Hamburg. Altstadt, St. Pauli: Nicht eine Scherbe auf den Fahrradwegen. Beobachtungen aus einer verunsicherten Stadt.

Sonnabendabend in Othmarschen. Im Block House sind alle Tische besetzt, noch gehen die Menschen aus, machen eine Corona-Pause – vielleicht getrieben von einem Gefühl, das langsam zur Gewissheit heraufdämmert: Es ist ein Vergnügen mit Restlaufzeit. Bald könnten wir Spanien sein: Dort gilt ab Montag eine Ausgangssperre, das ganze Land steht dann unter Quarantäne. Oder wir könnten Österreich werden: Dort bittet die Polizei Gruppen, die sich auf Spielplätzen tummeln, nach Hause zu gehen.

An keinem Ort im Land sollen sich mehr als fünf Menschen zugleich treffen. Zivildienstleistende der vergangenen fünf Jahre werden mobilisiert. Felix Austria. Die deutsche Bundesregierung hat die Wehrpflicht schon 2010 ausgesetzt.


Sonntagmorgen auf St. Pauli. Unterhalb des Eisernen Kanzlers, der 34,3 Meter in den blauen Himmel ragt, blühen die Zierkirschen – endlich verabschiedet sich der Winter, der kein rechter Winter war. Frühling in Hamburg. Aber es ist ein stummer Frühling, ein erstarrter. Im Herzen der Stadt friert das Leben langsam ein, von Stunde zu Stunde etwas mehr. Im Stadtpark, im Altonaer Volkspark, an Alster und Elbe tobt noch das Leben, aber hier hat es sich schon leise zurückgezogen.

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Der Kiez nebenan liegt fast verlassen da. Ein paar Nachtjacken torkeln gedankenverloren und zeitvergessen über die ruhige Reeperbahn. Nicht eine einzige Scherbe liegt auf den Fahrradwegen. Vermutlich zum ersten Mal seit mehr als 300 Jahren. Genau wie der Fischmarkt, der erstmals seit 1703 nicht stattfand. Und nirgends läuten Glocken. Jetzt, wo sich die Kirchen wieder füllen könnten, bleiben die Gotteshäuser geschlossen – als Vorsichtsmaßnahme.

Sonntagmittag in der Altstadt. Ein G-20-Gefühl macht sich breit; die Straßen fast menschenleer, die versprengten größeren Gruppen, die noch unterwegs sind, sprechen in fremder Zunge. Die wenigen Menschen halten Abstand, dabei gibt es den automatisch. Im vorbeifahrenden HVV-Gelenkbus sitzen gerade noch zwei Passagiere, die wenigen Restaurants, die in der Altstadt geöffnet haben, stehen verlassen da. In einer Tiefgarageneinfahrt unweit vom Rathaus schläft ein Obdachloser. Hoffentlich reichen Hilfe und Solidarität auch für die Gestrandeten der Gesellschaft.