten sowie für Bürger aus Großbritannien, Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz ab Donnerstagmorgen gelten werde.
Derweil gab es aber auch eine gute Nachricht vom Flughafen. Für einen Moment waren dort am Mittwochabend Aufregung und Ängste vergessen: Der vier Tage in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku festsitzende Mädchenchor Hamburg ist um 18.17 Uhr in Fuhlsbüttel gelandet. Durch Vermittlung des Auswärtigen Amts in Berlin, der Deutschen Botschaft in Baku, der Hamburger Bildungsbehörde sowie der Senatskanzlei konnten die insgesamt 50 Sängerinnen und Betreuer mit einem Sonderflug der Lufthansa heimkehren. Der ursprünglich für vergangenen Sonnabend geplante Transfer aus dem 3850 Kilometer entfernten Land war ersatzlos gestrichen worden. Tagelang wurde nach einer Alternative gesucht.
Mädchen sind wohlauf
Rund 100 Eltern, Geschwister und Freunde warteten in der Ankunftshalle in Fuhlsbüttel auf die Delegation. Der Mädchenchor hatte zuvor eine Konzertreise durch Georgien, Armenien und Aserbaidschan absolviert. Anzeichen einer Corona-Infektion sind bisher bei keinem der Teilnehmer bekannt. Dennoch müssen alle Rückkehrer eine Quarantäne antreten.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
„Wir sind überrascht über das große Aufgebot“, sagte Chorleiterin Gesa Werhahn. „Alle Mädchen sind gesund und wohlauf.“ Eltern überreichten ihr 50 Tulpen.„Ich freue mich außerordentlich, dass wir nach endlosen Bemühungen und Telefonaten eine schnelle und unbürokratische Lösung auf den Weg gebracht haben“, sagte Bildungssenator Ties Rabe (SPD).
Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack habe die Aktion federführend organisiert. Für die Schulbehörde sei es „eine neue Erfahrung“ gewesen, eine komplette Lufthansa-Maschine zu chartern. „Wir mussten dazu eine Bürgschaft von 90.000 Euro hinterlegen“, sagte Rabe. Im Falle einer Isolation in Baku wären Chor und erwachsene Begleiter an einem Ort außerhalb der Hauptstadt Aserbaidschans untergebracht worden. Dank der gemeinsamen Anstrengungen fand die Chorreise erst einmal einen beruhigenden Ausklang.
Schlechte Nachrichten aus der Hotellerie
Weniger gute Nachrichten gibt es aus der Hotellerie. Immer mehr Häuser schließen bis voraussichtlich Ende April – darunter die Luxushotels Atlantic und Louis C. Jacob. Wie dramatisch die Lage ist, schilderte Dehoga-Präsident Franz Klein dem Abendblatt. „Es werden so gut wie alle Hotels und Gastronomen in Hamburg Kurzarbeit beantragen“, sagte Klein. „Davon sind Zehntausende Mitarbeiter betroffen. Die 60 Prozent vom Nettogehalt, die gezahlt werden, werden für die meisten Angestellten nicht ausreichen. Denn auch alle steuerfreien Zulagen wie das Trinkgeld oder Zuschlag für Wochenendarbeit, fallen jetzt ja weg, wenn die Betriebe geschlossen sind.“ Auch Entlassungen werde es geben, so Klein.
Coronavirus: Die Fotos zur Krise
Auch das Vier Jahreszeiten bereitet sich auf die vorübergehende Schließung vor. Das Traditionshaus am Neuen Jungfernstieg hat rund 300 Mitarbeiter. Kurzarbeit will Direktor Ingo C. Peters nicht anmelden. „Wir werden das so regeln, dass Mitarbeiter Überstunden abbummeln, Resturlaub und wenn nötig die Hälfte ihres Jahresurlaubs nehmen. Wir haben eine soziale Verantwortung, wenn wir Kurzarbeit anmelden, würde das große Einbußen für Mitarbeiter bedeuten.“
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