Hamburg. Vom Hauptbahnhof bis nach Altona: Wo der Tunnel entlang führt, was er kosten wird und wie die Politik auf den Plan aus Berlin reagiert.

Er wird unterirdisch gebohrt, quert die Alster und kostet rund 650 Millionen Euro: Die Pläne für den Bau eines neuen S-Bahn-Tunnels in der Hamburger City werden konkreter. Der Tunnel soll den Hamburger Hauptbahnhof entlasten und mit Altona verbinden. Ein erstes Konzept dazu liegt dem Abendblatt vor. Es stammt aus dem Bundesverkehrsministerium. Mindestens 75 Prozent der Tunnelkosten, heißt es dort, werde der Bund tragen.

Laut Konzept soll der 5,5 Kilometer lange Tunnel vom Hauptbahnhof aus gesehen zunächst die Alster unterqueren und über die U-Bahn-Stationen Stephansplatz und Schlump geführt werden, seinen Weg über einen komplett neuen Bahnhof im Bereich des Rings 2 (Alsenplatz/Doormannsweg) fortsetzen und im neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich enden.

Zweiter Citytunnel "entscheidender Befreiungsschlag"

Die Idee für den Tunnel stammt vom Schienenverkehrsbeauftragten der Bundesregierung, dem Bundestagsabgeordneten Enak Ferlemann (CDU). „Der zweite Citytunnel für die S-Bahn ist der entscheidende Befreiungsschlag, der die Kapazitätsengpässe im Hamburger Hauptbahnhof und auf der Verbindungsbahn auflösen wird“, sagt er.

Das Bauwerk würde den Hauptbahnhof entlasten, weil dort die bisher von der S-Bahn genutzten Gleise dem Fern- und Regionalverkehr zufielen. Auch die Verbindungsbahn, die oberirdisch verlaufende Bahnstrecke zwischen dem Hauptbahn und dem Bahnhof Altona, würde mit dem Tunnel leistungsfähiger. S-Bahnen würden dann auf den neuen Tunnel ausweichen.

Hamburger Politik begrüßt S-Bahn-Tunnelplan

In Hamburg stößt das Konzept einer nördliche Trassenführung mit Anschlüssen an die U-Bahn auf Zustimmung. Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) sagt: „Es freut mich sehr, dass wir gemeinsam mit dem Bund das Verständnis haben, dass am Eisenbahnknoten Hamburg umfangreiche Maßnahmen notwendig sind, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden.“

Dennis Thering, Verkehrsexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, sagte: „Wir brauchen jetzt diesen großen Wurf, um den weiter steigenden Fahrgastzahlen im Schienenverkehr gerecht zu werden und damit auch die Klimaschutzziele zu erreichen.“

Wissenswertes zu den S-Bahn-Linien in Hamburg:

  • Die S-Bahn Hamburg ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG und Teil des HVV
  • Die ersten S-Bahnen fuhren 1907 durch Hamburg
  • Es gibt in Hamburg vier Haupt- (S1, S21, S3, S31) und zwei nur zeitweise verkehrende Verstärkerlinien (S11, S2)
  • Am Wochenende verkehrt die S-Bahn rund um die Uhr
  • Unter der Woche verkehren zwischen etwa 1 Uhr und 4 Uhr keine Züge
  • Das gesamte S-Bahn-Streckennetz umfasst rund 144 Kilometer und 68 Haltestellen
  • Die meisten Haltestellen der S-Bahn in Hamburg haben ein funktionsbetontes Design mit offenem Bahnsteig und offenem Flachdach

Ole Thorben Buschhüter von der SPD-Fraktion befand: „Nicht nur der Hauptbahnhof ist ein Engpass im Fern- und Regionalverkehr, sondern mindestens genauso die Verbindungsbahn über Dammtor. Der Bund hat dieses Problem nun erkannt und mit der Verlegung der S-Bahn von der Verbindungsbahn in einen zweiten Citytunnel eine interessante Lösung vorgeschlagen.“

Was der S-Bahn-Tunnel kosten – und was er leisten soll

Enak Ferlemann, Schienenverkehrsbeauftragter der Bundesregierung, hatte diese Lösung schon im vergangenen Dezember präsentiert. Doch nun wird es konkreter: 650 Millionen Euro Kosten, Trassenführung (siehe grün gepunktete Linie) im Norden der Innenstadt, gebaut mit einem Schildvortrieb, also komplett unterirdisch wie etwa beim Elbtunnel. Der Tunnel soll drei unterirdische Bahnhöfe oder Bahnhofszugänge bekommen: Stephansplatz, Schlump und Doormannsweg.

Das Bauwerk würde sowohl den Hauptbahnhof als auch die Verbindungsbahn entlasten. Damit ist die Bahnstrecke zwischen Hauptbahnhof und Altona gemeint. Die vier Gleise werden derzeit sowohl von Regional- und Fernbahnen als auch von S-Bahnen genutzt. Mit dem neuen Citytunnel gäbe es auf der Verbindungsbahn deutlich mehr Platz für Regional- und Fernzüge.

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Im Bahnhof Dammtor etwa könnten diese Züge dann über zwei zusätzliche Bahnsteige mit vier „Kanten“ (Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten) geführt werden. (siehe Karte). Im Hauptbahnhof könnten die jetzt von der S-Bahn belegten Gleise von der Fernbahn genutzt werden. Der neue Tunnel würde demnach unterirdisch an den Hamburger Hauptbahnhof angebunden.

Anbindung des S-Bahn-Tunnels an die U-Bahn

Bundesverkehrsministerium
Bundesverkehrsministerium © Bundesverkehrsministerium | Bundesverkehrsministerium

Die Trassenführung erlaubt an mehreren Stellen Umstiege. Der Ausbau des U-Bahnhofs Stephansplatz eröffnet den Wechsel in die U 1 und die U 5 (wenn sie fertig ist). Ein Ausbau des Bahnhofs Schlump erlaubt den Umstieg von der S-Bahn in die U 2 und U 3. Ein ganz neuer Bahnhof entsteht im weiteren Trassenverlauf im Bereich der Querung des Rings 2 (Alsenplatz/Doormannsweg).

Endpunkt des Tunnels ist der neue Altonaer Fernbahnhof am Diebsteich. Offen ist noch, ob die S-Bahnen unterirdisch oder oberirdisch in den Bahnhof einfahren. Jedoch spricht vieles dafür, dass der Bahnhof einen bislang nicht vorgesehenen unterirdischen Teil bekommt, der dann den S-Bahn-Verkehr aufnimmt.

Tunnel-Plan wichtig für neuen Fernbahnhof Altona

Der Plan für den Bau eines neuen S-Bahn-Tunnels dürfte die Verhandlungen des Senats mit den Gegnern der Altonaer Bahnhofsverlegung wesentlich beflügelt haben. Kurz vor der Wahl hatte der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erklärt, nicht weiter gegen das Projekt klagen zu wollen. In einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Senat und VCD heißt es nun: „Die Partner dieser Verständigung werden die Umsetzung des sog. Ferlemann-Vorschlags gegenüber dem Bundesverkehrsministerium mit Nachdruck einfordern und unterstützen.“

Perspektivisch sei am Diebsteich ein Bahnhof mit acht Fern-/Regionalbahngleisen oberirdisch und vier S-Bahn-Gleisen unterirdisch anzustreben. Der Senat, keine Frage, ist hier im Wort, den Bau des Tunnels voranzutreiben.

Wie geht es nun weiter? Das Bundesverkehrsministerium will zunächst „das Projekt im Kontext des Deutschlandtaktes gesamtwirtschaftlich bewerten“, heißt es in dem Konzept. Mit dem Deutschlandtakt soll die Zahl der Bahnpassagiere bis 2030 verdoppelt werden. Falle die Bewertung positiv aus, werde die DB Netz AG eine „vertiefte Machbarkeitsstudie durchführen und bei positivem Ergebnis die Umsetzung vorbereiten“. Und weiter: „Die Kosten des Projekts wird der Bund zu mindestens 75 Prozent übernehmen.“

Kosten für das Mammutprojekt sind bisher nur eine Schätzung

Die angenommenen 650 Millionen Euro sind bislang allerdings nicht mehr als eine Schätzung. Als Basis für die Schätzung wurden die Kosten für die Verlängerung der U 4 vom Jungfernstieg bis zur HafenCity Universität genommen. Für die vier Kilometer lange Strecke mussten 325 Millionen Euro hingeblättert werden. Im Ministerium rechnet man damit, dass der Citytunnel etwa doppelt so teuer wird. Fertig wäre er vermutlich erst weit nach 2030.

Der Bürgerschaftsabgeordnete Ole Thorben Buschhüter sagt dazu: „Auch wenn mir die Kostenschätzung etwas zu optimistisch erscheint, bin ich gespannt auf die gesamtwirtschaftliche Bewertung des Projektes. Der Bund scheint es wirklich ernst zu meinen mit dem Deutschlandtakt, das ist eine sehr gute Nachricht für Hamburg.“ Verkehrssenator Westhagemann ergänzt: „Jetzt kommt es darauf an, dass schnell die nächsten Schritte erfolgen.“

Dennis Thering von der oppositionellen CDU macht Druck: „Ich erwarte vom Senat volle Kooperation bei einer vertieften Machbarkeitsstudie. Hamburg kann froh sein, wenn der Bund den Großteil der Kosten für diese Maßnahme übernimmt. Das darf jetzt nicht durch Zaudern verspielt werden, sondern gehört ganz nach oben auf die verkehrspolitische Agenda des nächsten Senats.“